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X- 295, 30. Dezember 1920. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. denen Preisen arbeiten miissen, am empfindlichsten. Bekanntlich ver pflichtet unsere Organisation den großen Sortimenter, der mit oft unverhältnismäßig hohen Spesen arbeitet, zu denselben Preisen die Bücher zu verkaufen wie der kleine Sortimenter, der oft mit viel ge ringeren Spesen sein Geschäft betreiben kann. Immerhin hegen wir Buchhändler die Hoffnung, daß die nächste Zeit noch eine Besserung bringen werde, weil die Bticher ja trotz alledem noch immer zu den billigsten Artikeln zählen, zumal da sie nicht nur vorübergehenden, sondern dauernden Wert besitzen. Um ans möglichst vielen Städten Deutschlands Berichte liber das diesjährige Weihnachtsgeschäft veröffentlichen zu können, bittet die Redaktion des Börsenblattes bei dieser Gelegenheit, ihr baldigst der artige. Nachrichten und Stimmungsbilder zugehcn zu lassen. Be sonders möchten wir die Herren Schriftführer der Kreis- und Ortsvereine freundlich st bitten, uns mit Material über den Ausfall des dies jährigen Weihnachtsgeschäftes zu versehen. Bekämpfung der Schundliteratur. — In letzter Zeit mehrten sich die Fälle, daß Mitglieder des »Deutschen Jugendringes«, einer Ver einigung, die unter andcrm schlechte Literatur bekämpfen will, sich znsamurcnscharcn, in die Papierlä'dcn eindringcn und dort ungestüm eine unbefugte Zensur ausübcn. Hierbei haben sich die jungen Herr chen, wie die »Papicrzcitung« mitteilt, nicht nur arge Mißgriffe zu schulden kommen lassen, sondern auch Sachbeschädigungen und Eigcn- tumsvergchen. Der NcichSbund Deutscher Schreibwarenhändler e. V., Frankfurt a. M., Wcserstr. 7, fordert daher seine Mitglieder ans, ihm alle derartigen Fälle unverzüglich zu melden, damit er die geeigneten Schritte dagegen unternehmen und seine Mitglieder schützen kann. — In der gleichen Sache nimmt auch der Verein der Verleger für Volks- literalnr (Dresden, Hofmannstr. 50) Stellung gegen den Jngenöring. Man brauche nicht erst dem Jugendring anzugchörcn, um einznsehen, daß gegen Schundliteratur ein Kampf nötig ist: denn was heute an Schund und Schmutz geleistet werde, spotte jeder Beschreibung. Es sei aber höchst bedenklich, den Kampf durch halbwüchsige und unreife junge Leute führen zu lassen, wie das der Jugcndring versuche. Flegel haftes Auftreten und Bedrohungen aller Art gegen die Papierwaren- geschästs'nhaber seien die Folge. Seinen Mitgliedern gibt der Verein Nichtlinien für ihr Verhalten beim Eindringen von Jngendringver- tretcrn in ihr Gcschäftslokal; unter keinen Umständen sollten sie sich durch terroristisches Auftreten jener jungen Herren des Jngendringcs cinschüchtern lassen und eS mit Entschiedenheit ablchnen, ausgestellte Hefte aus der Auslage herauszunchmen; denn in seinem Gcschäftslokal sei der Inhaber der Herr und nicht irgendwelche dahergelaufene Rüpel von der Straße. Wie uns eine Veröffentlichung des Herrn Buchhändlers Kurt Schroeöer in Bonn im »General-Anzeiger für Bonn und Um gegend« zeigt, hat man dort die Durchsuchungen auch ans fachmännisch geleitete Buchhandlungen ausgedehnt. Die Betrachtungen, die der Bonner Kollege über das merkwürdige Vorgehen des Jugendringes anstellt, sind so richtig und beachtenswert, daß wir sie hier im Wort laut wicöergeben: Zum Kampf gegen