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148. 29. Juni 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt >. d. Dtschn. Snchhandel. 7119 Kleine Mitteilungen. Zweihundert Jahre der Halleschen Zeitung. — Die Hallesche Zeitung konnte dieser Tage auf ein zweihundert jähriges Bestehen zurückblicken und hat anläßlich dieses seltenen Ereignisses: »Die Geschichte der Hallcschen Zeitung-, Landes- zettung für die Provinz Sachsen, für Anhalt und Thüringen. Eine Denkschrift aus Anlaß des 200jährigen Bestehens der Zeitung am 25. Juni 1908 von Arthur Bierbach. (IX, 168 S.) Halle a. S. 1908. Druck und Verlag von Otto Thiele (Verlag der Halleschen Zeitung), Preis 2 herausgegeben. Dieser Festschrift sind ein Faksimile der ersten Nummer vom 25. Juni 1708, sowie faksimilierte Titel seiten der Nummern vom 2. Januar 1749, 11. Mai 1797 und 10. Juli 1828 beigefügt. Die Hallesche Zeitung ist eine Schöpfung der Franckeschen Stiftungen und hat das menschenfreundliche Wirken des Waisenhauses im ganzen hundert Jahre lang un mittelbar unterstützt. Die Hallesche Zeitung stand in engen Be ziehungen zur Universität und war mit den Geschicken der Stadt und des weiteren Umkreises von Halle eng verbunden. Ihre Ge schichte hat nicht nur für das Zeitungswesen überhaupt, sondern auch für die Geschichtswissenschaft und Politik großes Interesse und hervorragende Bedeutung. Wie August Hermann Francke in den letzten Jahren des sieb zehnten Jahrhunderts neben verschiedenen von ihm ins Leben gerufenen Einrichtungen die Buchhandlung des Waisenhauses und 1702 die Ftlialbuchhandlung in Berlin errichtete, um dem Waisenhause neue Einnahmequellen zu schaffen, so ging er auch mit dem Gedanken um, in Halle eine Zeitung herauszugeben, deren erhoffte Einnahmen ebenfalls den Stiftungen zugute kommen sollten. Unterm 27. Juli 1703 erhielt Francke ein Privilegium für die zu gründende Zeitung, deren Erscheinen sich aber noch bis 1708 verzögerte. Dafür wurden jedoch vom April 1704 bis zum Dezember 1710 vom Waisenhause geschriebene Zeitungen, die »Hallische Korrespondenz-, herausgcgeben. Am 25. Juni 1708 erschien die erste gedruckte Nummer der »Höllischen Zeitungen-, deren 24. Nummer vom 18. August 1708 bereits Bücheranzeigen enthält. Die Nummer vom 13. September bringt die erste Anzeige allgemeinen Inhalts, die Mitteilung von der durch den Rat der Stadt Halle veran stalteten Lotterie -zum Behufs des neu zu erbauenden und be reits angefangenen Zucht-Hauses-. Ganz wie cs heute im Zeitungs wesen vorkommt, sieht sich die Redaktion der Halleschen Zeitung gelegentlich einmal veranlaßt, eine falsche Nachricht zu widerrufen und zugleich »dem geneigten Leser zu versichern, daß derselbe sich solcher Aufrichtigkeit ferner zu versehen haben werde, wenn wider Vermuten eine ungegründete Relation communiciret werden sollte«. In der Nummer 83 von 1724 spukt bereits die berüchtigte Seeschlange in Gestalt eines angeblich fünfzig Fuß langen Fisches. Das Erscheinen des 1729 in Halle erstmals ausgegebenen Jntelligenzblattes, das im Titel den preußischen Adler mit Wappen trug, veranlaßte auch die Hallesche Zeitung, infolge ihres Privilegiums den Adler von 1731 ab zu führen. Vom preußischen Hofe brachte die Hallesche Zeitung, wahrscheinlich wegen der Zensur, nur dürftige Nachrichten; sie schweigt über die Flucht und Gefangen schaft des Kronprinzen Friedrich, über den Tod Kaltes usw. Für die Auffassung der Aufgabe der Zeitungen bezüglich der Berichterstattung ist der Schluß einer Mitteilung in Nr. 65 der Halleschen Zeitung von 1730 bezeichnend, in dem es heißt: »Übrigens hält man es für überflüssig, mehr zu melden, sondern überläßt den allhier in großer Zahl befindlichen Fremden die Bemühung, dem Publico davon Nachricht zu erteilen-. 