Volltext Seite (XML)
5378 Amtlicher Theii. -V r78, I, December. Leinwand für die Einbände liefern, an dem Umsatz der letzteren wieder die Farbfabrikanten, welche die Farben für die Lein wand produziren rc, rc, Hunderte von Arbeitern sind an der Herstellung dieses einen Unternehmens beschäftigt. Aber schwerer noch als der Verlagsbuchhandel und die er-1 wähnten Hilfsgewerbe würde von der Regierungsbestimmung! der Stand der Colporteure selbst betroffen werden, welcher gegenwärtig weit über 1008 Vertreter zählt. Was schließlich das mit dem Cvlportagebetrieb häufig vor- kommcndc Prämienwesen anlangt, so haben wir uns schon im Eingang für die Beseitigung des damit getriebenen Schwindels ausgesprochen; dagegen müssen wir auch ferner aus die Gestattung solcher Prämien Gewicht legen, welche mit soliden Unternehmungen verbunden, in Büchern und Bildern bestehen Die Erfahrungen haben gelehrt, daß derartige, in keiner Hinsicht Anstoß erregende Prämien von jeher ein kräftiges Mittel zur Erzielung größerer Umsätze gewesen sind. Die völlige Unterdrückung der Prämien würde daher den Bücherumsatz bedeutend beeinträchtigen und in weiterer Folge auch die mit Herstellung der Prämien beschäftigte Industrie in nicht geringem Umfange schädigen. Nach alledem dürften unseres Erachtens einerseits die hervorgetretenen Mißstände beseitigt, andererseits die berechtigten Interessen des Buchhandels gewahrt werden, wenn eine Be stimmung dahin getroffen würde, daß in Zukunft Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke vom Feilbieten im Umher ziehen nur dann auszuschliehen sind, wenn sie in sittlicher oder religiöser Beziehung Acrgerniß erregen oder wenn sie unter Zu sicherung von Prämien oder Gewinnen vertrieben werden, welche einem anderen Industriezweige als dem des Buch- oder Kunst handels angchören. Nach Z. 56. all Nr. 10 der Gesctzesvorlage soll ferner der Colporteur gehalten sein, das Druckschriftenverzeichniß der zu ständigen Verwaltungsbehörde seines Wohnortes zur Genehmigung vorzulegen. Es wird somit die Entscheidung der Frage, ob eine Druckschrift, andere Schrift oder ein Bildwerk colportagesähig, ob sie also z. B. nach der Gesetzesvorlage „patriotischen, reli giösen oder erbaulichen Inhalts" oder nach unserem Vorschläge in sittlicher oder religiöser Beziehung Aergerniß zu geben ge eignet ist, in die Hände der unteren Verwaltungsbehörden ge legt. Bei der außerordentlichen Verschiedenartigkeit der Lebeus- anschauungen wird der Fall nicht zu den Seltenheiten gehören, daß die Auffassungen der cognoscirenden Verwaltungsbeamten über Sittlichkeit und Unsittlichkeit, Religiosität und Unreligio sität eines Buches weit auseinander gehen, daß daher ein und dasselbe Buch von dem einen zur Kolportage genehmigt, von dem anderen verboten wird. Nun ist der Colporteur nach der Gesetzesvorlage nur berechtigt, diejenigen Bücher im Umherziehen seilzubietcn, welche in dem von ihm bei sich zu führenden Druckschriftenverzeichnisse von der für ihn zu ständigen Verwaltungsbehörde genehmigt worden sind, diese aber, wie sich dies aus dem Prinzipe der Freizügigkeit ergibt, auch überall, in dem ganzen Umfange des Reichs. Wird daher einem Colporteur von seiner Verwaltungsbehörde das eine oder andere Buch in seinem Verzeichniß gestrichen, so darf er dasselbe nirgends im Reiche seilbieten, auch nicht in dem Bezirke, dessen Verwal tungsbehörde vielleicht gerade dieses Buch sür zulässig zur Kol portage erklärt hat. Umgekehrt darf aber der Colporteur die in seinem Verzeichnisse genehmigten Bücher auch in denjenigen Bezirken colportiren, in denen das eine oder andere davon von der Colportage ausgeschlossen worden