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^ 121, 26. Mai 1816. Redaktioneller Teil. einer durchsichtigen Pünktlichkeit jährlich 1—2 Romane oder auch mehr ans Licht der Welt dringen, die mit jedem literarischen Tand, den sie schreiben, noch berühmter werden, die in präch tigen Villen wohnen und in der Woche abgebildet werden und die, mit aufsteigenüer Scham sei es gesagt, sogar literarische Preise davonzutragen wissen, deren ganze künstlerische Potenz aber noch nicht dem Hauch einer ernstlichen Kritik standhalten kann. Von diesen traurigen Handwerkern gilt es, was ich sagte. Und aus solcher Dutzendware wird nie und nimmer auch nur eine Seele Kraft und neuen Antrieb gewinnen. Im Gegenteil, jene mit dieser gewissenlosen Literaturproduktion überfütterten werden dadurch jeden Maßstab für wirkliche Werte verlieren, und der gesunde, auf künstlerischen Wert eingestellte naive Sinn auch des ungebildeten vder besser gesagt unverbildeten Volkstums wird und muß darunter leiden und zurllckgedrängt werden, über all diesem aber steht die Tatsache, daß durch diese Afterkunst und diese schrankenlose Produktion aus Gewinnsucht die Kaufkraft des Publikums für die im Interesse der gesamten Organisation unserer Kraft nötigen und wertvollen Bücher immer mehr ab nimmt. Diese Gefahr zu bekämpfen und einzudämmen, ist Zukunfts aufgabe des deutschen Buches, des guten belletristischen deut schen Buches. Es soll und muß der Ehrentitel des deutschen Buchhandels bleiben, daß ein Buch seines Inhalts wegen und nicht seiner Gangbarkeit wegen auf den Markt kommt. So kann auch die rein künstlerische Schöpfung sich mit werbender Kraft neben die wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Lite ratur stellen und im Verein mit ihnen an der Gcsamtorganisation unserer nationalen Kräfte Mitarbeiten. Neuartige, ungekannte Aufgabe» sind dem deutschen Buche erwachsen in der Gegenwart. Sie werden, so hoffen wir alle, nur von kurzer Dauer sein, aber deshalb verlieren sie nicht ein Tüpfelchen von ihrer Bedeutung für unser nationales Wohler gehen. Das deutsche Buch im Kriege hat neben der augenfälligen schon erwähnten Mission im Felde und vor dem Feinde, im Laza rett und in den Garnisonen eine höhere und höchste Aufgabe im geistigen Haushalt unseres Volkes. Ein Blick über den Rhein und in die — ich kann es aus einer vielgestaltigen eigenen Samm lung ohne Übertreibung sagen — geradezu erbarmungswürdige französische Kriegsliteratur lehrt uns besser als alles ander«, was für eine Aufgabe des Buches harrt, wenn die Nation sich rüstet, ihre letzt« Kraft zu sammeln und jeden Muskel des gewaltigen Körpers zu straffen. Ich will mich hier nicht zu der Behaup tung versteigere, daß die deutsche Kricgsliteratur nicht etwa eine Unmenge wertlosen Tratsches, man verzeihe mir diesen Studenten- ausdruck, hervorgcbracht hätte. Kraftloser Gefühlsdusel und trompetender Hurrapatrotismus »zieren« unseren Kriegslite- rainrtempel in nicht zu bescheidener Weise. Aber die Mauern, die Säulen und Kuppeln sind echt und wohlgefllgt. Sie zeugen von ehrlichem deutschen Streben und Wissen, von kühler Be sonnenheit und eiserner Ordnungsliebe auch im geistigen.Haus halt. Wenn man bedenkt, daß Deutschland selbst im Jahre 1815, als schon Millionen und Abermillionen seiner Männer im Felde kämpften, als schon England seinen freundnachbarlichen, auf so gründlicher Kenntnis des Völkerrechts und seines hohen Hüters über dem großen Teich aufgebauten Hungerplan geschmiedet hatte, noch weit über 20 Tausend verschiedene literarische Werke, un gerechnet der neuen Auflagen, hervorbrachte, so möge man doch wo anders nach den Zahlen sehen. Ich höre, eine Reihe der angesehensten französischen Verleger hätte seit geraumer Zeit die Bude zugemacht. Unsere deutsche Kricgsliteratur, geboren aus dem Geiste na tionalen Zusammenwirkens, hat aber einen großen Teil des Verdienstes für sich zu beanspruchen, daß ungeachtet der unvor hergesehenen langen Dauer des Krieges, ungeachtet der unver meidlichen übelstände und Begleiterscheinungen eines solchen Ausnahmezustandes das gewaltige Gefüge und Räderwerk un seres Volkshaushaltes so glatt weiterlief. Und wäre nicht jener ganz und gar allem deutschen Wesen und aller deutschen Sitte hohnsprechende Eigennutz in den Nahrung und Kriegsmittel liefernden Kreisen in nur allzuhäufigen Ausnahmefällen zutage getreten, wir könnten heute noch von einem Bilde