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6930 Nichtamtlicher Teil. 193, 20. August 1904. Nichtamtlicher Teil. Wissenschaft und Buchhandel. Schriften, Zeitschriftenaufsätze, die kontradiktorischen Verhandlungen, die Verhandlungen zwischen dem Akademischen Schutzverein und dem Börsenverein. Gewürdigt von D. L. Präger. (Fortsetzung aus Nr. 170 u. 184 d. Bl.) Der soeben erschienene erste Band des Jahrgangs 1903 von Calwers Wirtschaftsjahr*) behandelt auf Seite 151 bis 156 die buchhändlerischen Verhältnisse. Die scharfe Zu nahme der Konkurrenz, unter der der Sortimentsbuchhandel in den letzten Jahrzehnten zu leiden hatte, und der durch die Hochschraubung des Kundenrabatts verschärft wurde, habe den Versuch des Börsenvereins gezeitigt, »wieder einmal — es war nicht das erste Mal — die Bemessung des Kunden rabatts genau zu regeln und gleichzeitig eine Herab setzung der Kundenrabattsätze selbst vorzunehmen». Es werden dann die Normen, wie sie nunmehr bestehen, abgedruckt. Die Höhe der Belastung, die durch die Herab setzung des Kundenrabatts den BUcherkäufern auferlegt wird, wird an der Hand von Stichproben untersucht. Der Direktor der Kaiserlichen Universitäts- und Landesbibliothek in Straß burg i. E. hat auf Anregung des elsaß-lothringischen Buch händlervereins ermitteln lassen, welcher Ausfall seiner Anstalt durch die Herabsetzung des Rabatts von 10 auf 5 Prozent erwachsen würde. Bei einem Jahresetat von 50 000 für Bücheranschaffungen ist dieser Ausfall auf 780 festgesetzt worden. Eine ähnliche Untersuchung bei der Heidelberger Universitäts-Bibliothek soll bei einem Budget von 22 500 einen Ausfall von 400 ^ jährlich ergeben haben. Die halbjährigen Bücherrechnungen von 15 Universitätsprofessoren, die durch eine beigefügte Tabelle veranschaulicht werden und dis Jahresbudgets von ca. 150 ^ bis 800 ^ aufweisen, ergeben jährliche Ausfälle von 6—24 ^ bei einem Rückgang von 10 auf 5 Prozent, von 4—14 ^ bei 5 auf 2 Prozent und 10—19 bei 10 aus 2 Prozent. Die großen Verschiedenheiten rühren daher, daß der Ausfall größer oder geringer wird, je mehr oder weniger Bücher und Zeitschriften bezogen werden, die auch früher nicht rabattiert worden sind. Rechnet man den Bücherbedarf aller 15 Professoren zusammen, so ergeben sich für das halbe Jahr 1758 25 H rabattfähige und 1249 ^ 85 H unrabattierte Bezüge, in Summa 3008 10 H, also jährlich 6016 ^ 20 H und ein Rabatt bei 10 Prozent von 350 bei 5 Prozent von 175 bei 2 Prozent von 70 Der Ausfall betrüge somit bei allen 15 Budgets jährlich bei Rückgang von 10 auf 5 Prozent 175 von 5 auf 2 Prozent 105 von 10 auf 2 Prozent 280 Also 15 Professoren haben zusammen einen jährlichen Mehr aufwand von 175, 105 und höchstens (bei einem Abschlag von 10 auf 2 Prozent) 280 zu leisten, wobei zu beden ken ist, daß die kleinen Budgets nur mit einer sehr geringen Summe an diesem Mehrbeträge beteiligt sind. In dem Jahres bericht wird die Belastung »zwar nicht minimal, aber doch nicht so erheblich, wie sie in den Gegenschriften gegen die Buchhändlerorganisation dargestellt wurde«, genannt. Den Bibliotheken wird gesagt, daß für sie ». . . . eine Herabsetzung des Knndenrabatts gar kein Grund zur Mißstimmung sein (kann). Wenn sie mit den Mitteln für Anschaffung von Büchern geizen müssen, so liegt die Schuld ganz wo anders als an ") Calwer, R., Das Wirtschaftsjahr 1903. Jahresberichte über den Wirtschafts- u. Arbeitsmarkt. Teil I: Handel u. Wandel in Deutschland, gr. 8". Jena, G. Fischer, 1904. der Höhe der Buchhändlerpreise«. Die Ilniverfitätsdozenten, wenigstens ein Teil von ihnen, fühlten sich von der Herab setzung des Kundenrabatts belästigt, »aber gerade sie ganz und gar mit Unrecht. Sie haben um so weniger nötig, über teuere Bücherpreise zu klagen, als die Mehrzahl aller Publikationen, die sie interessieren und auch nicht inter essieren, ihnen vielfach gratis zugehen, was wir keineswegs beanstanden wollen. Aber auf die Tatsache kann doch hin gewiesen werden. Wenn also für die Bücher, die Uni- versitätsdozeuten käuflich erwerben, ein kleiner Aufschlag stattfindet, so ist das weiter nicht schlimm.