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5450 Börsenblatt f. b. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 102. 3. Mai 1912. brauch ist sie durch ihre starke Vertikalität vielleicht zu flim mernd. Doch soll dieser landläufige Einwand mit aller Ein schränkung erhoben werden. Ist es doch eine Tatsache, datz die Gewohnheit die anfänglich schwieligst zu lesenden Schriften sich einbürgern läßt. Die Versalien sind noch etwas zaghaft in der Formgebung, zu wenig ausgebildet. Aber als Ganzes ist die Schrift eine vorzügliche Leistung, besonders wenn man die Zeit ihres Entstehens ins Auge faßt. Ebenhier ist als eine andere, sich eng an überkommene Formen anlehnende Type die »Walthari« von Heinz König zu nennen, mehr Schwabacher Charakters und, an alten Schriften gemessen, etwas zu weitgehend in bezug aus Schnör kel und Weichheiten. Sie läßt Kraft und Härten der alten Schriften vermissen und ist nicht mit gleichem Glück ins Mo derne umgesetzt wie Hupps Schöpfung. Bemerkenswert ist sie als eine der ersten Schriften der nachmals so verdienstvollen Rudhardschen Gießerei der Gebrüder Klingspor, zu deren bahnbrechenden Taten wir gleich gelangen werden. Vorher bliebe noch übrig, eine andere Schrift Heinz Königs, die »Römische Antiqua« von Gentzsch L Heyse zu er wähnen, die besonders durch den edlen Schnitt ihrer Ver salien sich hervorhebt, die bewährten Vorbildern entnommen sind. Sie wurde zu den besten Antiquadrucken des zur Neige gehenden Jahrhunderts verwandt und behauptet auch jetzt noch neben den modernen Neuschnitten der Antiqua ihren Platz. wort aufgefaßt, jetzt allmählich seine gerechte historische Würdi gung findet. Interessant ist es, an den Buchtiteln, die Eckmann vor dem Entstehen der Schrift zeichnete, ihr allmähliches Werden zu verfolgen. Die Bücher des Fischerschen Verlages, Ger- hart Hauptmanns damals erstanfgefllhrte Werke, frühe Aus gaben von Hofmannsihal hat er in seiner leichten, mühelosen Art mit Einbänden geschmückt. Mit dem Titelblatt der Woche ist eines dieser Werke noch bis heute unter uns lebendig ge- blieben. Als Buchschrift ist seine Type wenig zur Verwendung gelangt. Als Akzidenzschrift fand sic eine beispiellose Ver breitung. Sie begründete nicht nur den Ruhm der aus- führenden Gießerei, sondern gab auch den Anstoß zu einem Aufschwung des ganzen Gewerbes aus seiner Lethargie. Sie war das Signal für all die neuen Versuche, bei denen der Künstler wieder als bestimmender Faktor hcrangezogen wurde und denen wir die Neublllte der Schriftkunst verdanken, mit der sich diese Abhandlung vorwiegend beschäftigen soll. Kennzeichnend ist schon der Umstand, datz bei der Heraus gabe dieser Schrift zum ersten Male der Künstlername mit in die Wagschale geworfen wurde, eine Praxis, die in der Folge überall da die Regel geworden ist, wo die Verantwortung für eine künstlerische Aufgabe mit der Persönlichkeit zu decken war. Im Anschluß an die Eckmannschrift wäre noch einer Type Der veränderte Pulsschlag modernen Lebens klingt zum! Erwähnung zu tun, die in mancher Hinsicht ähnlichen Ein erstenmal rein und von Überlieferungen unbeeinflußt in einer! flössen ihre Form verdankt. Es ist das die »Grasset - Schrift mit, die eine markante Periode unseres neuesten 'Antiqua« von Gentzsch L Hehse. Von einem französischen Kunstlebens kennzeichnet und einem Künstler ihr Entstehen! Künstler entworfen, der die erwähnte internationale Kunst- verdankt, dessen Persönlichkeit nicht forlzudenken ist, wenn man! anschauung gleichsam an der Quelle in sich aufnahm, hat sie et- das Bild dieser Zeit aufzeichnen wollte: Die »E ck m a nn-! was, nur ein ganzWeniges, von der japanischen Pinselführung. schrist« der Rudhardschen Gießerei (Gebr. Klingspor) gibt sich ganz bewußt als etwas Neues. Einflüsse der damals vom Japonismus berührten internationalen Kunst machen sich an ihr geltend. Die Schrift ist gleich der japanischen mit dem Pinsel geschrieben, während unsere Schriften auf der Tra