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^ 13, 17. Januar 1902. Nichtamtlicher Teil. 521 Die neue Rechtschreibung und die Schulbücher. In Sachen der neuen Rechtschreibung haben über hundert der angesehensten deutschen Schulbücherverleger im Dezember 1901 die nachfolgende Eingabe an die Oberschulbehörden der deutschen Bundesstaaten gerichtet: »In der von dem Herrn Reichskanzler einberufenen Konferenz am 17. Juni in Sachen der neu einzuführenden Rechtschreibung, an welcher die Herren Verlagsbuchhändler vr. Giesecke in Firma B. G. Teubner in Leipzig und Ernst Bollert in Firma Weidmannsche Buchhandlung in Berlin als Vertreter des Buchhandels teilnehmen dursten, haben diese Herren dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß das neue amtliche Wörterverzeichnis bis zum 1. Oktober veröffentlicht werde, falls die Einführung der neuen Rechtschreibung Ostern 1902 bereits beabsichtigt sei; nur bei Jnnehaltung dieses Termins sei es möglich, die zunächst nötigen Lehrmittel zu beschaffen. Diesem Wunsche ist seitens der Vertreter der hohen Schulbehörden in der Konferenz eine geneigte Be rücksichtigung in Aussicht gestellt worden. »Aus dem Buchhändler-Börsenblatt vom 4. d. M. er sehen die gehorsamst Unterzeichneten aber, daß es jetzt noch nicht genau feststeht, welchen Inhalt das Regelbuch haben wird; sie gestatten sich daher, erneut in dieser Angelegenheit bei den hohen Schulbehörden der deutschen Bundesstaaten vor stellig zu werden. »Für diejenigen Lehrmittel, die nicht dem deutschsprach lichen Unterricht dienen, ist in der angeführten Konferenz von vornherein eine längere Frist für die Einsetzung der neuen Rechtschreibung in Aussicht genommen worden. Wir dürfen uns daher wohl der Hoffnung hingeben, daß die hohen Schul behörden diese zu gewähren bereit sind, und haben in der Folge also nur die dem deutschsprachlichen Unterricht be stimmten Lehrmittel im Auge. »Die Einhaltung des Ostertermins 1902 ist inzwischen unmöglich geworden, weil die Herstellung der neuen Bücher bis dahin nicht durchzuführen wäre. Läßt sich im ersten Quartal des neuen Jahres das amtliche Regelbuch veröffent lichen, fo wäre die technische Herstellung der neuen Bücher bis Ostern 1903 ohne wesentliche Ueberstürzung erreichbar; viel flüchtige Arbeit dürfte allerdings unterlaufen, abgesehen von der bei solcher Eile unvermeidlichen Verteuerung der Herstellung. »Anders liegt aber die Sache bezüglich der stofflichen Revision; diese wird wohl bei der Mehrzahl der Lehrmittel nötig sein. »Da Neuanschaffungen im Großen infolge der neuen Rechtschreibung ohnehin unvermeidlich sind, dürfte es wohl angezeigt sein, von vornherein den Ostertermin 1904 fest zusetzen, um den Verlegern die nötige Zeit zur Vornahme der erwähnten Verbesserungen zu sichern. »Vor allem wäre aber eine baldige Bekanntgabe, wann die Einführung der neuen Orthographie er folgen solle und unter welchen Einzelbestimmungen seitens der hohen Schulbehörden, dringend wünschens wert. Denn wie wir aus eigener Erfahrung und aus den Mitteilungen unserer Kollegen wissen, stehen schon seit dem Sommer die Maschinen sowohl der Buchdrucker als der Buch binder zum großen Teile still, weil natürlich niemand wagt, irgend welche Bücher auf Vorrat fertigzustellen. »Aber auch das Verhalten des Publikums, insbesondere der Lehrerschaft, läßt uns dies notwendig erscheinen. Nicht bloß Anfragen, wann die Bücher in neuer Auflage vorliegen würden, sondern auch Erklärungen, daß nur noch Bücher in neuer Orthographie angenommen werden könnten, laufen in unseren Bureaus ständig ein. