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210, S. September 1912. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 10393 Briefen mit Namensunterschrist und in anonymen Briefen, denen gegenüber man nur noch die Empfindung des Ekels haben konnte, ist der Vorstand angegriffen worden. Aber, meine Herren, das bitterste, was dem Vorstand begegnet ist, ist doch diese Stunde, in der mein Vorgänger uns — allerdings mit dem Zusatze, er sei überzeugt, datz wir nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben — in solcher Weise angriff.« Parey stellt zunächst fest, daß der Vorstand nicht bon sich aus den Versuch gemacht habe, einen Einheitsrabatt von 5 Prozent einzuführen, sondern daß ein Antrag von 15 Ver einen ihn dazu veranlaßt habe. Er nehme für den Vorstand in Anspruch, mehr wie jeder andere für die Reduzierung des Rabatts gerade in der Provinz gearbeitet zu haben, und nun mehr — »nachdem wir pflichtgemäß denBeschluß gefaßt haben, der uns zwingt zu sagen: die Fortsetzung dieses Weges ist un möglich, jetzt tritt die Versammlung uns in dieser Weise ent gegen!« — Parey bedauert, datz er die Ohnmacht der Maßregeln, die dem Vorstande zur Verfügung stehen, jetzt öffentlich vor der Versammlung aussprechen müsse; aber er wälzt die Verant wortung aus diejenigen, die ihn dazu zwingen. Er führt aus, datz weder die Entziehung des Börsenblatts noch die des Rechts, in ihm zu inserieren, noch die, selbst oder durch Kom missionäre an der Buchhändlerbürse abzurechnen, noch die Ver weigerung jeder Beförderung von Schriftstücken durch die Leip ziger Bcstellanstalt, endlich auch die Einstellung der Sorti mentslieferung einen Erfolg gehabt haben. Die einzige Maß regel, die Auslieferungssperre der Verleger, sei keine satzungs- mäßige Maßregel und könne von seiten der Verleger durch einfache Rllcktrittserklärung jeden Augenblick wieder aufgehoben werden. Bei dem Fall Gsellius habe der Vorstand die Erfahrung gemacht, daß sofort 30 Berliner Verleger zurück- getreten sind. Parey verliest ein Gutachten des Justizrats Oehme, das er sich über die Frage, ob sein Vorgehen satzungsgemäß gewesen sei oder nicht, habe erstatten lassen. »Dieses Gutachten er kennt an, datz die Befugnis des Vorstandes nach K 21 Ziffer 12, in dringlichen Fällen außerordentliche Maßregeln zu treffen, als die allgemeine Ermächtigung des Vorstandes angesehen lverden muß, mindestens in demjenigen Fall, wo das Statut jeweilige Änderung durch spätere Genossenschaftsbeschlüsse vor gesehen hat — und zu diesen gehört der vorliegende Fall, da in K 3 oub Sa ausdrücklich auf K 14 sub 7, d. i. auf noch malige Hauptversammlungsbeschlüsse Bezug genommen ist —, bei Unmöglichkeit der sofortigen Herbeiführung eines Genossen schaftsbeschlusses im Wege einstweiliger Verfügung einzu greifen.« Pareh wendet sich nunmehr zu dem Anträge Kröner. Er sieht in der Annahme dieses Antrags die Weigerung der Ver sammlung, ihr Einverständnis mit dem Vorstandsbeschlutz zu bekunden, — »und ich bin infolgedessen autorisiert, namens mei ner sämtlichen Vorstandskollegen zu erklären: wir werden dann sämtlich unsere Ämter niederlegen und in keinem Fall eine Wiederwahl annehmen«. Ich übergehe die kurze sich daran knüpfende Diskussion. Die Abstimmung ergab eine zweifellose Mehrheit für den An trag Kröner. Infolgedessen legte der Gesamtvorstand sein Amt nieder. Die Hauptversammlung wurde bis Montag abend 7 Uhr vertagt. Auf der Tagesordnung stand als einziger Gegenstand der Beratung die Neuwahl des Vorstands. Das Ergebnis war die Wahl der Herren Adolf Kröner, Or. Eduard Brockhaus, vr. Geibel und Paul Stebeck. Aus die Frage, ob er die Wahl annehme, erklärte Kröner: »daß er dem an ihn ergangenen Ruf seinem früher gegebenen Versprechen gemätz gefolgt sei, in der Voraussetzung, datz er für die anderen Vorstandsmitglieder ruhige und besonnene Männer finden werde, welche