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10, 23. Januar. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 161 Die sicherste Anwartschaft, gehörig verbreitet zu werden, welche jedes Buch bei seiner Geburt wie ein Pathengcschcnk empfängt, oder sagen wir, um nicht mißverstanden zu werden, welche die Bücher bei ihrem Erscheinen besitzen, liegt darin, daß die Bücher nicht auf dieBuchhändler, wohl aber die Buchhänd ler auf die Bücher warten. Sind die buchhändlerischen Geschäfte so bedeutend, daß jene Lockung zum Verkauf durch Ansichtssen dungen in ihrem Ertrage gemißt werden kann, ist der aus ihnen stammende Gewinn auf einem anderen Wege zu ersetzen; endlich ist das Material, welches einem gebildeten Publicum vorgelegt werden kann, so groß, daß im Allgemeinen das Einzelne, wenn es einmal vorhanden ist, entbehrt werden kann; frei lich für ein einzelnes Buch braucht sich der Buchhändler, selbst wenn es den Neigungen seiner Kunden entspräche, nicht zu verwenden, wenn es sein Vergnügen einmal so ist. Beginnt er aber für manche oder viele Bücher, die für seine Kunden eine oder einige Bedeutung haben, sich nicht mehr zu verwenden, d- h. sie nicht mehr zu verschicken, so wird er sehr bald eine Einbuße an Absatz und Gewinn nicht nur, sondern auch an Kunden erleiden. WaS er unterläßt, das thut der lauernde Eon current. EinjederMangelan Verwendung da,wo sie nach der Na tur des Geschäfts angebracht wäre, schadet, wenn nicht gleichartige Bücher vorhanden sind, zwischen denen eine freie Wahl möglich ist. Es bleibt der Kreis einer jeden Buchhandlung ein immerhin beschränkter, er ist schwer auszudehnen, aus ihm ist der größt möglichste Gewinn zu ziehen, daneben aber kann der Buchhänd ler das Material, welches sich zum Absatz darbietet, selbständig nicht erweitern, es wird ihm von außen gegeben, und jedes einzelne Buch ist eine besondere Waare für sich, mit ihren besonderen Liebhabern. Ein Unsinn wäre es, einem Kunden, der sich für Spargel zucht interessirt, ein über dieselbe neu erschienenes Werk nicht zu senden zu wollen, weil Verleger, Bezugsbedingungen oder sonst etwas nicht gefallen. Was aber bei Spargelzucht noch allenfalls möglich war, das ist bei Euripides unmöglich. Was hier gesagt ist, ist nicht gesagt worden, um den Einfluß des Buchhändlers und die Wichtigkeit seiner Verwendung zu läugnen oder zu verkleinern. Es sollen Einfluß und Bedeutung der Verwendung vielmehr in gelegentlicher Fortsetzung dieser Zei len erörtert werden. Nur nicht seltener Ueberhebung gegenüber sollten diese Gedanken, wenn auch nach dem Gebote der Zeit und des Raumes lediglich in Andeutung, ausgesprochen werden, durch sie sollte auf die Grenzen hingewiesen werden, die gezogen sind, und die weder der Einzelne, noch die Einzelnen willkürlich ver engern oder erweitern können. 1.x. L. Klo. Prof. vr. Kuntze's Vorlesungen. I. Leipzig, 19. Jan. Herr Prof. Kuntze hat von dem hie sigen Buchhandlungsgehilfen-Verein den Auftrag erhalten, einige Vorlesungen über b u ch händlc rijsche Rechtsverhältnisse zu halten. Die gestrige erste Vorlesung!, die im kleinen Börsen saale vor einem sehr zahlreichen Zuhörerkceise stattfand, verbrei tete sich zur Einleitung ziemlich allgemein) gehalten über Stel lung und Recht des Buchhandels. Unter Hinweis auf die wissenschaftliche Intelligenz als den Grundzug unserer Zeit begann derRedner miteinigen allgemeinen Andeutungen über die Aufgabe und Entstehung des Rechts, in dem er von den Rechtsbüchern des Mittelalters, welche sich selbst Spiegel (Sachsenspiegel, Deutschenspiegel, Schwabenspiegel) uannrcn, ausging und die beiden Rechtsquellen: Volksüberzeu gung und Gesetzgebungmic den zwei Stufen der (epischen)Volks- dichrung