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8494 B-rsenblatt f. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 102, 3. Mai 1912. einen Ersatz nicht erlangen kann, wie z. B. bei der Post, die einen Ersatz für Schäden infolge Telegrammverstümmelung usw. ab lehnt. Die nachfolgende Reichsgerichtsentscheidung zeigt als Erläuterung hierzu einen Fall, in dem ein Beamter wegen Versäumnis rechtzeitiger Telegrammübermittelung haftbar ge macht worden ist. Der Kaufmann P. wandte sich, um einer drohenden Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung vorzu beugen, an seine Schwester in Gronau und bat um tele- graphische Geldanweisung. Die Schwester sandte daraufhin am 8. April 1910 800 ^ telegraphisch nach Minden. Die Sendung ging dabei über Hannover, wo der Telegraphenbeamte Pr. funk- tionierte. Da dieser das Telegramm nicht ordnungsmäßig expe- dierte, erlitt das Telegramm bzw. die Geldbestellung eine Ver- zögerung, so daß die Sendung viel später als am 8. April nach- mittags 2 Uhr in Minden ankam. Der Kaufmann P. behauptet nun, daß durch eine rechtzeitige Bestellung des Telegramms die Versteigerung noch hätte inhibiert werden können. Er klagte deshalb gegen den Telegraphenbeamten auf Schadenersatz auf Grund des § 839 BGB. Der Anspruch wurde von beiden Instanzen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Beklagte, der übrigens disziplinarisch von seiner Behörde bestraft wurde, wies darauf hin, daß die Post selbst einen Schaden ersatz ablehne, diese Beschränkung jedoch nicht wieder durch seine Haftung erweitert werden könne. Das Oberlandesgericht Celle gab jedoch dem Klageantrag, wie oben gesagt, statt, indem es u. a. ausführte, daß der Beklagte in der Tat seine Amtspflicht verletzt und dem Kläger einen Schaden zugefügt habe. Auf andere Weise als vom Beklagten könne der Kläger nun keinen Ersatz erlangen. Mit Recht weise deshalb die erste Instanz darauf hin, daß der Be klagte dem Kläger gegenüber aus seiner Amtspflicht hafte und der Anspruch deshalb nach § 839 BGB. gerechtfertigt sei. Die öffentliche Telegraphie diene dem Interesse der am telegraphischen Verkehr be teiligten Personen. Dem Kläger wie dem Absender hafte also der Beklagte, da er beiden gegenüber die Amtspflicht gehabt habe, das Telegramm weiter zu befördern. Wenn der Beklagte ein- wende, daß nur unmittelbar durch Vertrag eine Haftung be gründet werden könne, so sei dies unrichtig. Die Fragen, welche Schadenersatzansprüche durch Vertrag begründet seien, und welche durch die Haftung des Beamten aus feiner Amtspflicht, haben grundsätzlich nichts miteinander zu tun. — Auch die Revision, die der Beklagte schließlich noch einlegte, hatte keinen Erfolg. Das Reichsgericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen, indem es die Revision als unbegründet zurückwies. (Aktenzeichen: HI 384/11.) Die ne«en Briefmarke« für de« australische« V»ud. — Die neuen Briefmarken, die für den australischen Bund ausge geben werden sollen, während bisher nur die einzelnen Staaten Marken besaßen, sind im Entwurf fertiggestellt; sie stammen von dem australischen Künstler B. Uoung. Die Markenbilder stellen typische Szenen aus dem australischen Leben dar, insbesondere aus dem australischen Busch; auch die typischen australischen Tiere, namentlich das Känguruh, die schwarzen Schwäne usw. finden sich wiedergegeben. «ereluiate Staate« vo« Amerika. Zollt arif- entscheidungen. — Sogenannte wsäckins booke, boo^8 und andere Bücher zum Aufzeichnen von Begebenheiten, kleine Bücher, deren Blätter vom Buchbinder fest geheftet und in Buchdeckel gebunden sind, werden nicht als »Büchelchen« nach 8 4i2 des Tarifs mit 7 Cent für 1 Pfund, sondern als Bücher nach § 416 mit 26 v. H. des Wertes verzollt. Der de«tsche Verband Ka«fmäu«ischer Vereine hält seine diesjährige Tagung am 19. und 20. Mai im Reichstagsgebäude in Berlin ab. Kongreß der deutschen Bereinig««g für Krüppelfürsorge. — In der Pfingstwoche findet unter dem Vorsitze von Professor vr. F. Lange in München im alten Rathaussaale in Berlin der 2. Kongreß der deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge statt. An Vorträgen sind u. a. in Aussicht genommen: vn. Bade- Hannover: »Krüppelsürsorge und Rassenhygiene«, Professor Biesalski-Berlin: »Was ist durch die Bewegung der Krüppel fürsorge in den letzten 10 Jahren erreicht worden?