sprechen, das sonder Beispiel erhaben und groß ist. Die Zukunft wird Rich terin sein. Was unsere deutsche Literatur hier geleistet hat, ist nicht in Zahlen und Worten auszudrücken. Aber was unsere Feinde barbarischen Kadaver-Gehorsam, preußisches Knutenregi ment und so weiter nennen, das mögen sie sich einmal näher be sehen. Dann werden ihnen Millionen kleiner schwarzer Buch staben vor den hatzglühenden Augen zu tanzen anfangen, und sie werden sich fragen müssen, ob nicht der Geist des Durchhaltens, der Geist des Zähnezusammenbeißens, auch wenn einmal ein kräftiger deutscher Fluch dazwischenfährt nach rechts oder links, wo anders- her kommt, ob er nicht aus dem Mark dieser kleinen Buchstaben gesogen ist, schon in Urväterzeiten, und ob nicht das deutsche Buch, das liebe, gemütvoll plaudernde und ernst und eindringlich redende, das aufrllttelnde und anregende deutsche Buch hier einen Sieg seines Lebens feiert. Und heute möchte ich an dieser Stelle dem deutschen Buchhandel zurufen: Pflegt den deutschen Geist in deutscher Literatur! Die Aufgabe des Buches ist nicht kleiner geworden, sondern schwerer und verantwortungs voller für alle Bücher, die noch irgendwie eine tiesergehendc Wirkung ausllben können. Nur wer mißverstehen will, kann hier danebenraten! Und nur wer nichts sehen will, der könnte sagen, diese Aufgaben habe das deutsche Buch von jeher erfüllt. Gewiß, es hat seinen Teil geleistet, vor dem wir bewundernd stehen dürfen, aber auch nicht ohne Dank für den Opfermut und die Großzügigkeit mancher längst begrabenen Größen unseres deutschen Buchhandels, dank der stillen, bescheidenen Wirkung manches ganz und gar verkannten Schriftstellers. Das soll die vornehmste, die erste und schönste Aufgabe des deutschen Buches sein für das Vaterland, daß es in sich gut ist, daß es dem Ganzen dienen kann und nicht umgekehrt, daß die Masse dem Buche dient. Jene Bücher sind wertlos und für das geistige Volksvermögen ohne Gewinn, die nur zu unterhalten wissen, und jene sind ihm ein Abbruch und ein fressender Schaden, die aus Fehlern unseres Volkes gleißendes Gold zu münzen wissen. Und nun noch ein« Aufgabe des deutschen Buches; ich kann sie diesem Abschnitt auf die Stirne schreiben, und es mag jeder seine Gedanken selbst dazu machen: Das deutsch« Buch als Friedensstifter! Was unsere Feinde im lärmenden Chorus schon alles an hochziviliferten Vecnichtungsplänen gegen Deutsch land ausgeheckt haben, das ist kaum mehr in einen Lexikonband zu zwängen. Man braucht sich über diese Albernheiten gar nicht lange aufzuregen. Wer sich Gewalt antut und regelmäßig die ausländische Presse liest, der kann sich keinen Augenblick Wundern, daß solche Dummheiten nur die logische Folge der systematischen Geistesverblödung find, die die mit der Feder arbeitende Klasse unserer Feinde betreibt. Das beruhigende Bewußtsein kommt einem dabei zugute und überwindet auch stets den Ekel an sol chen Machwerken, daß es doch wirklich ganz und gar undenkbar wäre, solche Dummheiten innerhalb der schwarz-weiß-roten Grenzpfähle mit solcher Beharrlichkeit aufzutischen. Aber ernster zu nehmen sind jene fanatisierten Schreier, die mit allen Mitteln einer skrupellosen Rede und Schrift Feindschaft auf Jahre hinaus predigen. Solche gibt es bei uns, und solche gibt es in schwerer Menge drüben. An sich ist gar keine Befürchtung nötig, denn das ungeheure Räderwerk des Weltgetriebes wird sich ebenso wenig von einzelnen schwächlichen Handgriffen in seine Speichen auch nur verlangsamen lassen, als es je einer Macht der Welt gelingen wird, der urgewaltigen Expansions- und Schöpferkraft des deutschen Geistes eine Fessel anzulegen. Diese Bestrebungen werden sich nach dem Verwehen des letzten Pulverschwadens von selbst verlieren ins Nichts der Bedeutungslosigkeit. Aber der gestörte Rhythmus des Pulsschlages des Weltverkehrs wird noch lange brauchen, bis er wieder in die alte vorher gewon nene Ruhe und Stetigkeit übergeht. Und hier ist es wieder das deutsche Buch, das die nationale Aufgabe hat, wenn das Schwert die Friedcnsinstrumente geschaffen hat, dem Unterzeichneten Frie densvertrag den Zukunftsweg zu bahnen. Deutsche Wissenschaft und deutsche Kunst, deutsche Art und deutsche Kraft soll das deutsche Buch dann erst recht in aller Welt verkünden! Und hier dürfen wir uns eines sicheren Sieges freuen. Das deutsche Buch wird sich den Zugang auch dort erzwingen, wo blinder Haß ihm die