und der Kunstpocsie verglich. Unser heutiger Rechtsbe stand, so fuhr er fort, zeigt ein doppeltes Element: ein fremdes (antikes) und ein einheimisches (germanisches), welche in den mehreren auf einander folgenden Wirthschaftsepochen eine ver schiedene Rolle gespielt haben: in der ersten Epoche, wo die Na- turalwirthschaft herrschte und die Gesellschaft auf dem Grundbesitz basirt war, hatte das einheimische Rechtselement dieSuprematie; in der zweiten Epoche, charakterisirt durch die wachsende Bedeu tung des beweglichen Vermögens und insbesondere des Geldes, durch das Städtewesen und Bürgerthum, gewann das recipirte römische Recht das Uebergewicht; dieses Recht war eineZeit lang fast das einzige den Deutschen gemeinsame Besitzthum in der zu nehmenden Zersplitterung, und es kam mit seinen Vorzügen ge rade den besonderen Bedürfnissen des damaligen bürgerlichen Mobiliarverkehrs entgegen. In der dritten Epoche, in welcher wir dermalen stehen, und welche sich als die der Ereditwirthschaft und der kaufmännischen Speculation bezeichnen läßt, sind das römische und das einheimische Element ins Gleichgewicht gekommen und aus ihrer schon in den norditalienischen Republiken des Mittel alters anhebendenVerschmelzung sind dieJnstiluke des modernen Handelsrechts hervorgcgangen. Dem römischen Recht verdanken wir die Grundidee des Privatrechls, welche dem Umkreis desPri- vatwillcns gegenüber den Ueber- und Eingriffen des Gemeinwe sens, desStaates, eine rechtliche Garantie gibt; dem germanischen Rechtsgefühl ist der Zug der Genoffcnschafrlichkeit entsprungen, welcher, wenn auch abgeschwächt, die.Organisation des heurigen Handels, besonders auch des deutschen B u ch ha n d e l s beherrscht und in manchen unmittelbar praktischen Eonsequenzen Ausdruck findet (z. B. Allgem. Deutsch. 'Handelsgesetzbuch Art. 319. 323. 347. — 280. 281. — 352. — 282.). — Wie einst das Lehnswesen, so ist jetzt der Merkantilismus die wirthschaftliche Signatur der Zeit; er erobert sich ein Gebiet nach dem an deren, Landwirlhschaft, Gcwerbfleiß, Staatsleben fügen sich ihm mehr oder weniger und nehmen wenigstens die Formen kauf männischen Wesens an, und innerhalb seines wachsenden Rei ches trachtet er nach Nivellirung; auch im deutschen Buchhandel macht sich eine Neigung nach merkantiler Assimilirung geltend. Aber es scheint, daß dieser Uebergang in die volle Strömung des gewöhnlichen Waarenhandels Gefahren für den deutschen Buch handel haben würde, denn er hat "seine besondere Aufgabe für den Geist unserer Nation, er nimmt Theil an dem Rubm der Deutschen, eine Nation von Denker« zu sein, und er hat selbständige Lebens- und Aeugungskraft bewiesen, indem er wesentlich mitgearbeitet hat an der Hcrvorbringung eines ganzen. Systems moderner Rechtsanschauungen in dem Urheberrecht oder literarisch-artistischen Eigenkhum,welchesdas Vorbild des Muster- und Patentschutzes ist. Manche dieser Triebkräfte des deutschen Buchhandels könnten durch seine Meccantilisirung in Frage ge stellt werden. — Der Redner schloß mit einer Uebersicht derjeni gen Stücke unserer heutigen dundes- und particularrechklichen Gesetzgebung, auf welchen das buchhändlerischc Recht vornehm lich beruht, indem er über Geschichte, Plan und inneren Werth des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs jcinige kurze Be merkungen einfließcn ließ. Die nächste Vorlesung, deren im Ganzen fünf in vierzehn tägigen Zwischenräumen stattsinden sollen, wird das Verhältniß zwischen Prinzipal und Personal behandeln. MiSckllen. Ein von E. M. O e t ri n g er Unterzeichneter Artikel in den „Dresdner Nachrichten" über das tieferschütternde Ereigniß in Friedberg schließt mir dem nachstehenden frivolen Ausfall gegen