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Redaktioneller Teil. X- 46. 23. Februar l922. memde, die sicher für eine periodische Berichterstattring über die Verlagsarbeit dankbar ist und gern den geringen Bezugspreis be zahlt. der heute sur solche Veröffentlichungen gefordert werden must. Ganz neu ist die Hauszeitschrift -B üch e r - R u n d sch au. Eine Zweimonatsschrift über wichtige Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt. Herausgegeben für die Konzernsortimente des Ver lages Josef Kösel L Friedrich Pu st et K.-G.« Der Cha rakter der Hauszeitschrift besteht hier nicht in der- Benutzung für die Ankündigung und Empfehlung lediglich der eigenen Ver- logswerke. Vielmehr ist das Blatt, abgesehen von dem christlich katholischen Standpunkt, den cs naturgemäß vertritt, durchaus allgemein gehalten und bringt neben vorzüglichen einleitenden Originalartikeln eine gut gegliederte und ausgewählte Zusam menstellung der Neuigkeiten des Büchermarktes, überall mit Um schreibung des Inhaltes der Einzelwerke. Ihr Charakter als Hauszeitschrift zeigt sich darin, daß sie nur durch die eigenen Sortimente der Firma, und zwar nnberechnet abgegeben wird. Sic dient also als Mittel, diesen Sortimentsbetrieben Kundschaft zuzusühren. Daß diese Art Reklame durchaus großzügig ange- saßt worden ist, geht auch aus der Qualität der einleitenden Artikel hervor, von denen aus Nr. 1 genannt seien: »Von der Kunst des Lesens und der Wahl guter Bücher« von vr. Philipp Funk, »Neuere Dürer-Literatur« von v>. Ernst Stahl; aus Nr. 2: »Über Heimatbücher« von vr. Anton L. Mayer-Pfannholz und »Das Sonntagsbuch« von I)r. Alfons .Heilmann. Zwei Hefte von 40 und mehr Seiten Großoktav liegen in guter Ausstattung vor. Im Hinblick ans die sehr hohen Kosten dieses Werbemittels, das gut durchdacht ist und in seiner Form sehr wirksam erscheint, muß abgewartet werden, ob es sich auf die Dauer halten wird, bzw. völlig unberechnet abgegeben werden kann. — Wieder den Charak ter der ausgesprochenen Verlags-Hauszeitschrift tragen Georg Müllers Neueste Nachrichten. Eine kleine Zeitung für Bücherfreunde. Herausgegcben vom Verlage Georg M ü l l e r i n M ü n ch e n <8°, 10 Nummern jährlich). Das Blatt bringt Text- und Bildproben aus den Verlagswerken und am Schluß eine Abteilung »Aus der Verlagswerkstatt«, gibt sich also in der Struktur ähnlich wie das »Jnselschiff«, wo allerdings in der ersten Abteilung die werbende Absicht mehr verschleiert wird. Zweifellos hat ebenso wie der Insel-Verlag der Verlag Georg Müller in München seine Gemeinde, die über die Verlagstätig- keit auf dem laufenden zu erhalten ein Gebot der Reklame ist. Natürlich sollen und können mit der Hauszeitschrift auch neue Freunde gewonnen werden. Die Veröffentlichung ist äußerlich und innerlich durchaus so gestaltet, daß dieser Zweck erfüllt wird. — Bereits seit einem Zeitraum von neun Jahren erscheinen gleichzeitig mit jeder Folge von neuen Bänden der Universal- Bibliothek »Reclams Blätter für die Freunde der Universal-Bibliothek« im Verlage von Philipp Reel am jun. in Leipzig. Außer den Ankündigungen der neuen Nummern enthalten die einfach gehaltenen und jetzt in! Kleinoktabformat erscheinenden Blätter Textproben, Mitteilun gen des Verlages und bibliographische Zusammenstellungen. Der Jahresbezugspreis beträgt .tk 1.—. Der Verlag mag sich sehr Wohl dessen bewußt sein, daß seine Sammlung jedem halbwcgs Gebildeten bekannt ist. Die wenigsten unter diesen wissen aber, welch unendlich reiche Fundgrube die Universal-Bibliothek dar stallt. Hier übernimmt die kleine Hauszeitschrist in sehr zweck mäßiger Weise die Begriffsvermittlung und stellt daneben ein engeres Verhältnis zwischen Verlag und Leser her, wie es durch die trockene Bibliographie des Katalogs niemals erreicht werden würde. — »Die Fahne. Ein Zeitweiser für Bücherfreunde- nennt sich eine in Oktavsormat in guter Ausstattung beiWaltcr Seifert in Hcilbronn erscheinende Hauszeitschrift. Ihr Inhalt besteht aus z. T. ausführlichen Originalbciträgen von Au toren und aus Textproben von Werken des Verlages. Neuerdings findet sich am Schluß noch eine »Tummelecke« mit verschiedenem Inhalt. Die Zeitschrift stellt sich als ein gutes, wenn auch kost spieliges Werbemittel für einen engeren Kreis meist jüngerer Autoren dar. Damit dürfte das Gebiet der hauptsächlichsten bestehenden Vertriebs- und Hauszeitschriften so gut wie erschöpft sein, über 240 den Werbewert der Vertriebszeitschrift ist gewiß noch nicht das letzte Wort gesprochen, auch nicht über die bestmögliche