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Lothar Joachims Verlag m München Die Greiizboten No. !b vom 30. Juni Zg)4 schreiben: Kulturpolitik Das war damals, im »herbste des Wahres des Heilssgdg, ein Heidenspektakel, der die so »st so friedlichen Taler Tirols durch tobte! Blatter und Blättchen brachten geharnischte Mutartikcl gegen den unglückseligen Verfasser einer tollen Satire „Fern von Europa". Auf alle mögliche und unmögliche Meise mühten sich „patriotische" Eiferer ab, hinter das Geheimnis des Pseudonyms „Sepp Schluiferer" zu kommen; selbstdenVerlegerLotharIoachim in München suchten sie mit ver logenen Mitteln zurpreisgabc des wahren Autornamens zu bewegen - umsonst. Als aber in Russtei» die Heye einen kaum mehr zu übcr- bietcndcn Gipfel erklommen hatte, da erfaßte den Verfasser Uarl Techet ein menschliches Rühren: er lüftete das Visier und bean tragte beim Ministerium inMien gegen sich selbst eine Disziplinar- untcrsuchung. Und stehe da! Der Referent im k.k. Ministerium hatte Sinn für Humor, berichtete dem entsprechend, und nach dreiviertel Jahren eines „Ferienaufenthaltes fern von Madrid" (in München) wurde das „Scheusal" als Pro fessor an die deutsche Mbcrreal- schule nach Proßnit; in Mahren berufen. Das Vertrauen, das seine Behörde damit in ibn setzte, hat er nicht getäuscht. Mährend sich das schwergekränktcTirol allmäh lich berubigte, so daß die neuen, famos illustriertet! Auslagen der „Rurzen Geschichten aus finsteren Breiten" über den Namen ihres Urhebers keinen Schleier mehr zu breiten brauchten, sagte Rarl Techet dem boshaften Dichten und Trachten Valet. Nach wc- »igen Jahren emsigen Studiums tritt er, jetzt erst sechsunddreißig Jahre alt, vor ein größeres Pu blikum mit einem ernsten Merke ganzbesondererArt: Völker,Vater länder und Fürsten. Ein veitrag zur Entwicklung Europas. (Mit neunzehn Textstguren, sechs Rar- ten,ki;;en und einer Tafel. Mün chen, Lothar Joachim. stZd S. Geb. p M.) Mit ungckeuchelter Achtung begrüßeich die vorliegende Arbeit. Das ist etwas Ganzes, etwas Großes. Melch ein Murf! Leb haft wird man an die über raschende Entwicklung A. Moel- lers v. d. Bruch erinnert oder an die noch ungehobenen Schätze der Moltniannschcn Hinterlassen schaften gemahnt. Dabei tritt der Verfasser mit einer Bescheidenheit auf, die uns von vornherein zu seinen Gunsten stimmt und uns menschlich gefangen nimmt. Mit Recht stellt Techet sein Merk als eine Mciterführung Raezcl- scher Gedanken hin, obwohl ge rade Friedrich Ratzel, lebte er noch, manche Behauptungen Tc- chets sicher ablchnen würde. Ge nügsam sprichtlctztcrcrinZweifcls- fällenimmernurvon Andeutungen Anregungen; niemals von Be weisen. Ein gegen sich selbst ehr licher Mabrheitssucher, Kat er sich eine klare Vorstellung von der - nicht anthropologisch zu verstehenden - Einheit der west europäischen Volksgruppe ver schafft und schildert nun in Form loser Effays, die schließlich doch ein geschloffenes Bild liefern, wie jene Einheit sich herangebildet bat, wie sic sich trotz Rampf und Haß, trotz Nationalismus und Rosmopolitismus weiter er hält, zunimmt und - boffentlich in steigendem Grade - Rultur- taten vollbringt, was für Rräfkc ihr auch entgegcnwirken und sic gelegentlich Niederhalten mögen. Er bemüht sich, den Dingen auf den Grund zu gehe»: auch so vielgebrauchten und gedankenlos nachgebeteten Modewörtern wie „Rulrur" und „Europäer" sicht er, jeder Phrase abhold, bis auf die Nieren. Uber Raffen und Raffenfragcn ist schon ein solcher Must törichten Zeuges geschrie ben worden, daß man nur mit Ängsten und Vorurteilen an die Lektüre eines neuen Buches hcran- tritt, das ähnliche Themen be handelt. Ich bin aber überzeugt, daß, wer sich ernstlich hincinliest, diesen „Techet" nicht gleich wcg- legen wird. Nur eins verstehe ich nicht recht: die Aufnabmc der „Fürsten" in den Titel; ist von ihnen doch bloß in einem der letzten Sechzcbnrcl des ganzen Buches die Rede. Anscheinend war dafür die angenehm klin gende Alliteration maßgebend. Der „aktuelle" Politiker wird mit zahlreichen?lufstcllungcn des anti russisch orientierten Verfassers nicht viel anfangen können oder wollen. Dennoch empfehle ich auch ibm das Studium dieser geistreichen Beobachtungen und meist zwingenden Schlüffe, weil sie für die Beurteilung gewisser völkische» Vorgänge einen brauch baren Schlüssel;» liefern scheinen. Eins bat jedenfalls der Verfasser vor manch anderem Raffentbco- retikcr, namentlich vor Houston St. Tbambcrlain, den er gar nicht liebt, voraus; eine verblüffende Vorurteilslosigkeit. Und wer es wagt, ausgetretene Gleise zu ver lassen, um eigene Mege zu wan deln, der nötigt von vornherein tiefe Achtung ab." Vr.H.Helmolt.