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4214 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 77, 2. April 1912. Versagende Fernwirkung besitzen. Die Geländedarstellung, der Prüfstein jeder guten Karte, die in der Länge und Breite keine besonderen Schwierigkeiten bietet, mutz in der dritten Dimen sion, der Höhe, eine wirkungsvolle Plastik zeigen, die durch Schraffierung, Schummerung und durch farbig abgestufte Höhenschichten unter einem angenommenen Beleuchtungswinkel erreicht wird. So gelangte man zur Reliefdarstellung, die bei Kuhnert ganz ausgesprochen, bei Harms stark und bei anderen ge mäßigter zum Ausdruck kommt. Epochemachend wirkte seiner zeit das Erscheinen der Großen offiziellen Schul wandkarte der Schweiz, bearbeitet und heraus gegeben vom eidgenössischen topographischen Bureau, die in einer besonderen Reliefdarstellung gehalten ist. Sie ist ein Karten g e m ä l d e von wunderbarer Klarheit, Plastik und Farbenstimmung. Wir haben beobachtet, daß Kartographen von Ruf in Bewunderung stundenlang vor ihr standen und nicht erstaunt waren, als sie den Herstellungswert, der zirka 80 000 Frcs. betragen soll, erfuhren. Eine ganz vorzügliche Leistung ähnlicher Art ist die im vergangenen Jahre erschienene Hölzelsche Wandkarte der Alpen. — Beliebt sind jetzt die physikalischen Ausgaben mit farbig eingezeichneten politischen Grenzen, also eine Kombination des physikalischen und politi schen Bildes, weil sie mancher weniger gut dotierten Schule die Möglichkeit geben, zwei Karten durch eine zu ersetzen. Die heute mehr oder weniger gangbaren Schulwandkarten sind die Ausgaben von Bamberg, Cüppers, Debes, Diercke, Gaebler, Handtke, Harms, Hölzel, Kiepert, Kuhnert, Leeder, Noordhoff und Rothaug. Selbst die bescheidenste von ihnen ist noch ein Meisterwerk im Vergleich zu dem Kitsch, den man in London und Paris auf den Exportmarkt bringt. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Ge brauchsfähigkeit einer Karte ist der Aufzug. Was hat man sich in dieser Beziehung früher geleistet, und was geschieht zum Teil heute noch! Die arme Karte kann sich ja nicht wehren, wenn ein ehrsamer Buchbindermeister draußen in der Pro vinz die gute Stube ausräumt und im Schweiße seines Ange sichts auf dem Fußboden die sogenannte Leinwand spannt, die vorher das traute Ehegesponst auf der Nähmaschine zusam menflickte. Dann wird geklebt und streng daraus geachtet, daß es oben und unten, rechts und links aufgehl, wenn auch sonst im Kartenbild der Anschluß der Sektionen um Zentimeter diffe riert. Gevatter Schreiner bringt die mit dem Hobel gearbei teten Stäbe, die Karte wird gerollt, und der gestrenge Herr Direktor, der das heimische Handwerk schützen wollte, bezahlt am Ende gar noch einen höheren als den üblichen Preis. Im Zustande der Ruhe, d. h. gerollt, ist sie noch ziemlich harmlos, etwas behäbig und voluminös vielleicht, aber an die Wand ge bracht, entpuppt sie sich nach kurzer Zeit zu einem Propheten kuchen aus Blätterteig in ihrer ganzen Furchtbarkeit und trägt seitens des Sortimenters eine geharnischte Reklamation, nicht dem Buchbinder, Wohl aber dem Grossisten oder Verleger — wegen Verwendung minderwertigen Papieres ein. Kartenauf züge sollten deshalb nur von Spezialbuchbiudern hergestellt werden, und es ist dem Sortimenter niemals zu raten, rohe Karten zu beziehen, wenn er nicht genau weiß, daß er sie rich tig aufgezogen bekommt. Ein guter und dauerhafter Aufzug, wie er sich als praktisch erwiesen hat und wie er von den größe ren Verlegern und Barsortimentern in den Handel kommt, ist aus einem Stück gut appretierter, grauer Leinwand gearbei tet, hat oben und unten Vollstäbe von mindestens 30 mm Durch messer, am oberen Stabe einen ca. 16 am breiten Schutz aus widerstandsfähigem Stoff, Riemenverschluß und starke Messing ösen mit Schnur zum Aufhängen. Neuerdings mehrfach angepriesene gesetzlich geschützte und patentierte Verschlüsse sind fast ausnahmslos Mätzchen. Das Einfachste