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Redaktioneller Teil Die Einweihung der Deutschen Bücherei. Am IS. Oktober IS13, hundert Jahre nach der Völkerschlacht bei Leipzig, die der Gewaltherrschaft des korsischen Eroberers in unserem Vaterlands ein Ziel setzte, wurde der Grundstein zur Deutschen Bücherei gelegt. Ein geschichtlicher Gedenktag von nicht minder großer Bedeutung ist auch mit der Eiuweihungs- feier der Deutschen Bücherei in Verbindung gebracht worden. Wird doch der 2. September in der Erinnerung unseres Volkes immer als der Tag von Sedan wciterleben, der der Herrschaft des dritten Napoleon und damit dem französischen Kaiserreich ein jähes Ende bereitete und zugleich die Bahn für Deutschlands künftige Größe freimachte. - Wie sich Verheißung und Erfüllung zu einander Verhalten, so stehen sich diese beiden weltgeschicht lichen Daten gegenüber, mit denen die Deutsche Bücherei ihre Geschichte verknüpft hat. Ihre Gründer und Helfer haben sich dabei von dem Gedanken leiten lassen, daß die Deutsche Bücherei ein nationales Werk ist, bestimmt, der geistigen Einheit der deut schen Stämme sichtbaren Ausdruck zu geben und ihrem Schrift tum eine Sammcl- und Pflcgstätte zu sein. Wie sich aber der nationalen Einigung so manche Schwierigkeiten und Hem mungen entgegenstellten, ehe sich die Träume von neuer Macht und Herrlichkeit des Deutschen Reiches erfüllten, so hat sich auch die Deutsche Bücherei mühsam ihren Weg erkämpfen müssen. Um so freudiger und dankbarer ist es deshalb zu begrüßen, daß der Gedanke dieses großangelegten Unternehmens immer tiefer Wurzel geschlagen hat, und daß nicht nur im deutschen Buch handel, sondern auch bei den staatlichen und städtischen Behörden, den Vertretern der Wissenschaft und Kunst und nicht zuletzt in den Kreisen der Bibliothekare seine Bedeutung für unser nationales und wissenschaftliches Leben immer deutlicher erkannt und gewürdigt wird. Diese Erkenntnis bildete den Grundakkord der Einweihungsfeier und gestaltete sie zu einem Ehrentage für den Deutschen Buchhandel. Werden doch durch die Deutsche Bücherei die Arbeit und die Bedeutung des Buchhandels in das volle Licht der Öffentlichkeit gerückt und dadurch die Grundlagen unserer beruflichen Tätigkeit in einer Weise erweitert und gefestigt, daß sich heute schon ungeahnte Möglichkeiten zur Erreichung neuer Ziele zeigen. Denn sie ist der sichtbare Ausdruck der Be strebungen des Börsenvereins, seine Arbeit mitten in das Leben unseres Volkes zu stellen und sie allen nutzbar zu machen, die ihrer bedürfen. Aus Geben und Nehmen sollen unserem Berufe neue fruchtbare Anregungen erwachsen und der einzelne wie die Gesamtheit zu stärkerer ethischer Betätigung im Inter esse unseres Volkstums emporsteigen. Daß dieses Werk mitten im Kriege vollendet und der Öffentlichkeit übergeben werden konnte, zeigt, daß dieser Wille ebenso stark ist wie die Lebenskraft des deutschen Volkes, das, das Schwert in der einen, die Kelle in der anderen Hand, an den Grenzen unsres Reiches sich machtvoll der Gegner erwehrt und im Innern des Reiches der Wissenschaft neue Tempel erbaut. Wie freudigen Widerhall in allen an der deutschen Kultur beteiligten Kreisen diese Auffassung gefunden hat, durch die wir aus der Enge unseres Berufs hinausgetreten sind in das volle Licht des Tages, geht aus den Reden der Vertreter der staat lichen und städtischen Behörden, der Männer der Wissenschaft, Technik und Kunst hervor, die sich am 2. September