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2690 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 51, 3. März 1909. Englisch, Russisch, Chines., Deutsch, Französisch, 1906 19 — 2? 8 13 1901 30 21 27 13 20 In der deutschen Klasse war der Besuch ziemlich stetig derselbe; die Zahl der Graduierten aber schwankte beständig, indem sie bald die im Englischen Graduierten übertraf, bald an zweiter, bald wieder an letzter Stelle stand. Auch die Lehrpläne der staatlichen höheren Töchter schulen weisen in den beiden ersten Jahren sechs, in den beiden folgenden je fünf Wochenstunden Englisch, abei keinen deutschen Unterricht auf. Anders ist es in der Hochschule, die den deutschen Gymnastalklassen Obersekunda und Prima entspricht, aber von bedeutend älteren Schülern besucht wird und in drei Fakultäten geschieden ist. In der ersten Abteilung, die unserer philosophischen und juristischen Fakultät entspricht, dürfen die Schüler sich unter Deutsch, Englisch und Fran zösisch zwei Sprachen auswählen, die dann für sie obliga torisch werden. Dabei wählt nur eine verschwindende Minderzahl Französisch. In der zweiten Abteilung, für technische Wissenschaft und Landwirtschaft, ist Englisch obli gatorisch, Deutsch neben Französisch wahlweise; aber auch hier kommt Französisch kaum in Betracht. In der dritten, medizinischen Abteilung ist Deutsch mit dreizehn Wochen stunden in den beiden ersten, mit zehn Wochenstunden im letzten Jahr obligatorisch, während für Englisch wahlweise neben Französisch nur drei Wochenstunden gegeben werden. Es gibt sechs staatliche Kotogakkos und einige halbstaatliche, jede zählt im Durchschnitt etwa fünfhundert Studenten, die erste in Tokyo allein über tausend. An den Universitäten ist ebenfalls die erste Fakultät in eine deutsche und eine englische Literaturklasse geschieden. Ausschließlich herrscht Englisch wieder in den Lehrerseminaren und, wenn wir nicht irren, in der Marineakademie; dagegen haben die Kadettenschulen und die Kriegsakademie deutsche Sprachklasscn wahlweise neben französischen; doch nimmt die Bedeutung der sranzöstschen an ihnen ständig ab zugunsten des Unterrichts im Deutschen. Auch in den Privatlehranstalten ist die Verteilung von Deutsch, Englisch und Französisch ungefähr dieselbe wie in den staatlichen Schulen. Die beiden größten von allen Privatschulcn sind die von dem bekannten Reformator Japans Fukuzawa gegründete Keio Gijuku und Graf Oku- mas Waseda-Universitot, beide in Tokyo. Beide Anstalten stehen im Gegensatz zu dem staatlichen Unterrichtswesen und bezwecken, den von Vertretern englischer Anschauungen als hemmend und störend empfundenen Einfluß der Regierung aus das Erziehungswesen abzuschwächen oder zu ergänzen. Fukuzawa gründete seine Anstalt schon vor der Restauration des Mikado, in der Hauptsache, um Japans Erwerbsständen praktisch ausgebildcte Kräste heranzuziehen. Seine Schule umfaßt etwa alle Klassen vom Beginn der Vorschule bis zu unserem Einjährigeuzeugnis und erzieht ihre Zöglinge haupt sächlich für die Presse, für den Kaufmannsstand und für die Industrie. Man kann sagen, dvß der ganze Geist der An stalt auf englischen und amerikanischen Anschauungen be ruht und daß neben der englischen Sprache die deutsche wohl ein wenig gepflegt wird, aber keine nennenswerte Rolle spielt. Die Waseda - Universität wollte im Anfang den vollständigen Rahmen einer Schule von der Vor schule bis zur Universität aussüllen; jetzt beschränkt sie sich auf die Rolle einer privaten Universität, mit der ein höheres Lehrerseminar und gewerbliche Ausbildungs kurse sowie eine Anstalt für chinesische und indische Studenten verbunden sind. Auch sie bevorzugt die englische Sprache vor der deutschen, aber lange nicht in dem Grade wie die Keio Gijuku, und besonders in den letzten Jahren hat der Unterricht