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ix- 2LI, 23. September 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. b.Dtschn.Buchhandel. Zwecke, für größere Popularisierung des Buches Mittel und Wege zu ermitteln. Gewählt worden ist ein als tüchtig bekannter Bankoberbeamter, der frühere Staatsbankdirektor Orion H. Cheney, welcher z. Zt. in der Leitung der New Jorker Irving Trust Oo. sitzt. Bezeichnenderweise sind die Beamten der Ber- legervereinigung Vertreter solcher Firmen, die das Programm jener fünf fortschrittlichen Verleger, neue Romane zu stark er niedrigtem Preise herauszubringen sowie durch Anwendung von Massenvertriebs-Methoden ihr Geschäft lukrativer zu gestalten, für »selbstmörderisch» erklärt haben. Von dem oben genannten Präsidenten der Vereinigung ist in einer sehr eingehenden Er klärung der Zweck der anzustellenden Untersuchung näher bezeich net worden: die besonderen Probleme des Verlags genau und vom neutralen Standpunkt aus zu untersuchen. Die Möglichkeit der Erschließung neuer Absatzgebiete, besserer Bertriebsmethoden und der Standardisierung der Herstellung soll erwogen werden, sowie schließlich die besten Methoden für möglichst weite Ver breitung von Büchern. Radikale Methoden kommen nicht in Be tracht, auch keine Absatzgelegenheiten, die sich nicht auf dem üblichen Wege des Verkaufes durch den Buchhandel erreichen lassen. Wie ausdrücklich betont wird, ist eine solche Untersuchung schon lange geplant gewesen, bevor einige Firmen mit dem An gebot stark reduzierter Preise an die Öffentlichkeit traten. Auch von Seiten des Vizepräsidenten, John W. Hiltman, von D. Appleton L Co., liegt die Versicherung vor, daß nur beabsichtigt sei, die traditionellen Methoden der Buchverleger weiter zu be folgen, und weder die Erfassung des von Warenhäusern und Drogenläden bedienten Publikums in Betracht komme, da diese Verkaufsweise an sich eine unpraktische sei, noch etwa die für den Buchverlag ganz ungeeignete Methode der Massenerzeugung. In einer Erklärung Mr. O. H. Cheney's heißt es: »Der Mit- schließt Verleger von Büchern eines weiten Gebietes, und auch die Verleger der .Dollarbücher' gehören mit dazu. Diese sind mit einem Experiment beschäftigt, das lehren soll, ob niedrigere Bü cherpreise geeignet sind, den verhältnismäßig geringen Profit des Verlagsgcschäftes zu erhöhen. Die Mehrzahl der Mitglieder ist davon überzeugt, daß der Versuch sich als ein Fehlschlag er weisen werde. Die Untersuchung wird sich daher mit Fragen be treffend Kosten und Preise der Bücher sowie Vertriebsmethoden befassen. Das Hauptproblem besteht in der Ermittelung von brauchbaren Methoden, durch die Sortimente eine weitere Ver breitung zu erzielen, denn diese werden unzweifelhaft auch in Zukunft ihre Bedeutung als die hauptsächliche Absatzgelegenheit für Bücher behalten. Aus dem Drogen- und Tabakladen oder dem Warenhaus kann nie ein Buchladcn werden, da in elfteren nur eine gewisse Art von Büchern Abnahme findet. Derartige Verkaufsstätten können nie als Ersatz für Buchläden dienen, da deren Lager Literatur jeder Art und für jeden Geschmack um faßt, wogegen das Angebot der sogen. Kettenläden aus Büchern besteht, welche nach Inhalt und Titel für schnellen Absatz be stimmt und gewöhnlich bereits vorher durch teuerere Ausgaben bekannt geworden sind.« Von Seiten der »Dollarbuch»-Verleger liegen demgegenüber Äußerungen mit der einstimmigen Versicherung vor, daß das Experiment sich bisher durchaus erfolgreich anlasse, man aber über den Erfolg des Versuches noch nichts Abschließendes sagen könne. So hat der Verleger Stanley Reinhart mitgeteilt, daß er von dem zu I 3 herausgebrachten neuesten Romane seiner Mut ter, der bekannten Schriftstellerin Mary Roberts Reinhart, im Lause der letzten drei Monate dreimal soviel Exemplare verkauft habe wie in den vorhergegangenen zwei Monaten von einem Roman der gleichen Verfasserin, dessen Verkaufspreis 2 z be trägt. Ähnlichen Aufschwung weise der Absatz von Romanen anderer bekannter Autoren auf, nachdem an Stelle der früheren teueren Ausgaben der Dollarband getreten sei. Während sich bei teueren Ausgaben der Haupiverkauf gewöhnlich auf zwei bis sechs Monate erstrecke, dehne der Absatz des Dollarbuches sich über das ganze Jahr aus, sodaß mindestens ein Jahr erforderlich sei, um über den