in dem Lese 4 saal der Deutschen Bücherei mit den Angehörigen des Deutschen Buchhandels zusammenfanden, um der neuen Schöpfung Glllck- und Segenswünsche mit auf den Weg zu geben. Nicht nur der Hof und alle sächsischen Minister sowie zahlreiche Vertreter des Reichs, der deutschen Bundesregierungen, staatlicher und städti- scher Behörden usw. waren erschienen, auch die Akademien der Wissenschaften und Künste, die Universitäten, technischen und kauf männische» Hochschulen, sowie die Bibliotheken, Handelskammern, Vereine und die Presse Deutschlands und des neutralen Aus lands hatten Vertreter entsandt.*) Kurz nach 11 Uhr trafen Se. Majestät König Friedrich August von Sachsen mit Ihren Königl. Hoheiten Prinz und Prinzessin Johann Georg und Prinzessin Mathilde nebst Damen und Herren ihres Gefolges vor dem Hauptcingange der festlich geschmückten Deutschen Bücherei ein, wo sie von dem Vorstände des Börsenver- cins und im Vorraum durch den Geschäftsführenden Ausschuß der Deutschen Bücherei empfangen wurden. Beim Eintritt in den Saal begrüßten Fanfarenktänge den Monarchen, auf den der Erste Vorsteher des Börsenvereins Herr Kommerzienrat Artur Seemann ein dreifaches Hoch ausbrachte, in das die Versamm lung freudig einstimmte. Nach dem Gesänge des Thomaner chors »Wo Gott zum Haus nicht gibt sein Gunst« bestieg als erster Redner der Bauleiter Herr Baurat Baer die Tribüne, um dem Vertreter des Bauherrn, des Kgl. Sächs. Ministeriums, die Schlüssel mit folgender Ansprache zu überreichen: Eure Majestät, Königliche Hoheiten, hochverehrte Anwesende! Am 25. Mai 1914, am Geburtstage Sr. Majestät des Königs, haben wir den ersten Spatenstich zu dem großen Werke getan, zu dessen Weiheseier wir Sic heute willkommen heißen. Unsere Arbeit liegt in der Kriegszeit. Am M. April v. I. fügten wir den Schlußstein in die oberste Turmptattsorm ein, und heute, nach zweieinhalbjähriger ohne Unfall verlaufener Bauzeit habe ich als Vertreter der Bau leitung die Ehre und Freude, den Bau in allen Teilen vollendet ausgestaltct dem Bauherrn, dem Königlichen Ministerium des In nern, zu übergebe». Zum Zeichen dessen bitte ich Ew. Exzellenz, den Schlüssel des Hauses hiermit entgegenzunehmen. Darauf nahm Se. Exzellenz Graf Vitztum von Eck st ä d t, Kgl. sächs. Staatsminister, Minister des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten, das Wort zu folgenden Ausfüh rungen : Indem ich als Vertreter der Königlich Sächsischen Negierung den Schlüssel dieses der Deutsche» Bücherei gewidmeten Baues aus den Händen der Erbauer übernehme, um ihn denen zu geben, die von nun an als die stistungs» und satzungsmäßigen Eigentümer das Haus seiner Bestimmung zuführen sollen, habe ich zunächst der Bau leitung und allen denen zu danken, die sich als Meister, Handwerker und Arbeiter an dem Werke beteiligt haben. Ich danke ihnen und beglückwünsche sic, baß es ihrer Kunst, ihrem Flciße und ihrer Um sicht gelungen ist, mit Gottes Hilse ohne Unfall und wesentlichen Zeitverlust während dieser Kriegszeit ein Werk herzustellen, das nicht nur in seiner äußeren Gestalt, sondern auch in seiner inneren Zweckmäßigkeit künftigen Geschlechtern als ein Denkmal tüchtiger deutscher Baukunst unserer Tage erscheinen wird. *) Einige Namen der Festteilnehmer — sie alle aufzuführen ge bricht es an Raum — werden wir, zusammen mit einer Reihe Glück wunschtelegramme zur Einweihung der Deutschen Bücherei in einer der nächsten Nummern des Bbl. veröffentlichen. 1153