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Nichtamtlicher Teil Gehilfen und Lehrlinge. (Vgl. Börsenblatt Nr. 264, 273.) Erwiderung auf die Betrachtungen des Herrn H. Hermes (Tübingen). Die auf Grund der Beratungen des »Lehrlings-Aus schusses« von mir im Börsenblatt Nr. 264 veröffentlichten Anschauungen haben, wie ich erwarten mußte, eine Erwide rung erhalten, und es gereicht mir zur Freude, einen von mir persönlich in jeder Beziehung geschätzten Kollegen in dieser wichtigen Frage als Gegner gefunden zu haben. Wenn ich unter diese Schlußbetrachtung meinen Namen setze, brauche ich Herrn Hermes nicht zu versicheren, daß ich mich »nicht erst von heute mit einer gewissen Bewegung im Buchhandel beschäftige«; sondern ich darf annehmen, daß Herr Hermes keine Zweifel hegen wird über genügende Erfahrungen und gute Absichten meinerseits. Herr Hermes versucht, besonders drei meiner Behaup tungen zu widerlegen, und ich will mich bemühen, in diesen drei Punkten nochmals meine Meinung zu vertreten. Ich bedauere nur lebhaft, daß diese den eigentlichen Kern der Sache, »die augenblickliche Lage der Gehilfenschaft«, nur wenig berühren. Zuerst greift Herr Hermes meine Behauptung an, daß »die Vertretung der Gehilfen im Ausschuß eine ungenügende, zum mindesten eine einseitige gewesen ist«. Im Laufe seines Gegenbeweises citiert Herr Hermes seine eigenen Worte in den Verhandlungen, »wir sind die Vertreter desjenigen Teiles der Gehilfenschaft, der diese Angelegenheit angeregt re.« Also habe ich doch recht! — nur dieser eine Teil ist ver treten gewesen; diejenigen Gehilfen, welche die in Frage stehenden Bestrebungen aus Ueberzeugung und auf Grund ihrer Er- Erfahrungen nicht unterstützen wollen, waren nicht vertreten. Weshalb dieser Teil keine Berechtigung haben soll, seine Meinung zu äußern, sehe ich nicht ein. Im Gegenteil, ich vertrete die Ansicht rauäiatur st altsrg. xg.1'8«. Ein klares und vollständiges Bild hätte der Ausschuß nur erhalten, wenn er auch die Ansichten der Gehilfen-Opposttion gekannt hätte, und die Mitwirkung dieser Opposition hätte den Be ratungen ebenso genützt, wie die Anwesenheit derjenigen Prinzipale, die, wie Herr Stahl, Gegner der Sache sind. Allerdings lag für die außerhalb der »Vereinigung« stehenden Gehilfen keine Berechtigung dazu vor, von dem Ausschuß zu verlangen, daß er andere Gehilfenvertreter beruft als diejenigen, die er selbst für geeignet hält; — an bieten oder aufdrängen konnten sich die Gegner der Sache nicht. Denn ich beantworte die Frage des Herrn Hermes: »Ist bei diesen (den Gehilfenvereinen) Interesse für diese Frage (also die Prüfungsfrage!) vorhanden?« entschieden mit »nein«. Ich fasse nach meinen ersten Ausführungen die Lage der Gehilfenschaft so auf, daß ich die Forderungen der »Ver einigung- zur Zeit für überflüssig, erfolglos und nicht im Interesse (d. h. zum Vorteil) der Gehilfenschaft halte. Ferner bestreitet Herr Hermes die Befähigung der Verbandsleitung, in der Frage ein begründetes Urteil ab zugeben. Daß der Verband als solcher sich mit politischen Fragen nicht beschäftigt hat und nie beschäftigen will, ist mir als Vertrauensmann bekannt; aber warum ignoriert Herr Hermes meine, der Bemerkung auf dem Fuße folgende Be gründung: »Der Verband befaßt sich seit Jahren mit Stellen vermittelung rc.