im Deutschen langsam an Bedeutung zu genommen. Von Bedeutung für die Pflege der deutschen Sprache ist besonders die Deutsche Vereinsschule Doitsu- Kyokai Gakko in Tokyo, eine private Elementar- und Mittel schule, auf der fast ausschließlich die deutsche Sprache gelehrt wird. Sie hat gegenwärtig aber lange nicht mehr die Bedeutung wie in früheren Jahren. Außer den staatlichen und p> waten Schulen widmen sich dem Sprachunterricht in Japan vornehmlich die Missio nare. Schon um sich mit ihren Gemeinden besser verstän dige» zu können und um diesen eine Benutzung der in fremden Sprachen abgefaßtcn religiösen Literatur zugänglich zu machen, pflegen sic eifrig den Unterricht in ihrer Mutter sprache. Da die Kaufleute auch nach der Aushebung der Exterritorialität im wesentlichen auf die Vertragshäfen be schränkt geblieben sind, so ist der Missionar im Innern fast der einzige Vermittler des westländischen Einflusses. Er lebt mitten unter den Japanern und findet in der Erteilung von Sprachunterricht ein ebenso willkommenes Mittel, Japaner an sich heranzuziehen, wie in China noch heute durch seine ärztliche Praxis. Die Japaner machen im allgemeinen von diesem Entgegenkommen recht ausgiebigen Gebrauch und nutzen den Sprachunterricht der Missionare nach Möglichkeit aus, und es kommt wohl gar nicht so selten vor, daß einer, um des Sprachunterrichts teilhaftig zu werden, vorgibt, dem Christentum geneigt zu sein. Jedenfalls ist das Ergebnis der Tätigkeit der evangelischen Missionare in Japan min destens ebenso sehr der englischen Sprache wie dem Christen tum zugute gekommen. Insbesondere haben die ameri kanischen Missionare, die in ganz gewaltiger Anzahl über das Innere Japans verteilt sind, zur Förderung der englischen Sprache außerordentlich viel beigetragen. Sie haben auch genügend Mittel zur Verfügung, um große Schulen zu halten, in denen unter andern Fächern besonders dem Unterricht im Englischen große Beachtung geschenkt wird. Außer vielen anderen sind hier besonders das Aoyama Gakuin in Tokyo und das Tohoku Gakuin in Sendai zu nennen. Sie alle pflegen wohl auch ein wenig die deutsche, sehr viel mehr aber die englische Sprache. Von dem Wirken der katholischen Missionen in dieser Hinsicht können wir an dieser Stelle absehen, da die katholischen Missionare in der Regel vorzüglich japanisch sprechen und sich in ihrem Ver kehr, jedenfalls mit den untersten Klassen, wohl ausschließ lich der japanischen Sprache bedienen. Diesem Wirken der englischen und besonders der amerikanischen Missionare als Sprachlehrer hat der einzige deutsche protestantische Missionsverein, der in Japan wirkt, der Allgemeine Evangelisch-Protestantische Missionsoereiu, nichts Gleichartiges entgegenstellen können, vornehmlich weil es ihm an Arbeitskräften fehlt. Dies ist um so schwer wiegender, als das Vorhandensein des Vereins auf diesem Arbeitsfelde naturgemäß andere deutsche evangelische Missions- gescllschaften davon abhält, die Arbeit in Japan auszunehmen. In seinem letzten Jahresbericht konnte der Verein nur fest- stellen, daß er trotz einer nunmehr vieruudzwanzigjährigen Wirksamkeit gegenwärtig nicht mehr als alles in allem zweihundert japanische Mitglieder in seinen sämtlichen Ge meinden zählt. Seine drei deutschen Vertreter, die sich mit Mission befassen, sitzen in Tokyo und Kyoto und haben eine irgendwie nennenswerte Tätigkeit als Sprachlehrer nicht aus üben können. Seine theologische Akademie in Tokyo, die Shinkyoshingakko, ist immer nur von ganz wenigen Schülern b> sucht worden, und ihr bisheriges Wirken für die deutsche Sprache kann fast ganz außer Betracht bleiben. Die Verbreitung der deutsche» Sprache hat aber noch mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen, denen es zu zuschreiben ist, daß sie so weit hinter der englischen zurück-