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77, 2, April 1S12. Nichtamtlicher Teil. Wrs-Maü I. d. Dtschn, Buchhanb-l. 4213 Nichtamtlicher Teil. Lehrmittel und Lehrmittelhandel. ii. »Wissen ist Macht, geographisches Wissen ist Welt macht« ! So beginnt ein Aufruf, in dem die deutschen Schul- geographen, Lehrer und Freunde der Erdkunde zum Zusam menschluß in einem Verbände aufgefordert werden. Die ein gehende Begründung hierzu verlangt die Hebung der Erdkunde als Schulfach und stützt sich im wesentlichen auf die Reform- Vorschläge des Deutschen Geographen-Tages für erdkundlichen Unterricht an den höheren Schulen, wie sie im Juni 1909 in Lübeck aufgestellt wurden. An zwei Hauptübeln krankt zurzeit der geographische Unterricht, die ihn nicht zu einer gedeih lichen Entwicklung kommen lassen; das ist einmal die geringe ihm zugewiesene Stundenzahl und zum anderen die Ertei lung des Unterrichts durch sehr oft nicht fachmännisch vor gebildete Lehrkräfte. Mit Recht werden deshalb Reformen des geographischen Unterrichts verlangt, denn eine gediegene geo graphische Bildung ist heute, wo wirtschaftliche Fragen in hohem Maße das Leben der Völker beherrschen, von größtem Werte. So basiert auch ein großer Teil der staatsbürgerlichen Erziehung unserer Jugend, die in jüngerer Zeit besonders stark betont und gefordert wird, in der Darstellung der wirt schaftlichen Verhältnisse und Aufgaben unseres Volkes, und es fällt diese Aufgabe keiner Disziplin mehr als gerade der Erdkunde zu. Es liegt auf der Hand, daß die allgemeinen Be stimmungen für die preußischen Volksschulen vom Jahre 1872, die heute noch in Kraft sind, für den Geographie-Unterricht nicht mehr maßgebend sein können, wenn man die bedeutungs vollen Errungenschaften der geographischen Forschung, den Eintritt Deutschlands in die Reihe der Weltmächte und nicht zuletzt die neue pädagogisch-methodische Lehrkunst der letzten LS Jahre in Betracht zieht. Als »unentbehrliche Lehrmittel« gelten nach jenen Vorschriften immer noch »ein Globus, eine Wandkarte der Heimat, eine solche von Deutschland und einige Abbildungen für den weltkundlichen Unterricht«. Allerdings hat man sie von »oben« herab Wohl im richtigen Gefühle der Rückständigkeit in Nachträgen und Erlassen ergänzt, so 1905 und 1906, indem auf den billigen Bezug von Kartenwerken der Kgl. Landcs-Aufnahme und die sorgfältige Pflege der Heimats- künde, der vaterländischen Geographie und auf die eingehende Behandlung von Deutschlands Kolonien und des Weltverkehrs hingcwiesen wurde. Und neuerdings schreitet man rüstig wei ter, denn das Heft 2/1912 des »Zentralblattes für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen« enthält folgenden vom 22. Januar datierten Erlaß des Herrn Ministers der geistlichen und Unterrichtsangelcgenheiten: »Im Hinblick auf die Bedeutung der Wetterkunde.besonders für die landwirtschaftliche Bevölkerung, sowie mit Rücksicht darauf, daß an zahlreiche Landschulen seitens der Kreis kommunalverbände kostenfrei Wetterkarten geliefert werden, erscheint es erforderlich, daß die Schulkinder im heimatkund lichen, erdkundlichen und naturkundlichen Unterricht nach Mög lichkeit mit der Einrichtung und Verwertung der Wetterkarten bekannt gemacht werden.