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7256 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 138, 18 Juni 1910. entwickeln. Der Buchhändler muß literarische und biblio graphische Kenntnisse so ausgedehnt als nur möglich besitzen und sich stets auf dem Laufenden erhalten. Kommt ein Kunde, der weder die Namen der Verleger und der Autoren, noch den genauen Titel oder den Preis kennt, so ist er nicht kurz abzuweisen, denn ein richtiger Buchhändler muß es sich zum Grundsatz machen, allen Anfragen gerecht zu werden, was ihm auch mit Hilfe des Gedächtnisses, der Praxis, der Verlags kataloge und Bibliographien oder seiner eigenen Zettel kataloge ein Leichtes sein wird. Je bestimmter sein Urteil in bezug auf Empfehlung oder Tadel lautet, desto mehr Ansehen wird er sich bei der Kundschaft erwerben. Indem der Buchhändler in dieser Weise bemüht ist, stets neue Kunden zu erwerben und sie dauernd zu erhalten, ist ec der erfolgreiche Mitarbeiter des Verlegers und nimmt tätigen Anteil an den Fortschritten der Zivilisation. 8. Zum österreichischen Handlungsgehilfengeseh. Von R. L. Prager. Im Börsenblatt Nr. 123 vom 1. Juni hat Herr Friedrich Schiller eine sehr dankenswerte und ausführliche Erläuterung des am 1. Juli in Kraft tretenden österreichischen Handlungsgehilfengssetzes gegeben. Seine Ausführungen haben für uns um so mehr Interesse, als wir dadurch in den Stand gesetzt werden, das österreichische Gesetz mit dem deutschen zu vergleichen, das den 6. Abschnitt des neuen Handelsgesetzbuchs vom 10. Mai 1897 unter der Überschrift »Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge« bildet und das dem österreichischen Gesetz wohl zum Vorbild gedient hat. Wenn ich auf diesen Aussatz des Herrn Schiller näher eingehe, so geschieht es, weil seine Erklärung eines der wich tigsten Paragraphen des Handlungsgehilfengesetzes, nämlich des Z 8, mir nicht richtig zu sein scheint. S 8 des österreichischen Handlungsgehilsengesetzes lautet: -Ist ein Dienstnehmer nach Antritt des Dienstverhält nisses durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne daß er die Verhinderung vor sätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen., Dieser Z 8 entspricht fast wörtlich dem ß 63 des deut schen Handelsgesetzbuches. Herr Schiller behauptet nun, daß dieser Gehaltsanspruch dem Handlungsgehilfen für volle sechs Wochen zustehe, wenn die Verhinderung des Gehilfen cintritt, ehe eine Kündigung erfolgt ist. Er erläutert dies durch ein Beispiel: Bei einmonatlicher Kündigung erkrankt der Dienstnehmer am 30. Januar, ihm wird am 1. Februar gekündigt; so erlischt das Dienstverhältnis zwar am 28. Februar, dagegen bleibe die Gehaltszahlungspflicht bis zum Ablauf von sechs Wochen nach dem 30. Januar bestehen. Dadurch würde die Anomalie entstehen, daß eine Gehaltszahlung auch dann zu leisten ist, wenn das Dienstverhältnis bereits er loschen ist. Diese Ansicht scheint mir durchaus unbegründet zu sein. Im tz 8 des österreichischen Handlungsgehilsengesetzes heißt es ausdrücklich: -so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen«, und Z 63 des deutschen Handelsgesetzbuches lautet fast ebenso: »so behält er seinen Anspruch auf Gehalt und Unterhalt, jedoch nicht über die Dauer von sechs Wochen hinaus«. Bei der Fassung des Z 63 des deutschen Handelsgesetz buchs kann überhaupt kein Zweifel entstehen, daß der An spruch nicht über die Dauer von sechs Wochen hinaus gelten soll, selbst wenn das Dienstverhältnis über diese sechs Wochen hinaus währt. Die österreichische Fassung