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1157 35 1158 Dortheil, sich über die Gründe, welche für die Preßfreiheit und gegen die Censur sprechen, weiter zu verbreiten. Allein ich beabsichtige nicht, von diesem Vorthcile Gebrauch zu machen, sondern wcrde, da ich die Frage, ob Preßfreiheit oder Censur ? für entschieden halte, mich dahin erklären, daß ich das Gutachten der Deputation annehme. Indessen finde ich mich doch bewogen, eine Verwahrung beizufügen, damit es nicht scheine, als ob ich mit der Censur einverstanden sei. Ich glaube nur deshalb dem Deputationsgutachten beipflichtcn zu müssen, weil die ungünstigen politischen Constellacionen, in denen sich das deutsche Vaterland befindet, die Preßfreiheit augenblicklich nicht als erreichbar er scheinen lassen; ich halte mich für verpflichtet, diesem Voto bei zufügen, daß ich meinerseits und für meine Wähler aufdie Frei heit der Presse nicht verzichte, worauf wir gegründete Ansprüche zu haben glauben. Diese Erklärung erscheint mir doppelt noth- rvendig, da nach vorliegenden Erfahrungen die Censur nicht nur blos gegen dasjenige, was gegen Staat, Sitte und Religion verstößt, gerichtet ist, sondern weil sie jede Meinung, die mit ihren Ansichten über die genannten drei Kategorien nicht übercin- stimmt, verwirft und unterdrückt. Aus diesen Gründen muß ich denn erklären, daß ich die Censur zuerst für ein Institut halte, welches weder mit dem Rechte der Natur, noch mit dem Rechte der Verfassung übereinstimmt, Ich halte zweitens die Censur für ein Institut, weiches unpolitisch und unmöglich ist. Ich halte sin drittens für ein Institut, welches unnütz und schädlich ist. Es wird kaum ndthig sein, diese Urtheile, welche von mir eben über das Institut der Censur ausgesprochen worden sind, des Weiteren zu beweisen; denn in einer großen Zahl von Schriften sind sie von den Vertheidigern der Preßfreiheit hinlänglich dargethan worden. Nur wenige Worte mögen mir vergönnt sein, um sie nach meiner Art zu begründen und zu motiviren. Was das erste Urtheil anlangt, daß die Censur gegen das Recht der Natur und gegen die Verfassung streite, so finde ich seine Begründung darin, daß jedem Menschen, dem das Licht der Vernunft aufgcgangen ist, zu gleicher Zeit auch das Bewußtsein der Denk- und Meinungs freiheit eigen ist. Kraft dieser Denk- und Meinungsfreiheit findet er sich mächtig, seine Gedanken Andern mitzutheilen; er thut dies nicht nur, indem er spricht, er thut dies nicht nur, in dem er schreibt, er thur es auch, indem er seine Gedanken mit telst der Presse gedruckt vorlegt. Dieses Recht der Denk- und Meinungsfreiheit, welches also die Vervielfältigung der Gedan ken mittelst der Presse in sich hält, ist ein Recht, welches dem Men schen von Natur eingepflanzt ist. Es hat Anerkennung in der deut schen Bundesacte, es hat seineAnerkennung gefunden in der sächsischen Berfassungsurkunde. Ich lege indessen darauf, daß es in den gedachten beiden Urkunden anerkannt worden iss, wenig Werth, und muß lies deshalb thun, weileine Druckschrift zu einer Zeit, wo die Censur dasje nige verbleien kann, was ihr nicht gefällt, von wenig Werth ist. Der Hauptwerth liegt darin, daß das lebendige Bewußtsein des Rechts der Denk- und Meinungsfreiheit in dem gesammten Volke lebt. Ich halte aber auch die Censur für unpoli tisch und unmöglich. Die Censur stellt sich den Zweck, das Fortschreitcn des Volkes in geistiger Beziehung aufzuhalten; gewisse Gedanken, die ihrem Gehege fremd sind, will sie unter drücken und nicht ins Publikum bringen lassen. Dies ist, wie ganz natürlich, ein vergebliches Bemühen, denn derjenige, dessen Gedanken die Censur im Druck nicht passiren läßt, findet Wege, seine Gedanken durch mündliche Mittheilung, und durch die Schrift mit der Feder bekannt zu machen, wenn gleich es nur in beschränkter Weise geschehen kann. Ganz abgesehen hiervon, lehrt aber auch die Geschichte, daß eine Idee, welche wahren Grund hat im menschlichen Geist, welche also von der Wahrheit ange geben worden, von keiner Macht der Welt unterdrückt worden ist. Um dies thatsächlich zu beweisen, bedarf es keiner weitläufigen Citatc der Geschichte, es wird dies bewiesen durch die christliche Religion, denn so mannichfaltig auch die Verfolgungen gewesen sind, die die christliche Religion in ihren Bekennern zu erdulden batte, so ist cs ihr doch gelungen, sich über den größten Theil des Erdballs zu verbreiten, Ein