ist auch hier das Natürlichste. Man muß sich immer vor Augen führen, daß meistens ungeübte Kinderhände das Zu sammencollen der Karten besorgen, nicht der »geniale Erfinder« oder der geübte Händler. Unpraktisch und unschön ist es, an den Enden der Stäbe gedrechselte Kuppen anzubringen, wie das heute noch gern in Österreich und in England geschieht. Schulwandkarten auf Leinwand, gefaltet und in Mappen unter gebracht, wurden früher viel, heute fast nicht mehr gewünscht, man wendet diese Art des Aufzuges nur noch in Ausnahme- fällen, z. B. bei Versendung einzelner Exemplare nach dem Auslande an. Nächst der Karte ist das geographische Anschauungsbild dem Lehrmittelhändler ein dankbares Objekt. Man hat ihm, nachdem sich Stereoskop, Projektionsapparat und Kinemato- graph (über die, als auf den Gesetzen der Optik beruhend, unter Physik zu reden sein wird) immer mehr in der Schule einbürgerten, ein wenig günstiges Horoskop gestellt, aber den Schwarzsehern zum Trotz gedeiht es farbenfreudig weiter und predigt dem Kinde in den verschiedensten Arten und Auffassungen die Schönheiten und Wunder von Himmel und Erde. Die Ausgaben von Eschner, Fraas, Geistbeck-Engleder, Hirt, Hölzel, Kirchhofs, Lehmann, Meinhold, Schmidt, Schreiber und Voigtländer sind die markantesten unter ihnen und auch dem Buchhandel vertraut. Sie bringen entweder charakteri stische typische Landschaften, wie Lehmann und Hölzel, oder ein im Rahmen der Möglichkeit zusammengestelltes Bild, wo bei die Einzelheiten zwar der Natur entnommen, aber zu einem Gesamtbilde vereinigt sind, wie z. B. Fraas, Naturerscheinun gen der Erde, oder Schreiber, Wandtafel geographischer Grund begriffe. Besonders gut sind auch Ethnographie und astro nomische Geographie vertreten. Die Tafeln kommen roh, schul fertig, aufgezogen auf Pappe und aufgezogen auf Leinwand und mit Stäben versehen in den Handel. Das bei Karten über den Aufzug Gesagte und seine Herstellung gilt auch sinn gemäß sür Bilder. Die billigste, sogenannte schulfertige Aus führung wurde seinerzeit von Wachsmuth eingeführt; das rohe Blatt wird bei ihr nochmals auf starkes Papier, gewöhnlich Lederpapier, aufgezogen, die Ränder der Rückseite mit Leinen band hinterklebt und das Bild oben mit Ösen versehen. Der Pappaufzug soll in sich nicht werfender Pappe ge arbeitet werden, hat Rückenfutter, Kalikoeinfassung, Ösen un Band zum Aufhängen. Vor diesem hat entschieden den Vorzug der Aufzug auf Leinwand mit Stäben, der auch tatsächlich am meisten gebraucht wird. Gute graue, nicht schmutzende Lein wand, unten ein schwarz maitpolierter Vollstab von ca. 2S mm Durchmesser, oben ein solcher Halbstab mit Ösen und Bindeband, so präsentiert er sich uns heute überall als ein schmucker, beweg licher und unverwüstlicher Geselle. Die vorgenannten Ausfüh rungen sind nur bis zur gängigsten Schnlbildergröße von ca. 70:90 am empfehlenswert, Bilder größeren Formats soll ten nur in der letzten Art gebraucht, dann aber der obere Halb stab durch einen Vollstab ersetzt werden. Das läßt sich aller dings für den Sortimenter und Grossisten der leidigen Kosten frage wegen nicht immer durchführen, da sie sich nach dem vom Verleger festgesetzten Originalpreise zu richten haben. Darum, meine Herren Verleger, richtig kalkulieren und solide Auszüge bringen; der moderne Schulmann zahlt gern für eine gute Ausstattung einige Nickel mehr! Eine weitere gangbare Gruppe der geographischen Leb' mittel sind die Globen, die bekanntlich auch als beliebte Ge schenkartikel eine ziemliche Popularität besitzen. In erster Linie natürlich die Erdgloben, glatt und reliefartig, in den ver schiedensten Ausstattungen, dann weiter die Himmels- und Mondgloben, sowie die anderen astronomischen Lehrmittel. Heymann, Dietrich Reimer, Adolf Mang, Schotte L Co., Felkl L Sohn verlegen sie in mustergültigen Ausführungen, und man kann wohl sagen, daß sie den Weltmarkt beherrschen. Beson ders hervorzuheben sind hier die Mangschen Lehrmittel, die