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-s IS 2, IS. August. Nichtamtlicher Theil. 3231 Neuerungen scheint mir nur das — Großsortiment — zu haben. Dieses jedoch nur als Vermittler zwischen dem Gros der Verleger und dem kleinen Sortimenter. Wohl Niemand wird bestreiten wollen, daß die jährliche mühe volle und zeitraubende Abrechnung mit ca. 1000 Firmen das Schreck lichste der Schrecken für den Sortimenter ist. Wie wohl würde sich Letzterer fühlen, wenn er statt zwei star ker Contobücher, in dem fast jedes Blatt einen, oft mehrere Ver leger aufzuweisen hat, ein bescheidenes Journal führen dürfte, in welchem ca. 10 Großsortimenter und ca. 20—30 Verleger Conto haben! Vorbehaltlich mancher Abänderung und Ergänzung von Sei ten Derer, die vermöge ihrer längeren Praxis größere Erfahrung gesammelt haben, denke ich mir den Buchhandel in der Zukunft ungefähr in folgender Weise organisirt: In den Provinzialhauptstädten und in größeren Orten, die durch ihre Lage sich am besten hierzu eignen, werden diverse Groß sortimente entstehen, und zwar wird ein jedes eine specielle Wissen schaft vertreten und die bezüglichen Werke möglichst vollzählig auf Lager halten. Die Organisation der Großsortimenter unter einander müßte allerdings eine derartige sein, daß bei allen gleiche Verleger-Ori ginalpreise existiren, so daß der Kleinsortimenter nicht den geringsten Grund hat, den ihm zunächst liegenden Grossisten zu umgehen. Dem Verleger anderseits wird es nur lieb sein können, wenn er seine Werke statt in ein- und zweifacher Anzahl an 50 Firmen einer Provinz an ca. 5 Grossisten in 10—20sacher Anzahl versenden kann, um dann am Schlüsse des Jahres oder Semesters mit nur 200 statt 2000 Firmen abrechnen zu können. Der Kleinsortimenter bezieht somit seinen gesammten Bedarf hauptsächlich von den ca. 10 Grossisten, wählt gleichzeitig einen dieser Herren als Commissionär, um in einer Sendung alle Be stellungen zu erhalten. Trotzdem bleibt es dem Verleger wie Sor timenter unbenommen, in directen Verkehr zu treten, was haupt sächlich wohl dann geschehen wird, wenn der eine oder der andere ganz besondere Verwendung für ein Werk wünschenswerth hält. In diesem directen Verkehr würden beide Theile in Betreff der Circulare u. dergl. so wie so nach wie vor bleiben. Diese Ausnahmefälle stehen nun ganz und gar in eines Jeden Belieben, so daß kleine Handlungen in der That nur die ca. 10 Grossisten der ihnen zunächst liegenden Stadt in Anspruch nehmen dürften. Wenn sich für die Journale und Zeitschriften nicht ebenfalls ein Grossist speciell verwenden will, so könnte der betreffende Haupt grossist (Grossist und Commissionär) die Journale liefern. Auch hier steht directer Verkehr frei, wo Continuationen auch jetzt einen solchen als am einfachsten erscheinen lassen. Dies der ungefähre Entwurf, von dem ich wenigstens das er hoffe, daß er das Nachdenken nach dieser Seite hin anregen wird. Ich wiederhole und betone ausdrücklich, daß ich das Groß sortiment nur insofern als Fortschritt und Zukunftsgeschäft ansehe und mit Freuden begrüße, als es dem kleinen Sortimenter den größten Theil seiner mühevollen und nichts einbringenden Arbeit erspart und so Manchem ermöglicht, sein Geschäft allein resp. mit weniger Arbeitskraft zu versehen. Während er bei der jetzigen Organisation genöthigt ist, einen jungen Mann extra zu diesen zeitraubenden Arbeiten anzustellen, kann er die Ersparung dieses Gehaltes als Verdienst aus der vereinfachten Organisation in seine Tasche fließen lassen und somit manche gerechtfertigte Klage unterdrücken! Thorn, August 1878. Walter Lambeck. Altes und Neues aus den Gchilfcnkrriscn. I. Zur Geschichte der Noth und Reform im Buchhandel sind innerhalb Jahresfrist