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2790 Nichtamtlicher Theil. 164, 17. Juli. des Buchhandels in Frankreich und im Auslande zu betrachten. Heute wollen wir in Kürze die Organisation eines großen buchhändlerischen Hauses vorführen und nehmen als deren Typus das größte, welches in der Welt existirt, die Buchhandlung Hachette L Co. Wir sagten einst, daß die Minen von Anzin*) mit ihren 15,000 Arbeitern und ihrer Production von 2 Millionen Tonnen Kohlen die erste Grubengesellschaft in Europa darstellten. Das re- präsentirt etwa ein Geschäft mit 25 Millionen Umsatz. Die Gesell schaft von Creuzot**), die bedeutendste, welche in irgend einer In dustrie thätig ist, kann einen Umsatz von 50 Millionen erreichen. Die genannte Buchhandlung hält sich nicht so fern von diesen Ziffern, wie man glauben könnte. Das Haus Hachette macht jähr lich Geschäfte von 15 Millionen und beschäftigt thatsächlich beinahe 5000 Personen: nämlich 300 Angestellte, 250 Arbeiter in dem Zweig der Cartonnage, 700 Personen für die Bibliothek der Eisen bahnen, endlich 3500 Arbeiter mindestens, die mit solchen Arbeiten beschäftigt werden, wie sie in Buchdruckereien, Ateliers für Stich, Broschur-, Papierwesen ic. erforderlich sind. Hierzu müßte man noch die Autoren von jedem Rang hinzurechnen. Diese Geschäftsziffer wird erreicht mit einem allgemeinen Kostenaufwande von 1,300,000 Francs, d. h. 8 oder 9U, was eine verhältnißmäßig geringe Proportion bei einer solchen Industrie vorstellt. Man darf nämlich nicht vergessen, um die wahre Bedeu tung der Totalsumme von 15 Millionen zu schätzen, daß dieselbe in sehr kleinen Beträgen in Umlauf gesetzt wird, wenn man sie mit dem Umsatz der Kohlen- und Eisenwerke vergleicht, und daß sie dem nach in zahlreichen und verschiedenartigen Kreisen sich bewegt. Das Haus Hachette ist thatsächlich nicht weit davon entfernt, jeden Tag ein Buch heranszugeben, klein oder groß, es expedirt jedes Jahr 200,000 Colli nach allen Gegenden des Erdtheils. Es ist klar, daß die 25 Millionen von Anzin oder die 50 Millionen von Creuzot weder eine ähnliche Zahl noch eine solche Verschiedenheit von Einzel heiten repräsentiren. Vom Standpunkt der Concentrirung der In dustrie, welche ja alle Oekonomisten der Gegenwart so sehr be schäftigt, ist diese Verschiedenheit noch bemerkenswerther und ver langt vielleicht eine noch größere Thatkraft in der Direction und Organisation. Das Haus Hachette hat wenig mehr als ein halbes Jahr hundert Bestehen hinter sich, es verdankt seine Gründung einem Staatsstreich der Universität zur Zeit der Restauration von 1822. Die normale Hochschule fuhr fort, trotz aller dagegen ergriffenen Vorsichtsmaßregeln, die königlichen Collegien mit Professoren zu besetzen, welche durch die neuen Ideen verdorben waren. Nun ent schloß sich die Regierung, vom Wunsch getrieben, die ganze fran zösische Jugend dem heilsamen Einfluß des Episkopats und der Kongregationen zu überliefern, eine Institution aufzuheben, welche ebenso zum Widerspruch wie zum Umsturz sich hinneigte. Die Studenten wurden nach Hause geschickt und sollten eine neue Lauf bahn wählen. Einer derselben, Louis Hachette, beschloß eine Buch handlung für Classiker zu errichten, und wählte für dieselbe die stolze Devise: „8io guogus äosebo!" (Auch so werde ich lehren), welcher Spruch der Gewalt die Ohnmacht der Verfolgungen ins Gedächtniß rief. Bei späteren Gelegenheiten erinnerte sich die Buchhandlung *> Anzin oder Anzain ist ein Flecken in Frankreich, im Departe ment Nord, Arrondissement Douai gelegen. Hier befinden sich die wich tigsten und tiefsten Steinkohlengruben in ganz Frankreich, die bis zu 1800 Meter unter den Spiegel der Nordsee reichen. **) Creuzot oder Creusot ist ein Dorf in Frankreich, im Departe ment Saöne-Loire, Arrondissement Autun gelegen. Die Eisenhüttenwerke und Hochöfen, Eisengießereien, Dampf- und