bereit sind, durch eine maßvolle, Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. sichere Handhabung unserer Satzungen die Ziele des Verban des zu verfolgen und die Vereinsgeschäfte zu leiten. Dieses beides ist zugetrosfen«. Er erklärt, daß er die Wahl annehme. Dasselbe erklären die anderen neugewühlten Herren. In seinem Schlußwort erklärt Parey, datz der Vorstand sich wie ein Steuermann vorkommt, der bei einem Sturm auf hoher See veranlaßt worden ist, das Steuerruder aus der Hand zu geben, und nun steht, wie ein anderer Steuermann ans Ruder tritt. Er hat aber keinen anderen Gedanken und keinen anderen Wunsch, als datz der neue Kurs in einen Hafen führen möge. Nachdem Boysen-Hamburg dem abtretenden Vorstand den herzlichsten, innigsten Dank der Mitglieder des Börsenvereins ausgesprochen hat, »besonders auch Herrn Parey für die aus gezeichnete, maßvolle und selbstlose Art, in der er die Verhand lungen geleitet hat«, schließt Parey die Hauptversammlung. Aus der Tagesordnung der Hauptversammlung ist noch der Antrag des Vorstandes hervorzuheben: »Die Hauptversammlung wolle genehmigen, datz vom Jahre 1890 ab der Jahresbeitrag um den bisherigen Abonnemcntspreis des Börsenblattes, nämlich von 6.— auf 18.— erhöht und vom gleichen Zeitpunkt ab jedem Mitgliede das Börsenblatt ohneBerechnung zugehen werde.« Dieser Antrag, dessen Ausführung ein Lieblingsgedanke von mir war, ist mit dem Vorstand in der Versenkung ver schwunden, und es hat 23 Jahre bedurft, um ihn zur Annahme zu bringen. In der Ostermesse 1912 hat endlich, wenn auch in etwas abgeschwächter Form, der Gedanke Geltung gewonnen, datz jedem Mitgliede des Börsenvereins das Vereinsorgan ohne weiteres zuzugehen habe. Noch eines anderen Wunsches, der aber bis jetzt noch nicht erfüllt ist, der Festlegung der Ostermesse, will ich bei dieser Gelegenheit erwähnen. In der 10. ordentlichen Delegierten- Versammlung von 1888 gedachte Paul Parey gelegentlich der Beratung der Verkehrsordnung, der Festlegung der Ostermesse, freilich ohne daß diesem Gedanken näher getreten wurde. Da die Festlegung des Osterfestes nunmehr von den verschiedensten kaufmännischen Vertretungen ernstlich betrieben wird, mag die Hoffnung berechtigt sein, datz endlich die Störungen, die dem Buchhandel durch den wechselnden Zeitpunkt des Oster festes erwachsen, ihr Ende finden. <Schluß folgt.j Kleine Mitteilungen« EisenbahnbetriebSverhältnisse in Leipzig während der KaisermanSder, — Die König!. Güterabfertigung Leipzig, Berliner Bahnhof, hat an eine Reihe großer buchhändlerischer Firmen das nachstehende Schreiben gerichtet: »Anläßlich der infolge der diesjährigen Kaisermanöver ein tretenden außerordentlich starken Inanspruchnahme der Eisen bahnen werden in den Tagen oom IZ.—16., ganz besonders aber am 14. d. M. erschwerte Betrieb-Verhältnisse eintreten. Die Eisenbahnverwaltung wird alles aufbieten, um die Unter brechungen des Güterverkehrs auf ein Mindestmaß zu beschränken; trotzdem wird es bei der Inanspruchnahme einer ganzen Reihe von Bahnhöfen und großer Eisenbahnstrecken durch die Militär- transporte zeitweise vielleicht unmöglich sein, den Güterverkehr und insbesondere die Zuführung leerer Wagen in dem regel- mäßigen Umsange ausrecht zu erhalten. Indem wir uns aus die in den hiesigen Zeitungeu von unserem Kgl. Verkehrsamt bereits erlassene diesbezügliche Bekannt machung beziehen, möchten wir Sie durch Gegenwärtiges noch besonders von der Sachlage in Kenntnis setzen, um rechtzeitig — auch bei Ihrer Kundschaft oder Ihren Lieferanten — daraus hin wirken zu können, daß eilige und dringende Sendungen möglichst schon vor den obenbezeichneten Tagen zwecks Entlastung der Eisenbahnen am Bestimmungsorte eintrefsen.» Internationales Übereinkommen für de« Personcn- «nd »epäckverkchr. — Dem Reichstage wird eine Vorlage unterbreitet werden, die sich auf ein internationales llberein- I3SS