von allen Seiten so mannigfache Beiträge ge liefert worden, daß daraus ein recht anständiger Band zusammen gestellt werden könnte, zu dem sich allerdings wohl kein Verleger finden wird, weil der Inhalt doch eine gar zu unerquickliche Lectüre bildet. Was nun von dem zusammengetragenen schätzbaren Mate rial für die Geschichte des gegenwärtigen Buchhandels verwerthbar sein mag, das zu beurtheilen, bleibt kritischer Sichtung überlassen. Jedenfalls findet sich unter dem massenhaft angehäuften Stoffe viel Werthloses, öfter als einmal vermuthet man wohl nicht ganz mit Unrecht hinter dem scheinbaren Eifer, dem Ganzen zu dienen, klein liche Lust zur Angeberei und Krittelsucht. Einen sehr gemischten Eindruck macht mindestens die Sammlung der einzelnen Fälle, in welchen die und die Handlung hier oder dort dem oder jenem Kun den einen besonders hohen Rabatt gewährt hat, und dies womöglich in einem Augenblicke, während dessen der Herr College ahnungslos seine Milchsemmel verzehrte. Zu Zeiten gewisser Begriffsverwirrung, d. h. in einer Zeit, in welcher über dem Eifer, Thatbestände zu finden, der Begriff des eigentlichen ckcüus abhanden kommt, ist denn ein Aufsatz wie der jenige des Hrn. U. K. in Nr. 182 d. Bl. sehr am Platze. Ein Blick in die buchhändlerische Geschichte nur dieses Jahrhunderts lehrt auch die Richtigkeit der Behauptung des Verfassers, daß der Kampf gegen Schleuderei und die Sucht nach durchgreifender Reform schon verhältnismäßig alte Thatsachen sind. Wenn er nach den Uebeln sucht, an denen der Sortimentsbuchhandel der Jetztzeit krankt, so sollte er ein Hauptübel nicht übersehen. Soweit ich die zur „Lite ratur" angeschwollenen „Beiträge" zur Reform des Buchhandels habe übersehen können, ist immer mehr die Folge als die Ursache ge rügt worden. Und ich meine, daß der Buchhandel, namentlich der Sortiments-Buchhandel, wenn er nicht bloß für die Gegenwart, son dern auch für die Zukunft reformiren will, wohl thut, neben der Prüfung äußerer Umstände auch entsprechende Selbstprüfung zu übe». Man jammert über die „kaninchenhafte" Vermehrung der „Collegen", scheint aber nicht zu bedenken, daß dieselbe, wenigstens zum großen Theile, eine einfache Folge der bis ins Ungeheuerliche gehenden Lehrlingszucht ist. Daß Jungen von nicht einmal mittel mäßiger Elementarbildung, die — ich rede von einem vorliegenden Falle — nicht einmal das Wort „Bibel" richtig zu schreiben ver mögen, zur buchhändlerischen Laufbahn dressirt werden, während sie für die einfachsten Handwerkerarbeiten kaum Intelligenz genug besitzen, ist nicht gerade etwas Ungewöhnliches. Man sage nicht etwa, daß gerade oder nur kleine Handlungen der artige Subjecte züchten — im Gegentheil. Eben einer klein städtischen Handlung, welche sich einen Gehilfen sparen muh, liegt sehr daran, muß wenigstens daran liegen, sich einen bald braucharen Mitarbeiter zu erziehen. Dagegen geht die Lehrlingshecke bei manchen gut situirten Geschäften ins Große. Es gibt sehr bekannte und gut angeschriebene Firmen im deutschen Buchhandel — Firmen, denen es auch keineswegs schwer werden würde, zwei Gehilfen zu besolden, welchen der buchhändlerische Witz einen unveränderlichen Besitzstand von 7/6 „Stiften" nachrühmt. Diese Herren sind im Grunde die eigentlichen Vertreter des ver rufenen Grundsatzes „billig und schlecht", und des Pompadour'schen Wortes: „Nach uns die Sündfluth", denn in den meisten Fällen entspricht die Ausbildung dem Besitze an geistiger und sittlicher Kraft, welchen der angehende Literaturträger mit in die Lehre bringt. Die in ungenügender Schule großgezogenen billigen, aber schlechten Arbeitskräfte verleiden dem besseren Theile der Gehilfenschaft Brot und Ansehen, sie sind das nomadisirende 440*