dition des Federstils beruhen. Dieser Umstand galt dem Künstler wenig, da es nach seiner Ansicht für einen in Stahl zu schneidenden Stempel gleichgültig war, ob er der Feder oder dem Pinsel seinen Entwurf verdankte. Auch solche über Die strengen Formen der Antiqua sind abgerundet, die Härten verwischt, Umstände, die nur denen als Vorzug erscheinen, die nicht gewillt sind, klassische Formüberlieferungen als unantast bar zu betrachten. Die Schrift ist, abgesehen davon, die Schöpfung eines Künstlers, aus einem Guß und für manche Literatur, vorzüglich für französische Lyrik der Dekadenz, kein ungeeignetes Medium. Mit aller Halbheit der Form macht die »Behrens- Schrift« ein Ende, die um die Jahrhundertwende herausge triebene Bevorzugung einer in diesem Fall obendrein unange- > bracht wurde und zwar wieder von der Rndhardschen Gießerei, brachten Materialsprache gegenüber den höheren Forderungen der reinen in sich selbst Zweck bergenden Form ist typisch für die Auffassung der Zeit. Bewunderungswürdig ist es nur, wie Eckmann die Aufgabe bewältigte, aus persönlicher An schauung heraus nach eigens für seine Aufgabe gefundenen Gesetzen eine ganze Schrift, Buchstaben um Buchstaben zu durchdringen, bis etwas Neues und in seiner Art vollkommen Einheitliches fertig dastand. War doch, abgesehen von den tech nischen Bedingtheiten, noch die Absicht dabei vorherrschend, Fraktur- und Antiquasormen miteinander zu verknüpfen und einen aus beiden Schriftarten gewonnenen neuen TYP zu schaffen, der berufen sein sollte, die alten abzulösen und die Streitfrage »Antiqua oder Fraktur« gänzlich auszuschalten. Eine solche Umwälzung vollbringen konnte nun dieser kecke, auf ungenügender Kenntnis der Überlieferung süßende Versuch allerdings nicht, dem die Einsicht abging, datz nur in der Erhaltung der reinen Art Keime zu gesunder Fortentwicke lung liegen. Die Zeit hat ihn auch bald wie alle jene Formen abgelehnt, die, aus einer Künstlerlaune entsprungen, nur an ders sein wollen als alles bisher Dagewcsene. So ist diese Schrift nicht nur ein eigenartiges Denkmal für den leider zu früh dahingeschiedenen feinfühlenden Künstler geworden, son dern darüber hinaus, ein Merkmal ihrer Zeit, der typische auf wenige Schriftformeln abgekürzte Ausdruck jener Kunstepoche, die sich noch bei ihren Lebzeiten den Namen »Jugendstil« er kor, der, erst als empfehlende Bezeichnung, dann als Schmäh die sich von jetzt an nach ihren Besitzern »Gebr. Klingspor« nennt. In aller Erinnerung lebt aus dieser Zeit das Interesse, das damals der Darmstädter Kiinstlerkolonie entgegengebracht wurde. »Ein Dokument deutscher Kunst«, diese stolze Losung wurde der Ausstellung von Arbeiten einer zusammenberufenen höchst ungleichartigen Künstlerschar auf die Fahne geschrieben. Ob sie die darauf gesetzten Erwartungen erfüllt hat und es wirklich geworden ist, mag hier dahingestellt bleiben. Die Schrift, die jener Periode und dem Enthusiasmus ihres Kunst willens ihre Entstehung verdankt, ist jedenfalls ein Dokument deutscher Kunst geworden. Hier ist mit allen künstlichen Vor stellungen aufgeräumt. Die Type ist durchaus mit der Feder entworfen, glücklich in den Formen so vereinfacht, daß ihr Schnitt sich als etwas Selbstverständliches ergab, und mit Ent schiedenheit auf die Tradition der deutschen Schrift gestellt. Sie vermeidet mit Konsequenz alles überflüssige und Schnörkel hafte und behält von den bekannten Formen nur das bei, was noch modern und brauchbar anmutet. In dieser Vereinfachung geht sie sogar etwas sehr weit, so datz ihr von vielen Seiten der Vorwurf der Kälte und Starrheit nicht erspart blieb. Es liegt eben etwas in ihr von dem Ungestüm der Zeit, die sich nicht genug darin tun konnte, den alten Ballast über Bord zu werfen. Die Vereinfachungen an der Schrift gehen, bewußt oder unbewußt, auch schon auf das Ideal der Antike hin und prophezeien die spätere Entwickelung des Künstlers. Die Zeitvorstellung von der Ablösung der Fraktur und Antiqua