ist, ja bei den betreffenden Beamten selbst. Diese mit dem Prinzipe der Rechtsgleichheit in offenbarem! Widerspruch stehenden Schwierigkeiten können unseres Erachtens nur dadurch gehoben werden, daß eine Reichsbehörde begründet wird, welche für den ganzen Umsang des Reichs die von den Colporteuren mit sich zu führenden Druckschriftenverzeichnisse zu genehmigen hat. Welcher Behörde aber auch immer die Erthcilung der Ge nehmigung dieser Verzeichnisse möge zugewiesen werden, jeden falls müssen wir dringend ersuchen, daß, im Falle der Versagung derselben, nicht, wie die Vorlage in H. 63. Abs. 2 vorschlägt, eine einsache Beschwerde, sondern ein Rekurs stattsinde, bei dessen Verfahren zum mindesten diejenigen Garantien gewährt werden, welche Z. 20. und 21. der Gewerbeordnung ausstellcn. Nach A. 57., 57a. und 58. der Gesetzesvorlage sind die Versagungsgründe des an die Stelle des Legitimationsscheines getretenen Wandergewcrbescheines bedeutend erweitert und ver schärft worden. Während die Gewerbeordnung in Z. 57. nur obligatorische Versagungsgründe kennt, unterscheidet die Gesetzes vorlage zwischen solchen, wonach die Behörden, welche den Wander gewerbeschein zu ertheilen haben, entweder unbedingt oder der Regel nach verpflichtet oder zwar nicht verpflichtet, aber be rechtigt sind, denselben zu versagen. Wenn auch der Buchhandel als solcher durch diese Neue rung nicht direct betroffen wird, so hat er doch ein Interesse daran, daß Denen, die in seinem Dienste thätig werden wollen, die Befugniß hierzu nicht allzusehr erschwert, der Kreis des polizeilichen Ermessens nicht weiter ausgedehnt werde, als es das praktische Bedürsniß unbedingt erfordert. Zuletzt möge es uns »erstattet sein, noch daraus hinzuweisen, daß die Vorlage bedauerlicher Weise die Schwierigkeit eines Uebcrgangsstadiums in keiner Weise berücksichtigt. Das Gesetz soll mit dem 1. Januar 1883, also in kürzester Frist, in Kraft treten. Es ist hierbei außer Acht gelassen, nicht nur, daß viele selbständige Colporteure im Falle der Gesetzcsannahme zur Wahl eines anderen Berufes genöthigt sein würden, sondern auch, daß viele Berlagssirmen bedeutende Vorräthe buchhändlerischer Art aus Lager haben, die, wie wir schon ansführten, überhaupt nur im Wege des Colportagegeschäfls mit Nutzen vertrieben werden können. Diese wie jene würden durch eine so schnelle Einführung des Gesetzes in eminenter Weise geschädigt werden , die Colpor teure, indem ihnen nicht die zur Wahl eines neuen Berufes er forderliche Frist gelassen, die Colportageverleger, indeni ihnen mit Ablaus dieses Jahres eine große Zahl von GeschästSartikeln völlig entwerthet würde. Außerdem aber ist auch in Berücksichtigung zu ziehen, daß, wenn ungeachtet unserer Darlegung der Colportagebetrieb von solchen Werken, zu denen Prämien versprochen werden, für die Folge gesetzlich verboten werden sollte, es dann dringend nothwendig erscheint, eine Uebergangsbestiinmung dahin zu treffen, daß das betreffende Unternehmen während derjenigen Periode noch erlaubt bleibt, auf welche sich die versprochene Prämie erstreckt, beziehungsweise bis zum Schlüsse desjenigen Jahrganges, Bandes ic., für welchen vor der Zeit des Gesetz erlasses eine Prämie versprochen wurde. Indem wir »ns der Hoffnung hingeben, daß das Hohe Haus das von uns Angeführte in wohlwollende Erwägung ziehen und die betreffenden Bestimmungen in eiuer unseren Vorschlägen und Wünschen entsprechenden Weise abändern werde, verharren wir in hoher Ehrerbietung ergebenst Stuttgart, Breslau, Leipzig, den 30. November 1882. Der Vorstand des üörsentiereins der Deutschen Ünchhüiidter. Adolf Kröner. Emil Morgenstern. Hermann Haessel.