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 89. Jahrgang. »Dieselbe Erfahrung mit diesem, besonders in Lehrer kreisen bethätigten Uebereifer, haben die Unterzeichneten zu machen gehabt, als seiner Zeit die sogenannte Puttkamersche Rechtschreibung unvorhergesehen vorgeschrieben wurde, sowie gelegentlich der ersten Vorschriften in Sachen der Draht heftung, deren entgegenkommende Milderung wir zugleich dankend anerkennen. »Die hohen Schulbehörden werden eine erneute Vor stellung des Verlagsbuchhandels gewiß damit entschuldigen, daß, abgesehen von den hohen Kosten für durchgängigen Neusatz und durchgängige Neuherstellung von Matrizen und Platten der meisten Schulbücher, insonderheit der Lesebücher, unserm Stande sehr große Opfer auferlegt werden durch die Makulierung der sehr großen Lagerbestände, die auch bei einer ganz milden Handhabung der Vorschriften bezüglich der neuen Rechtschreibung unvermeidlich sein wird. »Einer wohlwollenden Erwägung unseres Gesuches ver trauensvoll entgegensetzend, zeichnen wir mit ehrerbietiger Hochachtung ganz ergebenst Dürr'sche Buchhandlung, Leipzig. Carl Merseburger, Verlagsbuchh., Leipzig. B. G. Teubner, Leipzig. Theodor Hofmann, Leipzig. Ferdinand Hirt, Kgl. Universitäts- u. Verlagsbuch handlung, Breslau.« (Außerdem weitere 122 der angesehensten Firmen des deutschen Schulbücher-Verlages.) Geschichte und Technik des Farbendrucks, i. Vortrag des Herrn vr. R. Kautzsch, Direktors des Deutsche» Buchgewerbemuseums zu Leipzig, gehalten im Deutschen Buchgewerbeverein. In einer Reihe von fünf Vorträgen werden die Herren: vr. R. Kautzsch, Direktor des Deutschen Buchgewerbemuseums, Regierungsrat Georg Fritz, Vicedirektor der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien, und Herr Maler und Lithograph G. Langhein in der Gutenberghalle des Deutschen Buch gewerbehauses zu Leipzig über: »Geschichte und Technik des Farbendrucks« sprechen. Am 14. d. M. begann Herr vr. R. Kautzsch seine Ausführungen über das weitumfassende und interessante Thema und wies in der Einleitung seines Vortrages zu nächst darauf hin, daß der Vorstand des Buchgewerbevereins es sich zur Pflicht gemacht habe, von dieser Stelle aus zu sagen, was im Gebiete des buchgewerblichen Schaffens wert voll und mangelhaft sei; daß er damit jedoch keineswegs gewillt sei, einzureißen, sondern daß es ihm vor allem darum zu thun sei, aufzubauen. Bei dem Versuch, in diesen jetzt vom Vorstand angesetzten Vorträgen ein Bild von der ge schichtlichen Entwickelung des Farbendrucks zu bieten, müsse man selbstredend darauf verzichten, im Rahmen der fünf Vorträge eine ganz erschöpfende Darlegung geben zu wollen; vielmehr könne hier nur in großen Zügen das Wesen des Farbendrucks behandelt werden. Dabei sei jedoch nicht aus geschlossen, daß besonders wichtige Punkte eingehend besprochen würden, um auch denen einen Einblick in die Farbendruck- Technik zu gewähren, die keine nähere Kenntnis davon haben. Um sich mit den hierbei in Frage kommenden Tat sachen näher vertraut zu machen, werde man es schlechter dings nicht umgehen können, auch einige trockene Auseinander setzungen mit in den Kauf zu nehmen. Der Herr Vortragende ging dann zunächst auf die Periode der ersten farbigen Buchdrucke über, deren Aus- 70