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^ 196, 25. August 1914. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Handel betrieben, welche Angaben er der Berliner Buchhändler vereinigung vor seiner Aufnahme über seinen Gewerbebetrieb gemacht und was diese über jenen Geschäftsbetrieb gewußt habe. Der Beklagte habe über jenen Punkt damals keine Er örterungen angestellt. Ausschlaggebend sei, daß der Kläger jetzt keinen Buchhandel mehr treibe. Denn weil er das nicht mehr tue, greife § 7 Zahl 4 der Satzung ein. Der Kläger müsse beweisen, daß er noch Buchhändler sei, wenn er es überhaupt behaupten wolle. Daß die buchhändlerische Tätig keit des Klägers weggefallen sei, werde vom Buchhalter Stier und Buchhändler Wilhelm Köbner, Berlin, Schöneberger straße 39, bezeugt werden. Selbst wenn der Geschäftsbetrieb des Klägers sich seit 1890 nicht geändert habe, sei das Vor gehen des Vorstandes gerechtfertigt. Denn der den Kläger als Mitglied ausnehmende Beschluß, sei satzungswidrig und daher ungültig, weil grundsätzlich nur Buchhändler als Mit glieder ausgenommen werden könnten. Unerheblich sei es, ob etwa sogar die Mitgliederversammlung der Aufnahme des Klägers zugestimmt habe uud ob damals der Vorstand und die Mit gliederversammlung getäuscht worden seien oder sich im Irr tum über den Geschäftsbetrieb des Klägers befunden oder die Satzung zu weit ausgelegt hätten. Gründe. I. Das Feststellungsinteresse des Klägers ist nicht zu be zweifeln. Denn ihm werden infolge des Verhaltens des Vor standes des Beklagten wichtige Rechte verschränkt, die er als Mitglied des Beklagten besitzt. II. Der Klagantküg ist auch sachlich gerechtfertigt. 1. Der Beklagte kann sich nicht auf §7,4 der insoweit (vgl. § 56 der alten Satzung) in Betracht kommenden neuen Satzung stützen. Hiernach geht zwar — abgesehen vom Tode (§ 7,1), vom ausdrücklichen Austritt (§ 7,2) und vom still schweigenden Ausscheiden (§ 7,3) — die »Mitgliedschaft ver loren beim Wegfall einer der in § 2 genannten Voraus setzungen für die Aufnahme«, es sei denn, daß der Vorstand im Falle der Aufgabe der buchhändlerischen Tätigkeit eines Mitglieds dessen Erklärung, dem Verein weiter angehören zu wollen, genehmigt. Vorausgesetzt wird also, daß die in § 2 bestimmten Aufnahmebedingungen bei der Aufnahme erfüllt waren, insbesondere, daß das Mitglied früher wirklich Buch händler war. Daß dies der Fall gewesen sei, hat nun der Beklagte hinsichtlich des Klägers nicht behauptet. Der Kläger selbst aber behauptet ebenfalls nicht, daß er früher Buchhänd ler gewesen sei. 2. Unrichtig ist auch die Meinung des Beklagten, daß die Aufnahme des Klägers schon aus dem Grunde unwirksam sei, weil er bei seiner Aufnahme nicht Buchhändler gewesen sei. Die Satzung ergibt nämlich — und zwar sowohl in der alten wie in der neuen Fassung —, daß das Fehlen der satzungsmäßigen Aufnahmevoraussetzungen nicht das Entstehen der Mitgliedschaft hindert und die Aufnahme ungültig macht. Denn § 8 Zahl 4 läßt im Falle betrüglichen Er- schleichens der Mitgliedschaft nur die Ausschließung des betreffenden Mitglieds zu, — was also eine an sich gültige Mitgliedschaft voraussetzt —, und er läßt die Ausschließung nur im Falle des Betruges zu, also nicht schon beim objektiven Fehlen der Aufnahmevoraussetzungen. Der Beklagte müßte hiernach behaupten, daß der Kläger seinerzeit wissentlich unwahre Angaben gemacht habe, und daß ein Ausschließungsbeschluß der Hauptversammlung vorliege (§ 8 unter b). In beiden Richtungen hat der Be klagte keine Behauptungen aufgestellt. Die Sachlage ergibt, daß er derartige Behauptungen auch nicht aufstellen will und kann. Insbesondere liegt nur ein Vorstandsbeschluß vor (s. Bl. 5). Der Hinweis des Beklagten darauf, daß