finanziellen Erfolg des Versuches etwas Definitives sagen zu können. Ähnlich äußerten sich Vertreter der übrigen Dollarbuch-Verleger, besonders der bekannten Verlagsfirma Doubleday, Daran L Co., und zwar bezugnehmend auf den wesentlich höheren Absatz des nur 1 3 kostenden neuesten Romans des bekannten englischen Schriftstellers H. G. Wells im Ver gleich mit früheren Wellsbänden zu 2.50 K. Dagegen sagte ein Vertreter von Harper L Brothers: »Wir warten noch ab, wie sich das Geschäft auf dem Gebiete des Dollarbuches entwickelt. Wenn die Verleger mit solchen Bänden denselben Reinverdienst erzielen wollen wie mit den üblichen 2.50 H-Romanen, so müssen sie ihren Absatz ungefähr verdreifachen, und wir halten das einstweilen für unmöglich.« Publishcrs' Weekly widmet dem neuernannten Direktor des amerikanischen Instituts für buchhändlerische Marktanalyse O. H. Cheney (Lsrsding Square Luilrlinx, Room MS), der sein Büro am l. September eröffnet hat, einen längeren sympathischen Artikel und fordert die Firmen der Branche auf, dem Institut und sei nen Mitarbeitern bei den schwierigen Studien jegliche Unter stützung angedeihen zu lassen, im Hinblick auf die großen Er wartungen, die Verlag und Sortiment hinsichtlich der praktischen Auswirkungen der Jnstitutstätigkeit hegen. Es wird darauf hin gewiesen, daß man naturgemäß eine ziemliche Zeit werde warten müssen, bevor man abgeschlossene Forschungen und brauchbare Ergebnisse erwarten dürfe. Was die auf der im Juli beendeten Kongreßtagung nach anderthalbjährigen Beratungen zustande gekommene neue Zoll gesetzgebung anlangt, die nach allen Berichten die unfreundliche Stimmung noch erhöht hat, die schon vordem im Ausland gegen die Vereinigten Staaten erkennbar war, so liegt für die ameri- lanischen Buchhändler und Verleger bzw. die den amerikanischen Markt versorgenden Auslandverleger kein Anlaß zur Unzufrie denheit vor. Auch das neue Zollgesetz hält das Prinzip aufrecht, daß im Ausland gedruckte Bücher oder Schriften, zumal in frem der Sprache, als Bildungsmittel anzusehen und daher zollfrei sind. Eine Ausnahme bildet das sich gegen die Einfuhr von Büchern unsittlichen Inhaltes richtende Verbot, welche Bestimmung auf Betreiben des Senators Smoot, Vertreters des Mormonenstaates Utah, eine Erweiterung dahin erfahren hat, daß auch Bücher umstürzlerischen Inhaltes, deren Lehren hier »zur Vernichtung von Leben und Eigentum führen könnten«, von der Einfuhr ausgeschlossen sind. Eine besondere Begünsti gung ist der Büchcreinfuhr dadurch zu Teil geworden, daß, wäh rend das neue Gesetz für andere zollpflichtige Einfuhrgegenstände durchweg noch höhere Zollsätze als bisher vorsieht, bei Kinder büchern und sonstigem Lehrmaterial für Kinder im Gewicht von je nicht über 24 Unzen, der bisherige Zoll von 25"/» auf 15^ herabgesetzt wurde. Andererseits haben sich die Hoffnungen als vergeblich er wiesen, daß es in dieser Kongreßtagung zu der dringend nötigen Änderung der veralteten Copyright-Gesetzgebung kommen möge, und damit die Tatsache aus der Welt geschafft würde, daß von allen Ländern der Welt fast allein die Vereinigten Staaten noch nicht der Berner Union angehören. Die Reichenberger Lehrlingskurse. Von Theodor Marcus, Breslau. Wenn ich an dieser Stelle auf Bitten des Verbandes der Deut schen Buch-, Kunst-, Musikalienhändler und -Verleger in der Tschecho slowakischen Republik und der in Krage kommenden Genossenschaften der Buchhändler über den zweijährigen Versuchslehr gang berichten soll, so muß ich zunächst aus den am 8. August 1M9 im Börsenblatt Nr. 182 Seile 858 und 854 erschienenen Artikel über »Lehrlingsausbildung- des Herrn Robert Hansen zuriickgreifen. Hansen hat dort auseinandergeseyt, inwieweit sich die Lehrlingsaus bildung der deutschen Buchhandlungen in der Tschechoslowakei von einer Lehrlingsausbildung bei uns im Deutschen Reich unterscheidet. Er hat ferner in dem angezogenen Artikel auseinandergesetzt, wieso der Plan austauchte, durch einen zweijährigen Lehrgang die Aus bildungsarbeit der einzelnen Buchhandlungen zu unterstützen. Ter Kursus mußte die Wage halten zwischen buchhänblerischer Fort- bildungsarbeit setwa im Sinne buchhändlerischer Fortbil- dungsklassen) und der freien Ausbtldungsarbeit, wie wir sie für unsere Freizeiten aus der Methodik der Erwachsenen bildung übernommen haben. S19