« Na, also! Hoffentlich hat das Wetter für 1912 ein Ein sehen und bessert sich, wenn ihm von amtlicher Stelle aus diese Verbeugung gemacht wird. Interessant ist es aber doch, zu beobachten, wie auch hier in der Theorie der offizielle Amts schimmel nachhinkt, nachdem sich längst die Praxis, also Schule und Handel, das Gebiet der Meteorologie als einer Hilfs wissenschaft der Geographie zu eigen gemacht haben. Wir möchten sogar behaupten, daß wir die Einführung der Wetter- BörscMatt für Len Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. künde dem Spürsinn und der Initiative einiger Verleger danken, die wertvolle Lehrmittel für sie brachten und mit ihrem Ange bot die Nachfrage erregten. So erschien bei Chnn vor kurzem die ausgezeichnete »Meteorologische Wandkarte für den Schul gebrauch, von Eilert«, eine typische, auf Fernwirkung angelegte Karte zur Einführung in das Verständnis der offiziellen täg lichen Wetterkarten, ferner vor einigen Wochen bei Hölzel eine neue Ausgabe der Wandkarte der Jahresisothermen, von Supan. Dietrich Reimer brachte schon 1905 zwölf Schul wetterkarten von Börnstein, 1908 den meteorologischen Erd globus von Kaßner und neuerdings die »Temperaturfläche« ebenfalls von Pros. Börnstein, ein Lehrmittel, das die Tem- peraturberänderungen veranschaulichen will, die mit dem Wechsel der Tages- und der Jahreszeiten eintreten. Die Horn- bergerschen meteorologischen Karten, schon in den achtziger Jahren bei Fischer, Kassel, erschienen, sowie die Lehrmittel von Lehrer Hempel, Reallehrer Mang und Rektor Schaufuh seien als empfehlenswert ferner erwähnt. Kehren wir von der Meteorologie zur allgemeinen Erd kunde mit ihren Hilfswissenschaften zurück und halten wir Um schau nach den vorhandenen Lehrmitteln, so bietet sich uns eine überaus reiche Auswahl, wie kaum auf einem zweiten Gebiete. Besonders für die Verleger als die Erzeuger graphischer Lehr mittel ist die Geographie von jeher ein beliebter Tummelplatz und ein dankbares Feld regster Betätigung gewesen. Sahen doch die letzten drei Dezennien ganz hervorragende Bilder- und Kartenunternehmungen erstehen. Nicht minder groß ist die Ausbeute in Apparaten, Globen, Modellen und Sammlungen. Das vornehmste und unentbehrlichste geographische Lehrmittel ist die Schulwandkarte; sie soll im Mittelpunkte des Unterrichts stehen, von ihr soll alle Unterweisung ausgehen. Sie hat in ihrer Entwicklung vom orUis pietm« der alten Römer über Mercatör, den Reformator der Kartographie, bis zur wissenschaftlich und technisch raffiniert gearbeiteten Karte eines neuzeitlichen Schulkartographen einen weiten Weg zurückgelegt, ist aber heute auf einer Stufe der Vollendung an gelangt, die kaum überschritten werden kann. Wir unter- scheidenDHimmels-, Land- und Seekarten. Die ersteren zerfallen in astronomische Karten, die das Sonnen system, einzelne Planeten oder den Mond darstellen, und in Sternkarten. Die heute am meisten gefragten Ausgaben sind die von Gewecke, Mang, Nabelek, Ofenberg, Straube und Wetzet. Die See- oder nautischen Karten behandeln die Küsten und die das Land umgebenden Meeresteile und kommen nur für Navigationsschulen in Frage. Die Land karten teilt Man nach ihrer Verwendung in der Hauptsache ein in 1. Physikalische Karten (Geognostifche oder geologische Karten — Hydrographische oder Gewässerkarten — Orographische oder Gebirgskarten); 2. Politische Karten; 3. Biologische (ethnographische — tier- und pslanzengeo- graphische) Karten; 4. Statistische und Verkehrskarten; 5. Spezielle (meteorologische — klimatologische — ozeano- logische) Karten. über Kartenprojektionslehre, Topographie und die speziel len Methoden der jetzt dominierenden Kartenwerke eingehender zu sprechen, ist hier nicht der Ort, es möge genügen, wenn wir sagen, daß die Schulwandkarte als natürliches Bild der Land- fchast erscheinen soll und sich von selbst erklären mutz, also be- fonders dem nicht im Kartenlesen geübten Kinde gegenüber. Sie sollen klar sein und auch für große Klassen eine nicht- 649