ist nicht ganz so klar. Trotzdem bin ich der Meinung, daß sie nichts andres feststellen will als das deutsche Gesetz, nämlich: daß der Handlungsgehilfe höchstens auf sechs Wochen Anspruch auf Gehalt haben soll. Zum Beweise, daß ich mit meiner Ansicht über 8 63 des Deutschen Handelsgesetzbuches nicht allein stehe, führe ich Staub*) an, der in seinem Kommentar zum Handelsgesetz buch wörtlich sagt: „Eine weitere Voraussetzung ist, daß das Dienst verhältnis während der sechs Wochen noch besteht und nicht aus anderen Gründen zur Lösung kommt. Der Z 63 setzt das Bestehen des Vertrags, den vertrags mäßigen Anspruch während der sechs Wochen voraus; er stellt keineswegs den allgemeinen Satz auf, daß ein Prinzipal seinem erkrankten Gehilfen sechs Wochen lang Gehalt und Unterhalt zu gewähren habe (R.-Ger.-Entsch. in C.-S. 48, 181). Dementsprechend sagt auch die Denkschrift zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs s62): daß der Anspruch wegfällt, sobald das Dienstverhältnis endigt, verstehe sich von selbst." Ein Beispiel wird dies erläutern: Ein Handlungs gehilfe erkrankt am 1. April, die Kündigungsfrist ist die handelsgesetzlich sechswöchige, der Chef kann dem Ge hilfen also erst 6 Wochen vor dem 1. Juli kündigen. Trotz dem hat der Gehilfe, der sechs Wochen oder länger durch Krankheit an der Ausübung seiner Obliegenheiten gehindert ist, nur auf die Dauer von 6 Wochen, also in diesem Fall bis zum 15. Mai, Anspruch auf die Vergütung. Also hier erlischt das Recht aus die Vergütung schon innerhalb der Dauer des Vertrages, trotzdem dieser ordnungsgemäß erst 6 Wochen später sein Ende hätte finden sollen, freilich durch die Erkrankung ebenfalls bereits am 15. Mai sein Ende erreicht Es scheint mir also kaum denkbar, daß das österreichische Gesetz wirklich bestimmen solle, und dies geht auch aus dem Wortlaut sicher nicht hervor, daß, obwohl in dem Beispiel, das Herr Schiller angibt, das Dienstverhältnis am 28. Februar erlischt, die Gehaltszahlungspflicht bis 6 Wochen nach deni 30. Januar fortbestehen solle. Da dieser Paragraph zu den wichtigsten gehört und die Auslegung des Herrn Schiller sicher zu zahlreichen Streitig keilen zwischen Prinzipal und Gehilfen zu führen angetan ist, habe ich mich sür verpflichtet gehalten, meine abweichende Meinung auszusprechen. Aus dem Deutschen Buchgewerbehause zu Leipzig. Das Winckelmann-Werk der Kgl. Akademie für- graphische Künste und graphische Arbeiten von Max Unold-München. »Winckelmann von Goethe«, von der Leipziger Königlichen Aka demie für graphische Künste und Buchgewerbe der Universität Leipzig zum fünfhundertjährigen Jubiläum am 29. Juli 1909 überreicht, ein Werk, das nur in beschränkter Auflage gedruckt worden und nicht im Handel erschienen ist, darf in seiner Art als ein hervor ragendes Werk der Buchkunst angesehen werden. Unter der künstlerischen Leitung von Hugo Steiner-Prag und unter Mitwirkung der besten Lehrkräfte der Akademie entstanden, ist es in seiner buchgewerblichen Ausführung, wie in seinem graphischen Schmuck gleich vollendet. An dem im November 1908 begonnenen und im Juli 1909 vollendeten Werk haben sich außer Steiner-Prag beteiligt: G. Belwe mit kolorierten Titelzeichnungen, Initialen, anderem Schmuck und Porträts, während Richard Berthold die Leitung des Drucks übernommen, O. R. Bossert das Porträt Winckelmanns in *) Staubs Kommentar zum Handelsgesetzbuch. 8. Aust., be arbeitet v. H. Könige, I. Stranz, A. Pinner. 2 Bde. Berlin 1906/07, I. Guttentag, G. m. b. H. gr. 8. Bd. 1. S. !i00 (Anm. 4 zu tz 63).