kraft Gesetzes die Mitgliedschaft des Beklagten mangels Vor- liegens der satzungsgemäßen Aufnahmevoraussetzungen nichtig sei, ist verfehlt. Denn die Satzung ergibt hier, daß sie in Abweichung von den angeblichen gesetzlichen Vorschriften unter gewissen Umständen die Aufnahme bzw das Verbleiben von Mitgliedern zulassen will (vgl. auch § 2 Zahl 2 Abs. 2 der neuen Satzung), bei denen die Aufnahmevoraussetzungen nicht gegeben waren. Die Satzung geht aber dem Ge setze vor. Es ist auch das Ergebnis wirtschaftlich durchaus zu billigen. Es wird aus diese Weise nämlich dem je weiligen Vorstande bzw. der jeweiligen Mitgliederversamm lung eine gewisse Entscheidungs- und Auslegungsbefugnis hinsichtlich der Frage gewährt, ob die Aufnahmevoraus setzungen gegeben sind. Es wäre im Hinblick auf § 8 Zahl 4 nicht zu verstehen, daß ein späterer Vorstand und eine spätere Mitgliederversammlung die Aufnahme eines Mitgliedes für ungültig erklären könnte, die ein früherer Vor stand oder eine frühere Mitgliederversammlung in Kenntnis davon beschlossen hatte, daß bei ihr die Aufnahmevoraus setzungen nicht gegeben seien. Zu diesem Ergebnis aber würde der Standpunkt der Beklagten führen (vgl. Bl. 12 Mitte). III. Demgemäß war klaggemäß zu erkennen. Die Kostenent- scheidung folgt aus § 91 ZPO. vr. Meister. Thieme. vr. Riese. Ausgefertigt am 19. Juli 1912. Der Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichts zu Leipzig. Pauli, Aktuar. (Schluß folgt.) Hamburger Briefe. IV. «III siehe Nr. 124.) Krieg — mobil! — Außerordentliche Versammlung des Hamburg- Altouaer Buchhändler-Vereins. — Gesundung, Kriegszustand, Kriegs predigten und Ähnliches. — Darlehns- und Vorschußkasse für Klein- gcschäfte. — Vom persönlichen Waffendienste. — Der Sommerausflug des Hamburg-Altonacr Buchhändler-Vereins. — Emannel Geibcl, der Seher. Am Mittwoch, 29. Juli, befand ich mich noch im tiefsten Frie den zu Soltau in der stillen Heide. Gewiß, Österreich hatte ein Ultimatum an Serbien gerichtet, und die Frist war verstrichen, ohne daß eine genügende Antwort gegeben worden wäre. Aber sollte nicht heute das hamburgische Regiment, die Sechsundsieb ziger, nach Soltau kommen, um von dort durch Fußmarsch das Munster-Lager zu Friedensübungen zu beziehen? Also zum Bahnhof! Da strömten die Musketiere auch schon heraus; in kur zer Zeit waren die Marschkolonnen gebildet, und unter Trommel schlag in strammem Schritt durchzogen sie das stille Heidestädt- chcn. Ich ließ Bataillon nach Bataillon an mir vorüberziehen und gedachte in stolzer Erinnerung der Zeit vor 44 Jahren, da ich auch den Waffenrock tragen durfte: »Drum ihr frischen, blaue» Junge», Lustig darauf losgesuugeu, Denn wir waren auch dabei.« Aber gegen Abend desselben Tages durchschwirrten Gerüchte das Städtchen, daß der Übungsplatz Munster geräumt würde und die Regimenter in ihre Garnisonen zurückeilten. Wir abermals zum Bahnhof! Ein Militärzug war schon durch, nach kurzem Warten kam der zweite, das II. Bataillon der 75er zurück nach Bremen bringend. Aus den blauen Jungen waren inzwischen graue geworden, Mannschaft wie Offiziere trugen schon die Feld uniform. Ersichtlich war die Lage schon am 29. Juli ernst ge worden. Als wir dann zwei Tage später heimkehrten, sahen wir die Elbbrücken militärisch bewacht. Auf dem Bahnhof in Ham burg erfuhren wir den verkündeten Kriegszustand; zugleich er wartete mich die Meldung, daß ich noch denselben Abend nach dem Bureau der Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger im Kriege wegen Mobilmachungs-Angelegenheiten kommen müsse. Andern Tags erging der Mobilmachungsbefehl: Krieg — mobil! Der Vorstand des Hamburg-Altonaer Buchhändler-Vereins berief eine außerordentliche Versammlung auf Mitt- 1295