«, Geh. Ober medizinalrat Professor vr. Dietrich-Berlin: »Wie richtet man die Krüppelfürsorge ein?«, Direktor Erhard-München: »Das bayrische Königshaus und seine Fürsorge für die krüppelhaften Kinder«, Professor Lange-Münchenr »Wie weit kann heute die Zahl der Krüppel durch eine rechtzeitige Behandlung vermindert werden?«, vr. Leonhard Rosenfeld-Nürnberg: »Welche Kosten macht die Krüppelfürsorge?«, Inspektor Würtz-Berlin: »Das künstlerische Element in Unterricht und Ausbildung der Krüppel«. «i« internationaler Kongreß für vergleiche«^ Patho logie wird auf Anregung der Gesellschaft für vergleichende Patho logie vom 17.—23. Oktober in Paris stattfinden. Vorsitzender des Organifationskomitees ist Professor Roger, Sekretär I)r. Garnier. Ka«tate-Abrechuu«g» — Wie uns das Bankhaus Hammer L Schmidt in Leipzig mitteilt, wird es gleich den anderen durch die Geschäftsstelle des B -V. in Nr. 98 bekanntgegebenen Bankfirmen (s. S. 6274) seine Kassen und Buchhaltereien am 6. Mai bereits um 8 Uhr öffnen. Ne»e Bücher. Kataloge »f>». für VmchhLndler: Duncker, Dora, Bergeholz Söhne. Roman. 8°. 318 S. Berlin 1912, Verlag von Gebrüder Paetel (vr. Georg Paetel). Preis 5 geb. 6 ^l. Ein Buchhändler-Roman aus der Feder der Tochter eines Buchhändlers. Sprechsaal. Heimliche Schleuderet. Das hiesige .... Seminar beabsichtigte den bei Sijthoff in Leiden erscheinenden lalmuck vLb^Ionieaw (700 ord.) anzu schaffen und erhielt auch den dazu nötigen Extrafonds bewilligt. In der bis zur Bewilligung dieser Mittel verstrichenen Zeit ging eine Offerte der Firma X in Leipzig (ich betone ausdrücklich, daß die hier in Frage kommenden Firmen mir namentlich bekannt sind) ein, die sich erbot, den Kodex mit 10A Rabatt zu liefern. Schon wollte der Leiter des Seminars diese Offerte annehmen, als ihm ein Bibliothekar der hiesigen Stadtbibliothek mitteilte, daß dieser ein Angebot der Firma X in Leipzig auf Lieferung eben desselben Kodex mit 16A zugegangen sei. Auf eine Anfrage erklärte X sofort, was X könne, könne er auch, und erhielt darauf die Lieferung mit 15A zugewiesen. Sie ist am 26. April 1912 — am Tage der Ausgabe des Werkes — ausgeführt worden. Der Vorfall ist mir gestern von dem Leiter des Seminars erzählt worden in einer Weise, die jeden Zweifel ausschließt. Beide Firmen, X sowohl wie X, sind Mitglieder des Börsen vereins, beide haben wissentlich auf das schwerste gegen Treu und Glauben gefrevelt, beide aber gelten auch für außergewöhn lich rührige Firmen. Bezieht sich etwa diese Rührigkeit auch auf das sicher nicht sonderlich feststehende Gewissen? Es ist naturgemäß schwer, im Verkehr mit Bibliotheken schriftliche Beweise beizubringen. Zweck dieser Zeilen ist es, an zuregen, ob nicht in besonders eklatanten Fällen, wie dem vor liegenden, auch andere als schriftliche Beweise für vollgültig er achtet werden dürfen. Die heimliche Schleuderei, ob sie nun den ge nannten Kodex statt für X 700.— für 595.— oder Sachs-Villatte statt für 16.— für 12.60 liefert, ist ein Krebsschaden nicht nur am materiellen, sondern auch am geistigen und sittlichen Wohl des Buchhandels, schwerer wiegend in jeder Hinsicht als die in letzter Zeit häufig und oft auch mit Recht zu sehr gewichtigen Be denken Anlaß gebende Ausbreitung der Verlegerschleuderei. Je berechtigter aber die Klagen des Sortiments über diesen neu einreißenden Mißbrauch werden, um so ernster und rücksichts loser sollte das Sortiment den gewissenlosen Elementen, die es in feiner eigenen Mitte birgt, entgegentreten. Breslau, den 30. April 1912. Ewald Wellmann.