recht auffälliges Bekenntniß, daß sich die Censur eine unmögliche Aufgabe gestellt habe, wird näch stens der geehrten Kammer vorgetragen werden. Es ist der hohen Kammer bekannt, daß vor Kurzem der Redakteur und der Verleger der deutschen Jahrbücher eine Beschwerde überreicht haben, wegen Unterdrückung ihrer Zeitschrift. Die Motive, aus welche» dies geschehen ist, sind in einem Artikel der leipziger Zei tung von der Staatsbehörde ausführlich dargelegt worden. Aus ihm geht hervor, daß die deutschen Jahrbücher seit mehren Jahren unter Aufsicht der sächsischen Censur in Leipzig erschienen und verbreitet worden sind. Es geht ferner aus dem Artikel hervor, daß diese Zeitschrift deshalb unterdrückt worden ist, weil ihr Inhalt angeblich gegen Religion, Staat, Sitte verstoßen hat. Ich be greife in der That nicht, wie man diese Zeitschrift deshalb hat un terdrücken können. Denn man hatte es doch in der Gewalt, diejenigen Gedanken, welche gegen die cbcngenannten Kategorien verstießen, abzuschnciden und nicht zum Druck kommen zu lassen- Wenn man nun dessenungeachtet behauptete, daß diese Zeitschrift gegen Religion, Staat und Sitte verstoßen habe, so liegt darin das offene Bekenntniß, daß man sich unfähig fühle, den For schungen dieser Zeitschrift zu folgen, und daß man sich unfähig fühle, den Sinn der Zeitschrift zu ergründen, um die Nachthcile welche dem Staate von ihrem Erscheinen drohen, abzuwenden. Ich sagte ferner, die Censur sei außerdem, daß sie unnöthig sei, auch unpolitisch. Ich glaube, dies läßt sich sehr leicht beweisen, Ich gehe davon aus, daß wir in einem constitulionellcn Staat leben. Der constiturionelle Staat aber macht cs sich zur Auf gabe, bei der Regierung hauptsächlich die Bedürfnisse des Volks zu berücksichtigen. Wie aber ist es möglich, muß ich fragen, daß die Regierung die Bedürfnisse des Volks kennen lernt bei einer Censur? Ich begreife dies in der That nicht. Von wem wird die Censur ausgcübl? Von Niemand anders, als von Sub alternen der Regierung. Wenn das Volk seine Beschwerden über die Regierung, über die Beamten laut werden lassen will, so ist natürlich, daß die Subalternen, — diejenigen, welche in Lohn und Brod der Regierung sind, — es nie zulassen werden, entweder aus Furcht, sich bei der Regierung unbeliebt zu machen, oder aus Furcht, sich selbst oder ihren Mitbeamten zu schaden, was natürlich allemal der Fall ist, wenn gerechte Beschwerden vor die höchste Regierungsbe hörde gelangen. Es kann mithin meiner Ansicht nach die Regierung beim Bestände einer Censur sich unmöglich von den Bedürfnissen des Volkes überzeugen. Es wird ihr also unmög lich sein, constitutionell zu regieren. Es ist aber auch unmög lich, daß unter diesen Umständen die Stände sich von den Be dürfnissen des Volkes gehörig unterrichten können. Denn ebenso wie die Regierung der öffentlichen Blätter und der Ocffcntlich- keit überhaupt bedarf, um sich von dem Bedürfnisse des Volkes genau zu unterrichten, ebenso bedürfen die Stände dieser Ocf- fenllichkeit. Bleibt nun die Angelegenheit der Presse auf dem gegenwärtigen Standpunkte stehen, erkennt die Regierung fer nerhin nur in den Ständen das Organ des Volkes, und erhebt die Zeitungen nicht durch Gewährung der Preßfreiheit ebenfalls dazu, so muß nach meiner Ansicht, wenn die Regierung streng constitutionell regieren will', sie zur Dependcnz der Sländever- sammlung werden, aus deren Munde sie nur die Bedürfnisse des Volkes erfahren kann. Sie wird sich also nach meiner Ansicht ein selbstständiges Urtheil, den Ständen gegenüber, von den Bedürfnissen des Volkes nicht bilden können. Ich glaube aber auch, daß die Censur schädlich und unnütz ist. Das ist mir ganz klar; obgleich ich nicht Gelegenheit gehabt habe, so viel fältige Erfahrungen auf dem Gebiete zu sammeln, als der ge ehrte Abgeordnete, welcher vor mir gesprochen hat, so habe ich doch wahrgenommen, daß die Censur meistcntheils die guten Schriften unterdrückt, aber die miserabel», schlechten unter ihre Aegide nimmt. Wie viel Unglück hat die Censur nicht auf ihrem Gewissen dadurch, daß sie den sittenlosesten Romanen den Eintritt ins Publicum gestattete? Fasse ich am Schluffe meine Ucberzcugung in wenige Worte zusammen, so scheint mir die Censur sowohl an sich, als ihrem Ursprünge nach, ein Institut, welches nicht zum Besten des Volkes, sondern zum Besten der Machthaber gereicht, die sich über Recht und Vernunft erhaben 79*