« Der Verfasser weist darauf hin, daß der größte Teil des Publikums bisher schon seine Bücher zum Ladenpreis gekauft habe. Auf buchhändlerischer Seite ist auf diese Tat sache ja ebenfalls hingewiesen worden, und hiermit sind die großen Worte Büchers von der Gefahr, mit der die Kunden rabattherabsetzung die ganze deutsche Kultur bedrohe, in ihrer Nichtigkeit dargelegt worden. Der Verfasser meint, daß die Herabsetzung des Kunden rabatts wohl wenig Staub aufgewirbelt hätte, wenn sich nicht der Akademische Schutzverein aufgetan und Bücher nicht seine Denkschrift gegen den Buchhandel veröffentlicht hätte. Es wird zugegeben, daß Bücher in dieser Streitschrift eine ganze Reihe schwacher Punkte in der Organisation der Buchhändler aufdecke, daß der temperamentvolle Ton den Verfasser aber zu offensichtlich ungerechten Wendungen ver leitet habe, und daß Bücher Behauptungen aufgestellt habe, die nicht im geringsten zutreffen. Büchers Hauptangriff richte sich gegen den Sortiments buchhandel, dem Rückständigkeit, umständliches und zu teures Arbeiten vorgeworfen wird. Die Voraussetzung aber, daß »das Publikum auch nur zu seinem größeren Teil aus eigner Initiative, ohne jede Anregung und Einwirkung von außen sich über das neue Büchermaterial auf dem laufenden halten und ohne Ansichtssendung sich zu seinen Käufen entschließen würde-, sei falsch und deshalb die Schlüsse, die Bücher aus dieser Voraussetzung zieht, unzutreffend. -Man könnte vielleicht, um das Irrige der Ausführungen zu illustrieren, auf ein andres Gebiet exemplifizieren, um dort gerade den Gegnern des Sortimentshandels in akademischen Kreisen zu zeigen, wie ungerecht sie die Verhältnisse beurteilen. Die Buchhändler könnten z. B. die Ansicht aussprechen, daß der heutige Betrieb der wissenschaftlichen Ausbildung äußerst rückständig, umständlich und zu teuer sei.« Es wird dann ausgeführt, daß man alles, was man in den Hörsälen der Universitätsdozenten höre, ebenso aus den Büchern lernen könne, die die Dozenten schreiben, es würden dann mehr Exemplare von diesen Lehrbüchern abgesetzt werden und die Studenten trotzdem billiger dabei fahren als jetzt. »Wozu also einen ganzen Stand von Universttätsprofessoren, die nicht nur sich ihre Vorlesungen honorieren lassen, sondern außerdem noch der Mehrzahl nach staatliches Gehalt beziehen, und außerdem für den Stoff ihrer Vorlesungen sich wieder ein Honorar vom Verleger bezahlen lassen. All das führt ja zu einer geradezu unerträglichen Belastung aller der Kreise, die studieren wollen.« »Es wäre traurig«, fährt der Verfasser fort, »wenn jemals gegen den hohen Wert der Vorlesungen an den Uni versitäten in dieser oder ähnlicher Weise Einspruch erhoben würde.« Dem wird jeder Buchhändler rückhaltlos zustimmen, ebenso aber auch die Tatsache in Anschlag bringen müssen, daß »bei einem gewissen Bildungsniveau die Vorlesungen in der heutigen Form entbehrlich werden könnten». Der Wert der Vorlesungen liegt ja wesentlich in der Anregung, die sie dem Studierenden geben sollen, sich mit der Wissenschaft auch