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7774 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. «Ä 146, 26 Juni 1914. einzige moderne Werk dieses Verlages, »Friedrich Huch, Peter Michel«, das, nebenbei bemerkt, all denen wirklich zu em pfehlen ist, die noch Freude empfinden an einem gesunden natürlichen Humor, wie ihn das Leben mit seinen Lüstlein und feinen Herbheiten und seinen Derbheiten tatsächlich bringt. Sind schon die kartonierten Ausgaben dieses Ver lages modern, im besten Sinne, ausgestattet, und dabei in der ganzen Anlage auf den Inhalt abgestimmt, die Halbleder bände sind doch noch mit mehr Raffinement hergestellt, so daß sie jeden Bibliophilen einnehmen können. Noch weit mehr ist dies natürlich bei unseren Renom mierfirmen: Georg Müller, Piper L Co., Hhpe- rion-Verlag, H. von Weber der Fall, die sich so recht zu einem Triumvirat zusammengeschlossen haben, indem sie gemeinsam einen achtunggebietenden Raum in der Ausstellung einnchmen. Sie sind es, die den modernen bayerischen Verlag in der Tat glänzend repräsentieren, ohne die wir wirklich recht klein dagestanden hätten. Sie haben also neben so manch an« derngrötzerenVerdiensten auch noch das, die Ehre unserer Stadt als Verlegersladt zum Ausdruck zu bringen. Soll ich wirklich all das Reiche, das Schöne aufzählen, was sie ausgestellt haben? Ich glaube, die Großtaten dieser Firmen sind im Buchhandel zu bekannt, als daß es nötig wäre. An so manchem bin ich da vorbeigegangen mit dem herzlichen Bedauern, daß ich kein Krösus bin, daß ich es mir also versagen mutz, meiner Lust als Bücherfreund, der ich leider trotzdem bin, so recht zu frönen. Voran die herrliche Ausgabe meines alten Misan thropen Schopenhauer, die des großen Lebenskllnstlers Goethe und die des armen Schiller, dessen überreiches Empfinden das brutale Leben doch nicht zu ersticken vermochte. Molitzre, Balzac, Rabelais, die Darsteller des großen Krieges, Leben ge nannt, Casanova, Chevalier Faublas, die großen Eroberer in diesem Kriege, Hanns Heinz Ewers, der uns durch die Mysterien des Lebens, durch das nur Empfundene, nie Erwiesene, durch das anziehende Grauenvolle erschauern läßt, der kluge, lustige, unökonomische Bierbaum, und der ihm wesensverwandte, nur eben bäuerliches Milieu beherrschende Quert das alles mutz ja in diesen musterhaften Ausstattungen jeden Bücherlieb haber entzücken. Und die lange Reihe von Schränken bildet nicht nur eine Augenweide von Umschlägen und Einbänden, sie werden uns alle von dem angestellten jungen Kollegen, der, was viel wert ist, gut unterrichtet ist, bereitwilligst borgelegt und — verkauft. Denn es findet allgemein in der Ausstellung ein sofortiger Verkauf statt, der nach den gehörten Urteilen in der Buchabteilung ganz zufriedenstellend sein soll. Zum Teil sind ganz überraschende Einnahmen zu verzeichnen, wie bei der Firma BischoffL Höfle, die mit graphischen Kunst blättern, mit Radierungen und Photogravüren vertreten ist und eine eigene Kupferdruckmaschine aufgestellt hat, an der sie die Herstellung dieser Kunstblätter zeigt. Sie hat, da die farbigen Radierungen ja ins Geld laufen, schon Tagesein nahmen von 120l>, ja 1800 ^ zu verzeichnen. Die wenigen Verlagsfirmen, die ausgestellt haben, sie geben ja einen guten Eindruck von der Tätigkeit des bayeri schen Buchhandels, eine richtige Vorstellung von ihr bekommt der Besucher aber doch nicht, da so manche Firma, die Her vorragendes geleistet hat, wie Bruckmann A.