Volltext Seite (XML)
1480 Nichtamtlicher Theil. ^ 91, 22. April. weder am Aristipp noch Etwas anderem mit gutem Erfolg zich arbeiten. Denn zu solchen Gcisteswerken gehört Freiheit des Geistes und Ruhe des Gemüths. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr! mich die unaufhörlichen Sorgen, wie ich die Meinigen bei Ehren er halten, allen Prästazioncn face machen, und das mir so lästige Gut, wenigstens bis zu dessen Verkauf (wozu bis dato noch wenig An schein ist) behaupten wolle, wie sehr, sage ich, diese Sorgen mich zn- sammcndrücken und welchen nachthciligen Einfluß sie bei einer so äußerst zarten und reizbaren Konstitution, wie die mcinigc, auf Leib und Seele bei mir haben. Um also nur einiger Maßen mir zu der nöthigen Geistesruhe zu verhelfen, bin ich gcnöthigt, Ihnen nicht als Buchhändler, sondern als Freund zu sagen, daß die Gefälligkeit, obiger Umstände wegen, eine nothwcndige Bedingung des UnZa-As- rusnts ist, welches ich mit Ihnen über die sämmtlichen Arbeiten, wo von die Rede war, cinzugehen bereit bin." Wieland arbeitete dabei jetzt auch für Taschenbuchverlegcr kleinere Erzählungen. Denn „die eiserne Noth, die ehemals Horazen zum Dichter gemacht", drängte gewaltig und Vieweg, Wilmans und Cotta bewarben sich um Wieland's Gunst. So ward denn Göschen vorübergehend vergessen. Cotta, der, wie Gruber erzählt, Wieland durch ein Honorar von 400 Gulden für die ihm verkauften Erzählungen aus dem Hcxa- meron fast erschreckte, erhielt dann noch Mcnandcr und Glycerion, sowie Krates und Hipparchia. Wieland hatte dabei ganz vergessen, daß er Göschen schon von der ersteren Erzählung geschrieben und Göschen s. Z. ihm für ein Taschenbuch gerade das Doppelte von dem geboten hatte, was Cotta jetzt zahlte. Kein Wunder, daß Göschen darüber sehr ungehalten war und mit seinem Zorn nicht hinter dem Berge hielt. Doch Wieland begütigte den Leipziger Freund und schrieb: „Wäre cs nicht Thorheit gewesen, wenn ich, in meinen Umständen, solche Gelegenheiten nicht hätte benutzen wollen. Ich glaube, Sie können sich mein kleines Verkehr mit den Taschen- buchsjägern um so mehr gefallen lassen, da Sie ja auch nichts da gegen hätten, wenn ich dergleichen Aufsätze im Merkur abdrucken ließe." Für Menandcr und Glycerion, sowie Krates und Hipparchia bezahlte dann Göschen noch an Wieland, wie die Briefe ausweiscn, 200 Thaler. Mit dem Verkaufe seines Gutes gewann Wieland die alte Heiterkeit wieder. Die Pläne, die ihn längere Zeit beschäftigt, um Geld zu verdienen, wurden nun unter Beistimmung Göschen's bei Seite gelegt, und der Dichter nahm sich vor, für die Folge sich seine ganze schriftstellerische Freiheit wieder zu wahren. Beschäftigung mit alten Classikern, Vollendung des Aristipp wurden in Aussicht genommen, die für die Osmannstädtischen Unterhaltungen bestimmten Erzählungen des Sohnes Ludwig besonders in Göschen's Verlag gegeben. Wieland zog nach Weimar zurück, wo er dann noch seine „Euthanasia, drei Gespräche über das Leben nach dem Tode"schrieb, eine Arbeit, die zunächst an die abgeschmackte Schrift eines gewissen Wözel anknüpfte, dann aber auch des Dichters dermaligc Ansicht, wonach „das individuelle Leben nach dem leiblichen Tode völlig er lischt", (Löbell) weiter ausführte. Wieland hatte wohl ein Recht, sich jetzt lebhaft mit diesem Gegen stand zu beschäftigen. Sein 50jähriges Schriftstellerjubiläum lag hinter ihm und das „einfältige Etui seiner Seele" war etwas „dünner" noch geworden, als es früher gewesen war. Und ein Blick um sich zeigte ihm stets aufs neue das Hinfällige alles Irdischen. Dem lange vergessenen Freund Reich war nach eigenen Kindern und zwei Schwiegersöhnen die Gattin gefolgt, Herder starb, Schiller starb, die alte Gönnerin, die Herzogin Amalie starb. Auch der Merkur, der nach Art richtiger Freunde unserm Dichter außer zu mancher Freude auch hier und da zu einem gesunden Aerger verhals, war altersschwach geworden. Daß man ihm 1790 ein neues Mäntelchen