die Schundliteratur. Der Ortsjugenöring Bonn hat in letzter Zeit durch verschiedene Maßnahmen gezeigt, daß er bestrebt ist. den Kampf gegen schlechte Literatur energisch zu betreiben und in der Zeit revolutionärer Verwahrlosung wenigstens einen Teil des Volkes vor weiterem moralischen Verderben zu retten. Ich glaube, daß jeder, dem das Wohl der Jugend am Herzen liegt, freudig dem Gedanken zustimmen wird, und hilfsbereite Hände werden sich genug finden, jugendliche Ideale zu verwirklichen. Aber wenn man dem Gedanken als solchem und den Endzielen zustimmt, ist noch nicht gesagt, daß man die Methode gutheißt, und diese Methode zu kennzeichnen und durch Kritik daran zum Bessermachen anzurcgen, soll der Zweck dieser Zeilen sein. Die großen Buchhandlungen in Bonn, oie auf eine teils über hundert Jahre lange Tradition zurttckblicken können, sind m. E. die ersten, die man für einen solchen Plan gewinnen muß. Denn schon durch die große Reihe Schaufenster sind sie in der Lage, in vorteilhaftem oder unvorteilhaftem Sinne zu wirken. Sie haben außerdem durch ihre Ausdehnung und Beziehungen die entsprechende Kenntnis der Literatur, sind also in erster Linie dazu be rufen, mitzukämpfcn. Ich glaube auch, daß ihnen das Vertrauen ent- tsegcngebracht werden kann, ehrlich mitznarbciten; ob diese »Mitarbeit« aber dadurch zustande kommt, daß man vom Ortsjugcndring aus Boten hernmschickt, die eine Erklärung verlangen in dem Sinne, daß Schundliteratur nicht geführt wird, ist eine andere Frage, und schon der Takt, der doch ein Hauptbcweggrund für den Kampf des Orts- jngendringes zu sein scheint, hätte ihm sagen sollen, daß cs richtigere Wege zur Erreichung des Zieles »Fort mit dem Schund« gibt. Vor allem aber scheint mir beim Kampf Hauptsache zu sein, daß man weiß, gegen was und gegen wen man kämpft. Ich habe Grund zu der Annahme, daß die betreffenden Kämpfer dies nicht wissen, und das Kriterium darüber, was unter die Rubrik »Schundliteratur« fällt, sollte man doch nicht den Jugendlichen zuerkennen, sondern Leuten, die vom Buch, von der Literatur und vom deutschen Verlag mehr wissen als Fünfzehnjährige. Denn in der Tat sind in einzelnen Firmen der Stadt etwa 15- bis 17jährige Jungen in Begleitung von Kri minalbeamten (!) erschienen und haben Lager durchsucht. Ganz abgesehen davon, daß ich bezweifle, ob die Kriminalbeamten der Stadt Bonn nicht bessere Verwendung finden könnten, sind bekanntermaßen Haussuchungen anderen Voraussetzungen unterworfen, und die An schauung, daß unreife Menschen zum Sittenrichter erhoben werden, scheint mir ebenfalls über normale rechtliche Gepflogenheit hinans- zugehen. Ich hätte es daher für richtig gehalten, wenn der Orts- jngendring sich bemüht Hütte, durch eine kleine Kommission eine Liste von denjenigen Büchern, Zeitschriften und Verlegern anzufertigen, die zu sperren wären. Eine solche Kommission, der zweckmäßigerwcise auch ein Buchhändler angchörcn müßte und zu der die Erzieher der Jugend, also Universität, Schule und Kirche, je einen Vertreter ent senden müßten, hätte zuerst über den Gegner anfznklärcn, und ich möchte diese, den Vertretern der Studentenschaft bereits mündlich gegebene Anregung hierdurch wiederholen. Diese Kommission würde wahr scheinlich nicht nach Äußerlichkeiten urteilen oder nur das Gewand oder den Titel eines Buches ansehcn, sondern den Inhalt