-G., Albert Langen, Braun L Schneider, C. H. Beck, Theo. Stroefer- Nürnberg, Verlagsanstalt Manz - Regensburg, u. a. fehlen Schade, schade! Dagegen haben die bayerischen Buch- und Kunstdrucke reien reich ausgestellt. Sie zeigen uns in mehreren Räumen den großen Reichtum an typographischen Formen und Ideen; sie zeigen an Plakaten, Mcnukarten, Diplomen, Heiligenbildern, Katalogen, Kalendern und allerlei Kunstdrucken, wie außer ordentlich leistungsfähig sie sind. Die Plakat- und Jllustrationskünstler sind etwas deplaciert worden. Sie sind nämlich mit ihren Ent würfen bei den Prägeanstalten und Strohutfabrikanten unter gebracht und werden deshalb vielleicht nicht die Beachtung ge nießen, die sie verdienen. Sehr oft ist Preetorius, der auch dem Verlag Georg Müller schon so manche treffliche Zeichnung ge bracht hat, vertreten . Dann auch Polster-Brandenburg, Willi Geiger und Ludwig Eberle. Ganz reizende Zeichnungen sind unter den Jllustrationsentwürfen zu finden. Zu bedauern ist nur, daß die Ausstellungsleitung nicht nachdrücklicher daraus aufmerksam macht, daß weitere Entwürfe im Verkaufsbureau eingesehen werden können. »Die Brücke« hat einen kleinen Abteil für sich belegt, den sie, wie nicht anders zu erwarten war, raffiniert ausge- nlltzt hat. Wer sich für kluge Organisation, für weitaus schauende Propaganda interessiert, der sollte sich die günstige Gelegenheit nicht entgehen lassen, sich mit einem Unternehmen bekanntzumachen, das eine Umwälzung auf geistigem Gebiete bringen und den Mechanismus des Geistes jederzeit dienstbar machen wird*). Ich möchte jedem empfehlen, Herrn Bührer, den Vater und den Träger dieser weltumfassenden Idee, der meist selbst zugegen ist, recht eingehend zu befragen, und ich kann nach Goethe urteilen: »Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen in dieser Stunde mehr gewinnen, als in des Jahres Einerlei.« Den Bemühungen der Leitung der Gewerbeschau, größere Vereine und Verbände Heuer zum Besuche Münchens zu ver anlassen, ist es zu verdanken, daß etwa 90 Kongresse angesagt wurden. Von ihnen hat bereits der Bibliothekartag am 30. Mai bis 1. Juni stattgefunden. Er war von etwa 200 Bibliothekaren und Bibliothekarinnen besucht und bildete die erste Tagung, die gemeinsam mit Österreich-Ungarn und der Schweiz abgehalten wurde. Eine Rundfrage über eine ein heitliche Katalogordnung, die schon früher versandt wurde, ist leider meist negativ erledigt worden. Interessieren dürften die Mitteilungen über die Entwickelung der hiesigen Hof- und Staatsbibliothek, nach denen ein jährlicher Zuwachs von 25 000 Bänden konstatiert wurde. Da die Kartensammlung geordnet werden soll und ein Katalog für die chinesische Sammlung beabsichtigt ist, derjenige über die griechischen Handschriften bereits bearbeitet und zudem die Einrichtung eines photographischen Instituts geplant wird, steht den Be amten dieser Bibliothek eine reiche Arbeit bevor. Das große Verzeichnis aller in den deutschen Bibliotheken laufenden Zeitschriften wird nach dem Referat Or. Ficks (Berlin) in etwa zwei Jahren fertiggestellt sein und dann etwa 13 500 Titel enthalten. Der Central-Verein Deutscher Buch« und Zeit schriftenhändler hielt seine 27. Generalver sammlung vom 15.—19. Juni ab und verband damit eine Ausstellung buchhändlerischer Erzeugnisse, soweit sie von den Mitgliedern dieses Vereins Vertrieben werden. Und ein sonderbarer Zufall fügte es, daß zur gleichen Zeit, in der diese stets willfährigen Diener des gedruckten Wortes ihre Ver sammlung hatten, auch »die Ritter vom Geiste« großen Fa milientag abhielten. Der große Pressetag, der die Delegierten des Reichsberbandes der deutschen Presse und des Verbandes Deutscher Journalisten- und Schriftste 1 ler - Vereine hier zusammenführte, hat einen großartigen Verlauf gehabt. Er hat durch seine Verhand lungen, bei denen die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen wurde, dem Publikum, das schon einige Tage vorher durch spalten lange Ausführungen über die Tätigkeit der Journalisten auf die Wichtigkeit der Versammlung aufmerksam gemacht worden war, einen tiefen Einblick in die Werkstätten deutschen Geistes- *> Vergl. auch Börsenblatt 1912, Nr. 54 u. 78.