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Nichtamtlicher Theil. 1479 114, 22. Mai. Bundcscommissar Dambach polcmisirt gegen das Amendement Scclig, da die Feststellung des Begriffs „gewcrbmäßig" in der PrariS zn den größten Schwierigkeiten sichren wurde. BundeSeommissar Stcpba n constatirt nochmals, daß die Post unmög lich das ZeitnngSdcbit bcibehalten könne, sobalo der Postzwang aufge hoben sei. Der 8. >. wird mit Ablehnung aller Amendements unverändert ange nommen. 8- 2. lautet: „Die Beförderung von Briefen und politischen Zeitungen (8> 1.) gegen Bezahlung durch erpresse Bolen oder Fuhren ist gestattet. Doch darf ein solcher Erpresser nur von Einem Absender abgcschickt sein, und dem Postzwauge unterliegende Gegenstände weder von Anderen mit- uchmcn, noch für Andere zurückbringcu." Abg. Fischer (Augsburg> beantragt, ihn so zu fassen: „Das Verbot in 8- 1 Absatz l. erstreckt sich nicht auf die Beförderung von Briefen oder politischen Zeitungen zwischen Orten, welche nicht mehr als zwei Meilen von einander entfernt sind, und auf die Beförderung von Briefen oder politische» Zeitungen gegen Bezahlung durch erpresse Boten oder Fuhren. Doch darf bei einer Entfernung von mehr als zwei Meilen ei» solcher Erpresser nur von Einem Absender abgeschickt sein und dem Post zwange unterliegende Gegenstände weder von Anderen mituehme», noch für Andere zurückbringen." Abg. llr. Becker will in dem Anträge Fischcr's zunächst nur die poli tischen Zeitungen ausrcchl erhalten und die Briefe fallen lasse». Der Antrag Fischer-Becker wird mit 145 gegen 105 Stimmen ange nommen; dagegen wird der Antrag Fischer, sofern er sich aus Briefe bezieht, abgelchnt. Die von Fischer-Becker beantragte Fassung tritt also an die Stelle des 8- 2. der Vorlage. 8. 3. der Vorlage lautet: „Die Annahme und Beförderung von Brie fen und politischen Zeitungen darf von der Post, sosern die Vorschriften über Adressirung, Verpackung n. s. w. beobachtet sind, nicht verweigert, insbesondere darf keine im Gebiete des Deutschen Reichs erscheinende poli tische Zeitung, solange überhaupt der Vertrieb der Zeitungen im Wege des PostdcbitS erfolgt, von demselben ausgeschlossen und ebensowenig darf bei der Normirung der Provision, welche für die Beför derung und Debitirnng der im Gebiete des Deutschen Reichs erscheinenden Zeitungen zu erheben ist, nach verschiedenen Grundsätzen verfahren werden." Die Debatte über diesen Paragraph folgte in der Sitzung vom 13.Mai; derselbe wird mit einem unwesentlichen Amendement von dem Abg. llr. Becker angenommen. Dritte Bcrathung. Sitzung vom 16. Mai. Die oritte Bcrathung beS Posigcsetzcs, wie es aus der zweiten Bc rathung hcrvorgcgangeu ist, leitet Abg. E. Richter ein: „Ich kann noch nicht ernstlich glauben, daß der Reichstag entschlossen ist, hier eine Erneue rung des deutschen Reichspostzwangs gesetzlich zu begründen. Ich habe ein großes Interesse an einheitlichem deutschem Recht, bin aber kein solcher Einheitstiger, daß ich mich über einen Schlagbaum im Verkehr bloß deshalb freuen sollte, weil er schwarz-wciß-roth angestricheu ist. Die deutsche Reichü- versassung halte beschlossen, daß ein Postvcrbot unzulässig sei. Dieser Grundrcchtsartikel wurde 1852 in das Postgesetz ausgenommen, weil inzwi schen verschiedene Manteufseleicn in dieser Beziehung vorgckommen waren. Er wurde ausgenommen nicht gegen die Post, sondern gegen die Polizei. Derselbe Vorgang hat sich 1867 bei dem neuen Postgesetz wiederholt, in welches wir den Paragraph über das Briefgeheimniß aufnahmcn. Ebenso