«? Warum spricht Herr Hermes bei Auf zählung der Thätigkeit der großen Gehilfenvereine nur von Vorträgen, Vergnügungen, Unterrichtskursen und vergißt die unbestreitbaren und mit schweren Opfern erreichten sozialen Erfolge der Stellenvermittelung des Berliner und Leip ziger Vereins? Gerade diese drei Einrichtungen wären in der Lage gewesen, das zu beschaffen, was der Gehilfen-. Vertretung meiner Ansicht nach ganz besonders gefehlt hat, — brauchbares Material für die Gehilfenfrage. Nach den mir von maßgebender Seite gewordenen Mit teilungen sind die Verhältnisse dieser drei Stellen im ganzen gleichartige — ich ziehe als Beispiel nur die mir zunächst liegende Einrichtung des »Krebs« heran. Den im letzten Jahre dort gemeldeten 200 offenen Stellen stehen nur circa 140 Gehilfenbewerbungen gegenüber, und von diesen letz teren muß mindestens ein Drittel in Abzug gebracht werden als in jeder Beziehung ungeeignet für hiesige Verhältnisse. Diese Zahlen allein könnten schon etwas beweisen. Auch bin ich durchaus nicht der Ansicht, daß zur Be urteilung unserer Lage eingehendes, vorbereitendes Studium allein genügt, — ich meine, dazu gehört vor allem eine langjährige praktische Erfahrung im Gehilfenleben und die Gelegenheit, entsprechende Beobachtungen zu machen. Ge hilfen, die diese Gelegenheit gehabt haben, giebt es in jedem älteren Verein; die leitenden Personen des Verbandes haben engste Fühlung mit einem großen Kollegenkreise und sind deshalb wohl auch in der Lage, ein selbständigs Urteil zu fällen. Doch an dieser Sache ist nichts mehr zu ändern, und das Resultat der Verhandlungen braucht auch die Gegner nicht zu beunruhigen. Sollte aber die Prüfung doch noch zu neuem Leben erwachen, so bin ich der Ueberzeugung, daß sie der Gehilfenschaft nichts nützen wird. Das für sie geforderte Mindestmaß von Kenntnissen wird auch jeder halbwegs intelligente Schreiber bewältigen, und ich fürchte, gerade diejenigen Elemente werden sich prüfen lassen, die auf andere Weise ihre Eigenschaft als »geschulter Buchhändler« nicht darthun können. Auf Grund dieser Prüfung allein wird niemand höhere Gehälter zahlen wollen oder können, und es werden nach wie vor nur die thatsächlichen Leistungen und diejenigen Eigenschaften geschätzt werden, die nach den Verhandlungen heute in erster Linie vermißt werden: allge meine Intelligenz, Gewissenhaftigkeit, Pünktlichkeit, Fleiß und Geschäftsinteresse. Das Vorhandensein dieser letzteren wird das Prüfungszeugnis nicht feststellen können. Anstatt Insti tutionen zu erneuern, die man vor circa vierzig Jahren als veraltet über Bord geworfen hat, sollte man versuchen, sich den Forderungen einer neuen Zeit anzupassen, und dem nach einer bestimmten Richtung sich entwickelnden Geschäftsbetrieb Rechnung tragen. Wenn Herr Hermes weiter den alten Gehilfenvereinen Vorwürfe macht über die Art ihrer Bestrebungen, so folgt er darin leider dem Programm der »Vereinigung«, deren Wortführer keine Gelegenheit vorübergehen lassen, um diesen Vereinen »Klimbim, Blödsinn, Ignoranz undKriecherei vor den Prinzipalen» vorzuwerfen. Herr Hermes gesteht selbst, »es haben sich nur neuere, kleinere Gehilfenvereine der Allgemeinen Vereinigung angeschlossen, während sich alle großen Vereine fernhielten«. Mit welchem Recht aber bezeichnen Sie dieses Fernhalten und Schweigen als Interesse losigkeit an der Gehilfenfrage? Für die Berliner Gehilfen schaft trifft das sicher nicht zu, — hier ist »Schweigen auch eine Antwort«. Gegen diese wiederholte Unterstellung scheint es mir an der Zeit, auch im offiziellen Organ des Buch handels zu protestieren und den Sachverhalt der Wahrheit entsprechend klarzulegen. Bis zum Uebermaß sind die in Rede stehenden Bestrebungen hier besprochen und diskutiert worden, und das Resultat dieses eingehenden Meinungs austausches ist der Entschluß: der Vereinigung auf dem ein- ^rch«u«b1eA,Il>strr Habrgang, 1235