in der Gestalt des Titels „Neuer teutscher Merkur" umhing, konnte den Abzehrendcn vor weiterem Siechthnm nicht bewahre». Wohl nahm er einige Male in den weiteren Jahren seines Lebens einen Anlauf zur Besserung, aber bei dem Anlauf blieb es. So tauchte denn zeitweise der alte Gedanke auf, den Merkur eingehen zu lassen, jedoch entschloß man sich dann regelmäßig, noch etwas zuznschcn. Die ab handen gekommenen Abonnenten könnten sich ja wieder hcrzufinden. Aber sic blieben aus, und nachdem der Merkur aus den Händen Göschen's in die der Weimarer Gebrüder Gädicke und schließlich in die Bcrtuch's übergegangen war, ließ man ihn mit Ende des Jahres 1810 selig entschlafen. „Er hatte", meinte einmal Wieland, „wahrlich nur zu lange gelebt." Und die „Werke"? Die waren mittlerweile, die Supplemente cingeschlossen, in den verschiedenen Ausgaben zu 40 und einigen Bänden angeschwollcn, manchem Abnehmer nicht eben zur Freude. AuchdcmVerlcgerwohlnicht.DcnnnachmanchcnStellenWieland'scher Briefe zu schließen, nahm Göschen zeitweise die Gelegenheit wahr, über geringe Einnahmen und den schlechten Absatz der Werke Klage zu führen. Für erstcrn Uebclstand hatte dann unser Dichter aufrichtiges Bedauern, aber für den letzteren lag es ihm, doch nur dann und wann in verdrießlicher Stimmung, näher, den Grund in der Ab nahme seiner Beliebtheit zu suchen. In dem für gewöhnlich noch unbeschädigt erhaltenen Selbstgefühl gab er die Schuld seinem Freund Göschen, der nach dem Höchsten in seiner Kunst trachtend, sein eigenes Interesse dem Gefühl und Verlangen geopfert habe, etwas für den Ruhm einer Nation zu thun, die keine Nation sei und kein National gefühl habe. Was dem Unternehmen, das, wie Wieland jetzt nicht zweifelte, für ihn und Göschen vorthcilhaftcr hätte ausgeführt werden können, nach des Dichters Meinung noch ganz besonders schadete, waren die „verwünschten lateinischen Lettern", für die Göschen schwärmte und Wieland seiner Zeit gewonnen worden war. Schon vor Beginn des Drucks der „Werke" hatte ein anonymer Autor des Merkur für die Fractur eine Lanze gebrochen und Wieland im Anschluß daran einige Bemerkungen folgen lassen, die im Ganzen auf ein Lob der Antiqua hinausliefen. Damit war es jetzt vorbei. In den letzten Jahren hatte der Dichter oft Gelegenheit gehabt, Klagen über die Antiqua zu hören, ganz abgesehen von dem „leidigen Glätten" des Papiers. Wieland würde jetzt gar nichts von diesen „odiösen Nachwehen" jener typographischen Maßnahmen Göschen's gesagt haben, wenn dieser nicht vor einiger Zeit die positive Er klärung gethan hätte, daß aus seinen Pressen ein Werk mit Fractur- schrift nicht mehr hervorgehen werde. Daraus aber glaubte Wieland ersehen zu müssen, daß an eine zweite Auflage der „Werke" nie zu denken sei und daß Göschen, obgleich ihm bekannt sein müßte, „daß unter 10 Bücherlesern und Käufern gewiß 7 für die deutschen Buch staben sind", den Gewinn aus den „Werken" lieber einem Nachdrucker überlassen, als von einem aus Gründen a priori gefaßten Entschluß abgehen wolle. Doch Göschen war nicht so hartköpfig, wie unser Dichter meinte. Eine von Wieland's angenehmsten Beschäftigungen während der letzten Jahre seines langen Lebens war, den Gedanken an die neue Auflage der „Werke", und zwar einen aus Fractur herzustellenden Neudruck, an dessen Möglichkeit der Verleger doch im Laufe der Zeit zu denken begann, weiter auszuspinnen. Erleben sollte er diesen Neudruck jedoch nicht mehr, nicht einmal in seinen ersten Anfängen. Ebenso blieb es ihm versagt, seine Uebersetzungen in einer Aus gabe vereinigt zu sehen. Hin und wieder hatte er seiner Zeit ge schwankt, ob er diese nicht den „Werken" einverleiben solle und wenn er es nicht that, so dürfen wir getrost annehmen, daß dabei irgend welche Rücksicht auf Weidmanns, von denen er ja einmal gar nichts mehr hatte wissen wollen, jedenfalls nicht im Spiele war. Die > „Werke" erschienen also ohne die Uebersetzungen, und es war eine