willkürlich, wie es sein würde, diesen Paragraph über das Briefgeheimnis; mit dem Postmonopol in Verbindung zu bringen, ebenso willkürlich ist cS, die Verpflichtung der Post, alle Zeitungen gleichmäßig zu dcbitiren, mit dem Postzwang in Verbindung zu bringen, wie es der Gcucralpostdircctor wie derholt gelhan hat. Uebcrhaupt ist diese Frage keine formelle Rechts-, nicht einmal eine Postsrage, sondern eine reine Finanzfragc. Wenn man den Generalpvstoirector sprechen hört, so sollte man freilich oft meinen, er habe den Postbelrieb als solchen persönlich in Entreprise genommen. (Sehr wahr!) Das ist doch aber ein ganz falscher Standpunkt. Ob die Einnah men der Post größer oder geringer sind, das trifft allein die Steuerzahler. Wir aber sind hier allein die Vertreter der Steuerzahler, und wenn nicht der Finanzminister, sondern der Gcneralpostdircclor in dieser Frage antwortet, jo kommt daö allein daher, weil dem letzteren als Zuchtmeister sein Zucht- recht ganz besonders am Herzen liegt. Jedenfalls liebt er die Post leiden- schastlich und haßt Alle, die ihr ins Handwerk pfuschen. Ich behandle die Sache also lediglich als Finanzsragc und da sage ich, daß, wie wir neulich bestätigt gehört haben, die bayerische und württembergische Regierung dies Poslmonopol nicht haben will, daß sic es haßt und sich im Schlußprotokoll zu den Verfassungsvcrträgeu das Recht Vorbehalten hat, cs aus der Verfassung wieder herauszureglcmentiren. Ich weiß nun in aller Welt nicht, warum wir Bayern und Württemberg dies Monopol octroyiren sollen. Die Methode, daß wir ihnen zumuthcn, einen Schritt in der Entwicklung rückwärts zu gehen, um dann mit uns wieder zwei Schritte vorwärts zu gehen, mag wohl für eine Spriugprozcssion Anwendung finden, aber nicht bei ernsten GcsctzgcbungSiragcu. Die Statistik des Jahres 1869 über den Zcituugs- vcrkehr ergibt, daß die Po > in diesem Jahre allerdings 300,000 politische, daneben aber auch über 500,00» nicht politische Blatter dcbitirt hat, letztere also ohne den Schutz des Monopols. Das beweist doch klar genug, daß die Post vollständig aller Eoncurren; in Bezug auf die ZeitungSbcsörderung gewachsen ist. Selbst wenn durch Aufhebung des Monopols für die Post eine Einnahme von etwa 20—30,000 Thtr. in Frage kommt — das ist die voraussichtliche Schätzung — so würde dieser Ausfall bereits in demselben Jahre allein durch die natürliche alljährlich wachsende Zunahme des Zeilungö- Vcrkchrö und die daraus rcsultircnden Mehreinnahmen sich ansglcichen; denn die Statistik ergibt, daß der Zeitungsvcrkchr von Jahr zn Jahr um 10 Proccnt zunimmt. Wir wollen das Monopol aushcbcu, um eine große Summe von kleinen Plackereien in Wegfall zu bringen, die auf dem Grenz gebiet der betreffenden Bestimmungen thatsächlich bestehen. Die Grenze zwischen einem politischen und nichlpolitischen Blatt läßt sich praktisch absolut nicht ziehen. Sie wird auch factijch gar nicht inncgchalten, da eine Menge politischer Journale, wie „die Grcnzboten", „die preußischen Jahrbücher" u. a. mehr durch den Buchhandel, wie durch die Post vertrieben werden. Als dann soll man aber auch diese Grenze in der Gesetzgebung nicht ziehen. (Sehr richtig! links.) Wenn Sie, m. H., heute noch nicht finanziell den Muth fassen können, das Zcitungömonopol der Post ganz aufzuheben, so heben Sie cS wenigstens für die politischen Wochenblätter auf und stimmen Sic dem Anträge Becker zu. Stoßen Sie sich an das Wehklagen unseres großen Zuchtmcisters gar nicht und schneiden Sie mit einem kräftigen Schnitt diesen Zopf der Verwaltung