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7293 Nichtamtlicher Teil. -ik 227, 29. September 1900. Gleichzeitig rissen aber schon mancherlei Uebelstände ein, nnd schon Fischart und Philander von Sittcmalt geißeln die Sucht der Presse, falsche Gerüchte in die Welt zu bringen. Die Entstehung einer gedruckten Zeitung in Hamburg fällt in das Jahr 1616. Der Senatssekretär vr. Hagedorn in Hamburg hat in den Mitteilungen des Vereins für Ham- burgische Geschichte ein Dokument veröffentlicht, das die Entwickelungsgeschichte des Hamburger Zcitungswescns klar schildert. Der Gründer der Hamburger Zcitungspresse ist Johann Meyer, ein Frachtbestätter. Es ist also auch hier, wie an anderen Orten, die geschäftliche Korrespondenz der Anfang der Zeitung. Als Frachtbestätter — man würde heute vielleicht Kommissionär, Spediteur, Agent sagen — hatte Meyer die Verladung der Waren, die von Hamburg abgingen oder nach Hamburg kamen, zu überwachen, die Fuhrleute abzufertigen u. s. w., und stand mit den Hamburger, sowie auswärtigen Handlungshäusern in engster Verbindung. Die Geschäfts briefe der Kaufleute regten ihn zur Herausgabe einer Zeitung an, vielleicht daß ihm auch anderswo erscheinende Berichte zu Gesicht gekommen sind. Diese erschien zuerst handschrift lich, von 1616 an jedoch gedruckt, wie aus der von Hage dorn mitgeteilten, hier abgedruckten Eingabe an den Senat hervorgeht. 1630 erschien nämlich, wie auch unten weiter ausgeführt, ein Konkurrenzunternehmen, und Meyer wandte sich schutzsuchend an den Senat und schilderte in seiner Ein gabe die Anfänge seines Unternehmens. »Waßmaßen ich ungefehr vor 14 Jahren, nachdenen ich in die neun fahren bei meinem geliebten schwiegervattcrn seel, ge wesenen bestättern dieser stadt, gedienet und, Gott sei Dank, von demselben alle Wissenschaft gelernet und erlanget, bcy mir erwogen, wie daß der gütige Godt diese statt niit großer Hand lung und eorrssponclsntr vieler auslendischer Herrn und kauff- leuthen versehen undt gesegnet undt unß auß allen örttern gute gewisse kundtschafft zugeschicket würden, wir auch dieselben alleine in dieser guten stadt hinwiederumb geschrieben menniglichen comrauvwirst, wie solches E. E. Erw. Hochw. bekandt, daß unter andern deroselben nicht weiniger authorität undt ansehen bey frembdcn Nationen und benachbarten gebehren solle, wan man dieselben aävissu, so insonderheit unß anherv schriftlich hcuffig übcrfertiget würden, öffentlich in Druck außgehen und zu großer nachrichtung und ersettigung vieler Menschen begirlichkeit den selben communiciren thäte.» In der »Festschrift, herausgegeben anläßlich des siebzig jährigen Stiftungsfestes von der Innung des Hamburgischen Buchdrucker - Prinzipal - Vereins 1895«, ist die Hagedornsche Abhandlung dem Inhalte nach wiedergegeben. Wir wollen auch diese kurze Zusammenstellung unserer Skizze zu Grunde legen. Als Meyer 1616 den Druck der Zeitung beabsichtigte, wandte er sich an den Rat und bat um Genehmigung zur Herausgabe und um Schutz für sein Unternehmen. Man verhielt sich ablehnend. Meyer beabsichtigte nun, seine Zei tung in Altona, der aufblühenden Nachbarstadt, heraus zugeben. Ob dieser Umstand oder ob eine neue Supplik bewirkte, daß der Rat ihm keine weiteren Schwierigkeiten bereitete, ist nicht nachzuweisen, jedenfalls wurde ihm der Druck der Zeitung gestattet, aber gleichzeitig verlangt, daß diese einer Zensur unterworfen würde; dem Meyer sollte ein Revisor zugeordnet werden, »damit nicht etwa dieser löb lichen stadt zum Pi-Lsjuckitr etwa möchte 8pg,rgiret oder pnbli- eirst werden.» Die Zeitung erschien also 1616. Bald aber kam es zu Streitigkeiten zwischen Meyer einer- und den Hamburger Buchhändlern und Buchbindern andererseits. Es wurde ihm das Recht bestritten, seine Zeitung selbst zu vertreiben, Buch händler und Buchbinder nahmen dieses für sich in Anspruch. In einem Vergleich wurde schließlich