Maschinenfabriken von Creuzot haben Weltruf. Anni. d. Uebersetzers. Hachette ihres Ursprungs. So fand nach dem Staatsstreich vom 2. December Jules Simon, nachdem er von seinem Lehr stuhl verjagt worden, hier einen Zufluchtsort und begründete eine Reihe populärer Werke. Der Romancier Zola und L. Asseline sind ferner hier in den Dienst der Publicität getreten, und viele andere Männer von bekanntem Namen haben in den Bureaux der Buchhandlung gearbeitet. Die Buchhandlung Hachette war hiernach ursprünglich eine Art Schulbuchhandlung; trotz der bedeutenden Entwickelung, die sie seit dem genommen, hat sie stets diesen Charakter wesentlich beizubehalten gesucht. Ihre gegenwärtigen fünf Chefs, die sämmtlich von der Familie ihres Begründers abstammen, haben diese Tradition ge treulich bewahrt. Es wäre unmöglich, hier selbst nur in großen Gruppen die zahlreichen Werke aufzuführen, welche das Haus Hachette verlegt hat. Allein es lassen sich wenigstens einige Werke herausheben, welche am besten die Art der Production bezeichnen und zugleich manchen Fortschritt darlegen, der ihnen zu verdanken ist. In der Reihe der Lehrbücher des ersten Unterrichts hat die Firma wesentlich dazu beigetragen, in Frankreich den Anschauungs unterricht zu verbreiten, und zwar durch illustrirte Bücher von erstem Rang, wozu namentlich jene der Frau Pape-Carpantier gehören. Sie läßt in diesem Augenblick ein großes pädagogisches Wörterbuch unter der Redaction von Ferd. Buisson erscheinen, dessen Befähigung und Talent bekannt sind. Seit dem Jahre 1867 hat sie 60 Werke herausgegeben, die für den Special- oder Primär- Unterricht bestimmt sind, welchen man in Frankreich zu organisiren sucht, sowie ein Hundert von kleinern Bändchen der populären Lite ratur zu einem äußerst geringen Preise. Sie hat endlich das llour- nal äs tu jsuussss begründet, sowie die Libliotbögus ross, die in verschiedene Serien eingetheilt ist, welche den verschiedenen Alters- classen der Kindheit und der Jugend entsprechen. Diese Bibliothek, deren Erfolg ohne Grenzen zu sein scheint, ist eine der bemerkens- werthesten Erscheinungen, welche in Frankreich auf dem Gebiete der Erziehungs-Literatur herausgegeben wurde. Zu dieser Gattung muß man die bewundernswerthe Sammlung französischer Classiker rechnen, die unter der Redaction von A. Regnier veröffentlicht wurde; es sind das prachtvolle Bücher, aber zu mäßigen Preisen, allein ihr Hauptwerth rührt nicht von den Illustrationen her, sondern von viel gewichtigeren Eigenschaften: der Reinheit des Textes und dem Reichthum der Anmerkungen. Auf dem Gebiet des höheren Unterrichts erklärt es sich, daß die Mannigfaltigkeit fast unendlich sein muß. Was aber noch be merkenswerther ist, das sind die Erscheinungen auf dem geographischen Gebiet, sie umfassen an 100 Unterrichtswerke. Da ist anzuführen die neue allgemeine Geographie von Elisse Reclus, ein Werk ohne Gleichen, das Jedermann kennt, das Wörterbuch von Vivien de St. Martin und der große Atlas, dessen Ausgabe begonnen hat, und der es uns zum ersten Mal gestatten wird, ohne Fehler nach französischen Karten zu arbeiten; endlich das Werk von A. Joanne, dessen kleine Hefte in jedem die Geographie eines franzö sischen Departement darstellen, ferner die Sammlung von Reise handbüchern , deren sich alle Welt auf der Reise bedient, die aber es ebensosehr verdienen, zu Hause studirt zu werden. Auch darf hier nicht der llour äu monäs vergessen werden, der von dem Senator Charton herausgegeben wird, es ist dies vielleicht das ver breitetste illustrirte Reisejournal, das in Europa existirt. Dieses Journal hat in irgend einer Form einer Menge von illustrirten Werken von jedem Format und jedem Preise als Muster gedient, welche das Haus Hachette alljährlich seit der Vervollkommnung des Holzschnittes herausgibt. Dies ist die Uidliotllögus äsß msrveillss,