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11220 Nichtamtlicher Teil. oV 277, 29. November 1905. Im zweiten Fall versucht eine Bauunternehmer- und Maurerfirma — auch noch nachdem die Wahrheit bekannt ge worden ist —, dem Architekten das Urheberrecht streitig zu machen, weil die Pläne von ihr unterzeichnet seien und weil sie die baurcchtliche Verantwortung und die Bau aufsicht und -Ausführung gehabt habe! Hier hat also die Baubehörde durch die Duldung des inkorrekten Eintrags selbst dem Bauunternehmer die Mittel zur beabsichtigten Verschleierung des Tatbestandes in die Hand gegeben. Der Fall liegt so: Die Bau- und Maurerfirma in B hatten als kapitalkräftige Leute die Bauausführung eines Theaters übernommen, den Grundriß des Gebäudes ge fertigt, die technischen Probleme gelöst und die Ausführung ins Werk gesetzt. Dagegen stammt die eigentliche architekto nische Gestaltung und Arbeit innen und außen von dem Architekten B., dem die künstlerische Einwirkung und Beauf sichtigung ausdrücklich Vorbehalten war. B. war außerdem nicht Angestellter der Firma, sondern hat gleichzeitig noch andre Arbeiten selbständig ausgefllhrt. Auch war ihm schriftlich zugesichert, daß sein Name bei Veröffentlichungen mit-genannt werden würde. Als B. nach fortwährenden Kämpfen gegen die Berballhornungsoersuche der Maurermeister den Bau zu Ende geführt hatte, beanspruchten diese, unter der oben angeführten Begründung, das Urheberrecht für sich allein. Mau sieht die Konsequenz der Inkonsequenz der Behörde. Ob wohl die Bauunternehmer ihre Ansprüche auch noch aufrecht erhalten würden, wenn sich plötzlich heraus stellte, daß die Pläne des Theaters ein Plagiat seien? Der dritte Fall betrifft das neue Düsseldorfer Theater, dessen Pläne und künstlerische Konzeption vom Architekten Sehring stammen Es erregte nun kürzlich auf der General versammlung des »Bundes deutscher Architekten- großes Aufsehen, als bekannt wurde, daß die ausführende Baufirma Reklamebroschüren versende, in denen des Architekten nur ganz beiläufig Erwähnung getan und behauptet wurde, der Architekt Sehring sei von der Firma mit der Kon zeption und Ausarbeitung »betraut» worden In Wahrheit war eine öffentliche Preiskonkurrenz ausgeschrieben und waren die Pläne des Architekten Sehring vom Preisgericht gekrönt worden. Die Baufirma erhielt also fertige Pläne und wurde wahrscheinlich nur deshalb mit der Bauausführung betraut, weil sie von einer großen Bank gestützt wird und so der Baubehörde die nötigen Garantien für die Ein haltung der baurechtlichen Vorschriften bieten zu können schien, oder weil sie das billigste Angebot machen konnte. Von einem geistigen Urheberrecht der Baufirma kann also gar nicht die Rede sein. Wenn in solchen Fällen die Redaktionen oder Ver leger von den Baufirmen ersucht würden, deren Namen als der geistigen Urheber mit- oder allein zu nennen, so können diese zurzeit nicht besser zur Klärung der Sach lage beitragen, als wenn sie solche Namensnennung streng verweigern (und die Notwendigkeit einer richtigen amt lichen Eintragung damit demonstrieren). Die Bauunter nehmer werden es in den meisten Fällen nicht bis zu einer Klage zu treiben wagen, und wenn, so wird die Gerichts verhandlung sie über ihre Rechte schnell belehren. Später sollen die Verleger und Redaktionen — d. h wenn der Antrag Dlllfer Gesetz wird — allerdings nur nach dem amtlichen Eintrag zu fragen haben. Ist es später einmal dem Architekten nicht gelungen, den Eintrag seines Namens durchzusetzen, so gilt eben die Baufirma oder sonst wer als »geistiger Urheber» und der Architekt ist eins jener unglücklichen Opfer, die auf jedem Kampfplatz fallen, auf dem neues erstritten wird. Es wären zu diesen Fällen