ab. Die SpczialdiScussion wendet sich den M I. und 2. gleichzeitig'zu. Der 8. i>, in zweiter Bcrathung unverändert angenommen, stellt oen Post zwang für Briese und alle Zeitungen politischen Inhalts auf; 8- 2. war in folgender Fassung beschlossen: „Das Verbot erstreckt sich nicht auf die Beförderung von politischen Zeitungen zwischen Orten, welche nicht mehr als zwei Meilen von einander entfernt sind, uno ans die Beförderung von Briefen oder politischen Zeitungen gegen Bezahlung durch erpresse Boten oder Fuhren. Doch darf bei einer Entfernung von mehr als zwei Meilen ein solcher Erpresser nur von Einem Absender abgcschickt sein und dem Post- zwangc unterliegende Gegenstände weder von Anderen milnehmeu, noch für Andere zurückbringcn." Abg. Elben beantragt in beiden 88. durch Streichung der betreffenden Worte den Postzwang für politische Zeitungen aufzuhebcn. Sollte dieser Antrag in ocr dritten Lesung, wie in der zweiten, abgelehnt werden, so beantragt 1) Brockhaus: wenigstens die wöchentlich nur einmal oder noch seltener erscheinenden Zeitungen auSznnehmen. 2) Ilr. Becker folgende Fassung des 8- 1: »Die Beförderung 1) aller versiegelten, zugcnähtcn oder sonst verschlossenen Briefe, 2) aller Zeilungcn politischen Inhalts, welche öfter als einmal wöchentlich erscheinen, gegen Bezahlung von Orten nrit einer Postanstalt nach anderen Orten mit einer Postaustalt des In- oder Auslandes auf andere Weise als durch die Post, ist verboten. Hinsicht lich der politischen Zeitungen erstreckt dieses Verbot sich nicht auf den zweimciligen Umkreis ihres Ursprungsortes." (8. 2. soll dann in der Fassung der Vorlage wieder hcrgestcllt werden.) 3) E. Richter: dem 8. >. hinznzufügcn: „Die Bestimmungen dieses Paragraphen über Zeitungen politischen Inhalts finden nicht Anwendung auf Bayern nnd Württemberg." Abg. Ur. Becker: Jedes Monopol muß da seine Grenze finden, wo die Vortheile, die cs bietet, geringer sind als die daraus erwachsenden Nach theile. Wenn mein Antrag nicht angenommen würde, so wird der buch- händlerische Vertrieb weit verbreiteter Journale, wie der Gartenlaube, des Daheim u. s. w., die gegenwärtig einen bedeutenden Theil des Buchhändler- geschäftS ansmachen, erschwert und gestört. Die Annahme des zweiten Theils meines Antrages würde die große Unznträglichkeit beseitigen, daß die Um wohner großer Städte Zeitungen, die dort Mittags oder Nachmittags er scheinen, denselben Tag nicht inehr erhallen können. Ich empfehle Ihnen dringend im Falle der Ablehnung des Elben'scheu Antrages die Annahme meines Amendements. Brockhauö zieht das scinige zu Gunsten des Bccker'schcn zurück. Fischer (Augsburg) erklärt sich für den Elben'schcn Antrag, da alle Amendements nur thcilweisc den Mängeln abhelfen. Die praktischen Er fahrungen in Siiddeutschland, wo kein Postmonopol besteht, haben in schlagender Weise alle theoretischen Bedenken erledigt, die vom RcgierungS- lisch geäußert wurden. Werde der NcgicrungSeutwurf angenommen, so sei trotz der neulichcn Versicherungen des bayerischen Bevollmächtigten zn fürchten, daß Süddeutschland auf die Dauer die Unterwerfung unter eine solche ge setzliche Bestimmung nicht werde ertragen können. Generalpostdirector Stephan: Die Auffassung der Bundesregierungen ist unverändert die, daß ein enger Zusammenhang besteht zwischen dem Post debit und dem Zwang für Briefe und politische Zeitungen. Diese Auffassung wurzelt in der Natur der Sache, sie findet ihren Stützpunkt in dem bestehen den Recht und dies entspricht in höchstem Maße dem Interesse der Presse 218'