1742 er scheint zum ersten Male eine Anzeige mit der Überschrift »Aver tissement-, ein Ausdruck, der sich im Zeitungsdeutsch sehr lange gehalten hat. Interessant sind auch die Bemühungen der Redaktion der Halleschen Zeitung, Nachrichten für die Abteilungen der Zeitungen zu erlangen, die man heute etwa mit: -Aus der Provinz- und: »Vermischtes- bezeichnet. Durch ein gedrucktes Oktao- blatt werden nämlich am 4. August 1742 die Angehörigen der Zög linge des Pädagogiums ersucht, den Briefen an ihre in den Francke schen Anstalten befindlichen Kinder und Anverwandten auf be sonderem Zettel Nachrichten über merkwürdige Vorfälle an ihren Wohnorten oder in deren Nachbarschaft beizufügen, damit die selben in den beim Waisenhause verlegten Zeitungen veröffent licht werden könnten. Vom Juni 1748 ab erscheinen wöchentlich vier Nummern von der Halleschen Zeitung. In der ersten Nummer von 1749 werden kurze Rezensionen der bet der Zeitung einlaufenden Bücher und Schriften, hauptsächlich der akademischen und gelehrten, in Aus sicht gestellt und später auch gebracht, wobei der rezensierende Redakteur manchmal recht kräftig wird. Das der Meinungs äußerung des Lesers dienende -Eingesandt- findet sich in einem lebhaften Beispiel in der Nr. 98 von 1749. Auch poetische Er zeugnisse, allerdings sehr vereinzelt, ferner genealogische, gelehrte, kunstgeschichtliche, naturgeschichtltche Nachrichten, gesetzliche Verord nungen rc. werden von der Halleschen Zeitung gebracht. Im Sieben jährigen Kriege muß die Hallesche Zeitung 1759 und 1760 auf kurze Zeit ihr Erscheinen einstellen, da der Feind Halle in Besitz ge nommen hatte. 1768 wird das Privilegium der Halleschen Zeitung an den Kriegsrat und Postmeister Bertram abgetreten, ohne daß jedoch die königliche Bestätigung dieser Übergabe eingeholt wird. 1793 erwarb der Magister Colbatzky von den Erben des verstorbenen Postmeisters Bertram das Waisenhaus-Privilegium an der Zeitung für zweihundert Taler, wozu auch diesmal die königliche Erlaubnis nicht eingeholt wurde. Am 6. April 1800 erlangte übrigens Colbatzky ein eigenes Privilegium, während das Privilegium des Waisenhauses für erloschen erklärt wurde. 1807 wurde die Zeitung wegen der »wenig umsichtigen Haltung- Colbatzkys vorübergehend unterdrückt und dieser gefänglich eingezogen. Unter Colbatzky wurde die Zeitung ein Blatt, das mehr für die breite Masse des Volkes und nicht zum wenigsten auch für die ländliche Bevölkerung be stimmt war und durch seine volkstümliche, dem Verständnis des einfachen Mannes angepaßte Schreibweise der Zeitung eine große Verbreitung verschaffte. Infolge seiner patriotischen Haltung mußte Colbatzky aus Halle fliehen, während die Regierung des Königs JsrSme von Westfalen das Privilegium, bzw. das Recht zur Herausgabe der Halleschen Zeitung 1808 an das Waisenhaus zurückgab. Das Waisenhaus verpachtete dieses Recht an den Universitätsprofessor Tieftrunk, der von 1810 ab für je 625 Exemplare der Zeitung 365 Frcs. 25 Cts., eine ungemein hohe Summe, an das Waisenhaus zahlen mutzte. Die Versuche Tieftrunks, sich auf dem Prozeßwege von der Abgabe freizumachen, mißlangen; das Waisenhaus ist bis 1850 im Besitz des Privilegs geblieben. Von 1828 an wird die Zeitung von den Gebrüdern C.F. und C. G. Schwetschke (bis 1848 als Pächtern der Zeitung von den Francke schen Stiftungen) herausgegeben, die 1834 das Format der Zeitung vergrößerten und diese von 1835 ab täglich erscheinen ließen. In der Nr. 67 der Halleschen Zeitung vom 20. März 1848 heißt es an der Spitze des Blattes: -Die Presse ist frei! Heute zum ersten Male erscheint unser Blatt ohne Zensur!» Der Umschwung der Verhältnisse brachte für die Zeitung noch andere Veränderungen. Infolge der Preßfreiheit und der Aufhebung der Privilegien glaubte der Schwetschkesche Verlag nicht mehr an sein Pachtverhältnis zu den Franckeschen Stiftungen gebunden zu sein und stellte die Zahlung der Pachtsumme ein, wollte diesen Ausfall aber durch die Überweisung eines entsprechenden Jahres betrags ersetzen, solange es die finanziellen Verhältnisse der Zeitung gestatteten. Die Annahme des Jahresbetrags wurde jedoch vom Ministerium abgewiesen; das Waisenhaus nahm das Recht am Namen und an der Herausgabe der Zeitung für sich in Anspruch und erklärte am 1. November 1850, daß es die Zeitung von Anfang 1851 ab im eigenen Verlag erscheinen lassen werde. Demgegenüber erklärte der Schwetschkesche Verlag am 2. November 18L0, daß er mit Beginn des künftigen Jahres eine politische Zeitung herausgeben würde, die nach wie vor der Sache der deutschen Einheit und des Konsti- tutionalismus dienen und namentlich auch die Interessen der Landwirtschaft und des Gewcrbewesens in der gewohnten Weise vertreten sollte. Or. G. Schwetschke sah sich tatsächlich genötigt, den Namen seiner Zeitung zu ändern, die von 1851 ab: -Der Hallische Courier (im Schwetschkeschen Verlage), Zeitung für Stadt und Land- heißen, verschiedentlich erweitert und vor allem zweimal täglich erscheinen sollte, sonst aber ihre Tendenz nicht ändern würde. Das Waisenhaus stellte nun 927»