bestimmt, daß Meyer für jede Nummer, deren Preis damals 1 Schilling betrug, drei Tage lang den alleinigen Verkauf haben sollte, dann sollten die Buchhändler und Buchbinder die Zeitung in Partiecn von hundert Stück znm Preise von neun Pfennigen für das Stück von Johann Meyer beziehen und auch ihrer seits vertreiben dürfen. Bald aber machte Johann Meyer die üble Entdeckung, daß Wiederverkäufer und Kunden die Zeitung früher er hielten, als er sie in Händen hatte. Nachforschungen er gaben, daß sein Drucker Paul Lauge die Zeitung anderen früher lieferte als ihm und das Geld in seine Tasche steckte. Der Schaden, der Meyer auf diese Weise zugefügt worden, war enorm, und um ähnlichen Vorkommnissen zu entgehen, entschloß er sich, selbst eine Druckerei anzulegen und einen Drucker anzunehmen. Neue Unkosten erwuchsen ihm dadurch: die Druckerei kam ihm über 1000 ^ Lübisch zu stehen, der Buchdrucker erhielt »mehr als zwei Reichsthaler für die Woche», und noch viele kleine Auslagen kamen hinzu. Das Erscheinen eines neuen Blattes mußte daher seine Existenz aufs äußerste bedrohen. 1630 erschien eine neue Zeitung zu Wandsbek, die der gräflich Taxissche Postmeister Hans Jakob Kleiuhans herausgab. Die Postmeister ver suchten allerorten, die Herausgabe der Zeitungen an sich zu reißen; in Frankfurt a. M. hatte seinerzeit der Postschreiber, als er ein Konkurrenzunternehmen gründete, dieses so begründet: »damit dem gemeinen Mann durch unsichere Nachrichten sein Geld nicht so unbillig abgenommen werde». In dem frühe ren Unternehmen würden »die Schreiben und Briefe auf den Gassen mit Besen zusammeugcraspelt nnd gekehrt«; dagegen kämen seinem lieben Gevatter, dem Postmeister, und ihm »die Zeitungen von allen Orten nnd Enden vor Anderen zu«; er sammle seine Nachrichten aus dem Kaiserlichen Postamte. Aehnlich wird auch Kleinhans sein Unternehmen an gekündigt haben. Er ließ übrigens seine Zeitung zuerst in Wandsbek Herstellen nnd brachte sie von dort zum Vertrieb nach Hamburg. Hierdurch umging er die Censur des Rates; er nahm alle Nachrichten auf, vhne sie zu prüfen, und be reitete bannt dem Hamburger Rat oft große Verlegenheiten. Meyer richtete nun die oben erwähnte Eingabe an den Rat, schilderte seine langjährige, mühevolle und opferwillige Arbeit und bat, dem Kleinhans den Druck und das Feil halten einer Zeitung zu verbieten, ihn dagegen »bey so lang ruhsamblich genossener libertät und großgünstig erteilter Frey- heit ferner rvannwontirsu und zu schützen.« Am 1. November 1630 kam diese Eingabe im Rat zur Verlesung; das Resultat ist nicht bekannt, anzunehmeu ist jedoch, daß der Rat Johann Meyer zu schützen versuchte, es jedoch nicht vermochte, da die Taxissche Postverwaltung das Privilegium des Zeitungsdruckes für sich in Anspruch nahm. Die Gräfin Alexandrine von Taxis machte geltend, daß ihr »die Freiheit erteilt sei, die in Hamburg ankommenden neuen Wvchenzeituugen durch ihren Postverwalter allein drucken zu lassen», und erwirkte unterm 16. Oktober 1636 auch ein Kaiserliches Mandat, durch das dem Hamburger Rat an befohlen wurde, denen, die sich den Druck der Postzeitungen angemaßt hätten, diesen Druck zu untersagen. Johann Meyer erlebte diese Verordnung nicht mehr; seiner Witwe, »der Frachtbestätterin im weißen Schwan der Börse gegenüber«, ging jedoch von Ratswegeu am 13. Februar 1637 die Weisung zu, sich des Druckes der Postzeitungcu zu enthalten; der Druck der »Wöchentlichen Zeitung« sollte ihr dagegen auch weiter gestattet sein. Diese Postzeitung hatte Meyer nach Erscheinen der Kleinhausschen »Ordent lichen Postzeitung» herausgegeben. Die Witwe stellte übrigens den Druck der Postzeitung trotz der Verfügung des Rats nicht ein; vermutlich ist sie aber bald nach 1637 eingegangen. Es bestand also von 1616—1630 die »Wöchentliche Zeitung« des Johann Meyer, von 1630—1637 daneben die »Post-Zeitung« des Johann Meyer und die »Ordentliche