Gestal tung einer solchen periodischen Veröffentlichung. In ihrer Art tragen die bestehenden Wohl alle ihr Teil zur Erschließung des Büchermarktes bei. Was die ganz allgemein gehaltenen Ver triebszeitschristen anlangt, so hat die buchhändlerische Allgemein heit sicherlich ein Interesse daran, daß dieses Problem einmal als Angelegenheit aller vom rein organisatorischen und werbe-, mäßigen Standpunkte aus großzügig angesaßt wird. Über die Aufgabe des Buchhändlers. Ein Brief von Ellen Key*). Sie haben mich gebeten, beispielsweise über die Kulturaufgabe des Buchhändlers zu schreibe«. Dies ist eine Frage, die an die Strix- gcschichtc (schwedisches Witzblatt) vom Mädchen erinnert, das beim Anblick eines Nilpferdes gewahr wurde, daß »-derartige Tiere nicht existieren«. In jedem Buchladen stehen Buchhändler mit einer einfache» Aufgabe. Diese ist, das kaufende Publikum mit dem, was es wünscht, zu bedienen und es über das zu unterrichten, was cs bisher überhaupt nicht geahnt hat. Demzufolge nimmt der flinke und geschickte Buch händler mit Lobpreisungen und Lügen über die Waren, die den Laden tisch füllen, den Mund voll. Er versteht sich aus seinen Berus, wenn er zur Weihnachtszeit den Knaben neue Detektivgeschichteu, den jungen Mädchen neue Romane, älteren, feinen Damen den neuesten Adels- kaleuder (ü la Gothaisches Taschenbuch) und altersgrauen Offizieren Ludendorffs Erinnerungen vortischt, wenn er jedes Einzelnen Wunsch errät, mag dieser nun zwischen dem »Seelenschatz«, dem Schelmen roman, dem Kochbuch oder dem Dadaismus liegen. Daß ein Buchhändler ein Wegweiser, ein Berater, eine Art geistige Sittenpolizei sein könnte — ja sein sollte, füllt weder ihm selbst (sie!) noch dem Verleger ein. Ja, möglicherweise im Anfang, wenn ein junger Manu, nachdem er hinter dem Ladentisch gelandet ist, ver geblich danach strebt, ein mehr persönliches und teilnehmendes Ver hältnis zur Literatur zu gewinnen. Dann crdrcistet er sich mitunter, ein Buch zu empfehlen, trotzdem cs Professor Böök (bekannter sclnredi- scher Kritiker) als Gabelstück zwischen seinen großen Herbst- und Winteropfern genommen hat. Ja, der Knabe .vagt sogar, den ewigen Wert irgendeines Buches, das von einem anderen Literaturkritikc« zum Nobelpreis empfohlen wurde, zu bezweifeln. Der arme Tropf wird aber bald lernen, daß er, wenn er seinen Posten behalten will, es bald bleiben lassen muß, zur Äußerung einer eigenen Anschauung den Mund zu öffnen, lim so eifriger beginnt er daun die Bücher besprechungen der Tageszeitungen zu lesen und sucht zu erraten, wel chem Kunden gegenüber die Besprechungen von »Lvenska OaAlilackot oder umgekehrt »l)a§6irs KM6tor< angebracht erscheinen. Seine Lippen und seine Gcsichtszüge werden immer stummer und höflicher, bis er schließlich mit marmorner Ruhe eine Kriegsgcwinnlcrsrau den »Dc- camerone« als geeignetes Konfirmationsgeschenk für deren schöne Tochter wählen läßt — die ähnliche Novellen wahrscheinlich schon selbst erlebt hat Schließt alle Buchläden! Lasset die Druckpressen verstummen! ^ Unsere Verleger mögen von ihren Zinsen leben. Gebt uns — wie ein Engländer schon vor fünfzig Jahren seufzte — silenee kor a Gene ration (Stille für eine Generation). Lasset uns alle die wunder baren Bücher lesen, die bereits vorhanden sind; lasset den Buch händler- und Autorcuberuf eine neue, wandernde Gesellenschaft werden Eine Anzeige in Ihrem (dem schwedischen Gehilfcn-)Blatt — als Scherz gemeint — mag ernsthaft begründet werden. Diese ver sprach ja, daß »vollkommen berufene Dichter bei der A.-G. Warholms- werft sofort Arbeit erhalten können«. Jeder junge Dichter mag innerhalb 25 Jahren täglich acht Stun den Strafarbeit leisten. Die Gedichte, die er während dieser Zeit hervorbringt, entstehen so unter Umständen, daß sic auch längere Zeit, als die Weihnachtsfeiertage gerade reichen, gelesen werden können Werden sie auch noch zu Ostern gelesen, so tragen sie sicher den Keim für eine Zeile im zukünftigen Schlick und Warburg (bekannte schwe dische Literaturgeschichte) in sich. Die »idealistischen« Buchhändler müssen Hand in Hand in einen neuen Ecliousbcrg hineinwandeln und dort schlafen, gleich den sieben heiligen Männern, die während der Verfolgung des Kaisers Decius *) Aus dem Almanach des Schwedischen Bnchhandluugsgehilsen Vereins übersetzt von Felix Värkonyi. — Wenn die launigen Äußerungen der berühmten Schriftstellerin natürlich zunächst für Schweden bestimmt sind, so dürften sie immerhin auch bei uns inter essieren, weshalb sie hier mit einigen Kürzungen wiedergegcben werden.