prüfen und den literarischen Wert, was bisher noch nicht geschehen ist und wodurch Fehler entstanden sind, die, falls man sic als Geschichte erzählt und einer humoristischen Zeitschrift einscndet, sicher hoch bezahlt werden. Im übrigen sind naturgemäß in den Buchhandlungen von Universitäts städten Bücher vorhanden, die weder ich und meine Kollegen noch einer unserer Angestellten je einem Jugendlichen in die Hand geben würden, die aber, da sie von wissenschaftlichem Wert und für die Ge lehrten und Studierenden zum Teil unentbehrlich sind, geführt werden müssen. Ich möchte daher an alle Beteiligten, nicht zuletzt auch an die Stadtverwaltung die Bitte richten, das Pferd nicht beim Schwänze auszuzäumcn, sondern beim Kopfe und mit Ernst an eine Aufgabe heranzugehen, bei der jugendlicher Eifer und Begeisterung allein nichts anszurichten vermögen. — Nachschrift: Dieser Artikel lag geschrieben vor. Im Drange der Weihnachtsgeschäfte unterblieb leider die Übersendung an die Ne daktion. Mittlerweile ist ein Aufruf des Ortsjngendringcs an die »Bürger Bonns« ergangen, in dem die Bahnhofsbuchh-andlung der Firma Ludwig Nöhrscheid, deren Mitinhaber ich bin, auf dem Index der Schundliteraturbuchhandlungen erscheint! Warum? Weshalb? Ich habe weder Kenntnis von einer Nachforschung, noch bin ich mir bewußt, weswegen das Verdammnisnrteil gesprochen worden ist. Ich komme dadurch in die unangenehme Lage, vor Gericht gegen eine Me thode zu kämpfen, trotzdem ich die Sache als solche gntheißc. Kurt Schroeder. Verein Mainzer Bnchhändler. — In der Sitzung vom 25. No vember wurde Herr Ernst Hannemann in Firma L. Wilckens in Mainz als Vorsitzender und Herr Lutz, Geschäftsführer der Firma Ferdinand Schöningh in Mainz, als Schriftführer und Kassierer gewählt. Die erste Remittcnden-Faktur flkr die O.-M. 1921 wurde der Re daktion des Bbl. schon am Tage nach dem Weihnachtsfest übersandt, und zwar von der Franckh'schen Verlagshandlung in Stuttgart. Obgleich unbedingt die richtige Zeit für Zustellung der Nemittenden-Fakturcn erst vom 1.—15. Januar ist, denn wesentlich früher versandt, können sie leicht im Weihnachtstrubcl in Verlust ge raten, so sei diese prompte Lieferung zum Ansporn für andere Firmen hier doch besonders erwähnt. Von einer Aufzählung aller versandten Nemittenden-Fakttrren muß das Börsenblatt wie in den vorhergegan genen Jahren absehen, hatte doch auch die allgemeine Versendung dieser Fakturen bei dem bedeutenden Rückgang des L cond.-Verkchrd schon im vergangenen Jahre ganz bedeutend nachgelassen. Statt 950 nur 600°/» Teucrungszuschlag für Bnchdruckarbeiten. — Die »Zeitweiligen Mitteilungen für die Mitglieder des Deutschen Buchdrucker-Vereins Kreis II (Rheinland-Westfalen und Birkenfeld)« veröffentlichen in der Dezember-Ausgabe das Angebot einer großen Leipziger Werkdruckcrei an einen Kölner Verlag, mit dem eine große Wcrkdrnckerei verbunden ist, Werke mit einem Teucrungszuschlag von 600°/» statt des tariflichen Zuschlags von 950°/» hcrznstellcn. Die Leip ziger Firma begründet zwar ihr Angebot mit Beschäftigungsmangel, aber es ist doch wohl anznnehmen, daß mit einem Aufschläge von 609°/» noch auZznkommen ist, bzw. daß auch dieser Prozentsatz einen annehm baren Verdienst ermöglicht. Denn lediglich um Arbeit zu erhalten und hierbei »zuzusetzen«, wird sich die Leipziger Firma nicht bemühen. 1563