des Hervordrängens der bauausführenden Firmen und der direkten oder indirekten Zurücksetzung des Urhebers noch einige Worte über den Z 8 des Entwurfs zu sagen, dessen unklare Fassung zu Miß verständnissen der eben beschriebenen Art führen muß. Der Z 3 lautet folgendermaßen: -Urheber eines Werkes ist dessen Verfertiger. Wer ein Werk der bildenden Künste oder der Photographie durch ein Werk der bildenden Künste oder der Photographie nachbildet, gilt in Bezug auf das von ihm vorgebrachte Werk als Urheber.» Alle Kommentatoren des Paragraphen haben eine Defi nition des Wortes »Urheber» als überflüssig bezeichnet, und der »Börsenverein- hat in seiner Eingabe an den Herrn Reichskanzler (vgl. Börsenblatt Nr. 31, 1905) ganz richtig betont, daß das Wort »Verfertiger- zu sehr die rein tech nische und nicht die geistige, erfindende Seite betone, dagegen das Wort »Urheber» das Geistige und Technische umfasse. Wenn die jetzige Definition bestehen bliebe, so würden die bauausführenden Unternehmer ja geradezu herausgefordert, die Rechte eines Urhebers für sich zu beanspruchen. — Der zweite Absatz behandelt die (erlaubte) Nachbildung und das Plagiat. An beide muß sich schon im Interesse des Ur- schöpfers ein neues Urheberrecht knüpfen, damit weitere un berechtigte Nachbildungen des nachgeschaffcnen Werks oder des Plagiats eben im Interesse des Urschöpfers verhindert werden können. Wenn die Leipziger Handelskammer meint, daß wohl niemand einen Schutz des Plagiats gegen Dritte für nötig halten könnte, so befindet sie sich nach meiner Meinung, wie ich eben zeigte, im Irrtum. Gerade die erzählten Vorkommnisse lassen den Wunsch nach einer maßgebenden amtlichen Erkundigungsquelle für die Gerichte, Verleger, Redaktionen und für das interessierte Publikum doppelt wünschenswert erscheinen, und eine solche Quelle kann wohl nur in einem wahrheitsgemäßen Eintrag bei der Baubehörde geschaffen werden. Allerdings müssen Architekten sich energisch gegen die Vergewaltigung durch das Kapital wehren und durchsetzen, daß ihr Name bei der Ein lieferung der Zeichnungen an die Baubehörde wenigstens mit-genannt werde. Sie müssen auf die Behörde in dem Sinne einwirken, daß diese die ihr gemachten Angaben stets auf Wahrheitstreue prüfe. Gewiß werden noch manche Prozesse um das geistige Urheberrecht geführt werden müssen, bis völlige Klarheit erreicht wird Aber Gesetzesparagraphen werden ja wohl niemals erlassen, um sofort einen unverrück baren Rechtszustand zu schaffen, sondern um ihn auf der gegebenen Basis sich erst entwickeln zu lassen. Wenn also die Ansprüche der Bauunternehmer auf eine geistige Urheberschaft künftig unmöglich gemacht werde» werden (d. h. wenn das Standesbewußtsein der Architekten genügend gestärkt ist rc.), so ist anderseits die Urheberschaft des im Bureau des Architekten angestellten Zeichners und angehenden Baukünstlers nicht prinzipiell von der Hand zu weisen. Es bedarf hier aber besondrer Abmachungen mit dem Prinzipal, dem Arbeitgeber des Zeichners. Sind solche nicht getroffen worden, so hängt eine Mit-Nennung des Namens des Zeichners vom guten Willen des Architekten ab. In 99 von 100 Fällen wird ja auch der Architekt vermöge seiner länger» Erfahrung das Beste und Persönlichste zu dem entstandenen Werk dazu gegeben haben und kann des halb als Chef verlangen, daß die aus seinem Bureau hinaus gehenden Arbeiten als sein Werk angesehen werden. Man kann dies — immer vorausgesetzt, daß keine besonder» Ab machungen getroffen wurden — nur vom handelsgesetzlichen Standpunkt aus betrachten. Jeder Chef (Verleger rc.) läßt ja auch alle Arbeiten seiner Angestellten, seien sie auch noch so originell und selbständig, unter dem Namen seiner Firma hinausgehen.