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Börsettblalt f. d. Dtschn. Buchhandel Redaktioneller L-il. .<k ÄS. 2-. Dezenwer isiü. Stoff zu weiterer Vergrößerung feiner Sammlungen an Hand schriften schwäbischer Dichter ausgehen wird. Auch einen An klang an den Weltkrieg hört man aus Güntters warmherzigem Artikel heraus: das 1878 in Marbach errichtete Schillerdenkmal ist aus dem Metall eroberter französischer Geschütze. Viel Litera risches bieten auch die beiden nachfolgenden Artikel, für das Theater von Rudolf Krauß, für Musil von Alexander Eisenmann bearbeitet; aus dem letzteren erfahren wir auch, daß Stuttgart 1910. nach dem Vorgang Münchens, die zweite musikalische Volis- bibliothek in Deutschland erhalten hat. In dem Abschnitt »Das Kunstgewerbe in Württemberg« kommt Gustav E. Pazaurek auch auf die Buchkunst und die damit zusammenhängende Gebrauchsgraphik zu sprechen. »Vor einem Vierteljahrhundert«, heißt es darin, »bildeten die .Prachtwerke' den größten Stolz des Büchermarktes, namentlich die Klasfiker- ,Prachtausgaben' in den großen Formaten, mit den aus dem Texte herausfallenden Holzstichen, in reich gepreßten Renaissance- Verlagsbänden. Es ist doch merkwürdig, wie rasch solche Folian ten aus allen guten Familienbüchereien wieder verschwunden sind und wie billig sie das Antiquariat heutzutage anbietet. . . Besonders beliebt war in der ganzen Gebrauchsgraphik der stereo type Diplomstil; aber nicht nur die Ehrenurkunde, auch der Buch umschlag, ja selbst bas Plakat zeigte sich nur zu gern in dieser Form. Künstler waren dabei überflüssig; die Hauslithographen besorgten dergleichen meist nach Schema k. übrigens hätte ein guter Künstler schon recht hungern müssen, wenn er sich halb verstohlen herablassen sollte, solche untergeordnete Arbeiten zu übernehmen.« Diesem grau in grau gemalten Bilde, das wir Buchhändler unmöglich als berechtigt anerkennen können, stellt Pazaurek dann ein in hellsten Farben leuchtendes Bild von heute gegenüber: »In Schriftsatz, flächig eingefllgtem Buchschmuck, Druck, Vorsatzpapier und Einband glänzende, einwandfreie, gut zusammengestimmte Leistungen, die jeden Bibliophilen ent zücken, obwohl ihre Preise verhältnismäßig recht bescheiden ge nannt werden können; Umschlag und Verlegerband von geschul ten Sonderkünstlern entworfen; überall vorzügliche, auch farbige Illustrationen, die nichts als Illustrationen sein wollen« . . . usw. Pazaurek bezeugt dem Stuttgarter Buchhandel und den graphischen Anstalten, daß sie sich den Forderungen der Zeit gern unterworfen haben, und daß außer dem Stuttgarter Buchhandel auch Tübingen, Heilbronn, Ulm usw. seither manches geschmack volle Buch herausgebracht haben. Weiter betont er die Verdienste der neuen Stuttgarter Kunstgewerbeschule um die Pflege der Graphik, würdigt die Tätigkeit des nunmehr nach Frankfurt a. M. llbergesiedelten I. V. Cissarz (von dem auch der Einband des Jubiläumsbuchs entworfen ist) und seiner zahlreichen, mit Na men aufgeführten Schüler und führt aus, daß auch die Plakat kunst in Stuttgart mit gutem Erfolge von namhaften Künstlern gepflegt wird. »Dem scheidenden Cissarz« hat I. F. Häuselmann s. Zt. im Neuen Tagblatt einen umfangreichen Gedenkartikel gewidmet, der zahlreiche Arbeiten von ihm für den Stuttgarter Verlag auf zählt. Zehn Jahre hat Cissarz hier geweilt. Ob es dem Künstler, der so lange Jahre als Buchgewerbler tätig war, möglich sein wird, das alte Arbeitsfeld ganz im Stich zu lassen, muß die Zeit lehren — hoffentlich nicht. Noch einmal wird in dem Jubiläumsbande der Buchhandel im Abschnitt »Industrie und Handel« von Handelskammer-Syn dikus vr. Klien gestreift: »Einer besonderen Hervorhebung be darf hingegen noch ein Handelsgebiet, auf dessen hervorragende, über die Grenzen des Landes weit hinausreichende Bedeutung das Schwabenland mit Recht stolz ist, der Verlagsbuchhandel«, aber diese noch nicht zwei Seiten des Buches füllenden Aus führungen können natürlich nicht annähernd ein Bild der Dienste geben, die der Stuttgarter Buchhandel an seinem Teil während der letzten 25 Jahre der Kultur geleistet hat. Allein der Abschnitt »Die Universität Tübingen« mit seinen zahlreichen Namen würde eine stattliche Bibliographie ergeben. Damit sei Abschied von diesem Bande genommen, dessen Blätter bedeutsame Kunde geben, doppelt bedeutsam in jetziger Kriegszeit, was alles an Arbeit in einem kleinen Bundesstaate 15S4 unseres deutschen Vaterlandes in dem knappen Zeitraum von 25 Jahren geleistet worden ist. Daß man diese Arbeit in vorausschauender Fürsorge auf besondere Ziele künftiger Friedenszeit einstellt, zeigt die Errich tung eines Lehrgangs für türkische Sprache und Landeskunde an der Technischen Hochschule in Stuttgart, durch den dem wirt schaftlichen Zusammenschluß DeMschlands mit der Türkei und Bulgarien nach dem Kriege Vorgeavbeitet wird. Wirtschaftsgeo graphie der Türkei, Karpathenländer, Kulturbedingungen der Nutzpflanzen in den türkischen Ländern, Mineral- und Boden schätze der Balkanländer und der Türkei, der Islam, Baukunde des Orients, endlich ein türkischer Sprachkurs werden den Inhalt der Vorlesungen bilden. Ein türkisches Sprachbuch hat sich auch bereits zu rechter Stunde eingestellt, W. Violet ist sein Verleger. Auf unsere Schwaben haben von jeher die Balkanländer eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausgeübt. Wie Th. Bickes, ein Mitglied des Roten Kreuzes, in einem Artikel im »Schwäbischen Merkur« über die deutsche Schule in Sofia berichtete, ist auch ein schwäbischer Lehrer der eigentliche Schöpfer der Melodie des bulgarischen Nationalliedes »Schuni Maritza«. Streich, dies der Name des Lehrers, war mit dem Dichter des Liedes, Vasoff, und dem damaligen Kapellmeister der Oper eng befreun det, er fand den Text für ein Nationallied wie geschaffen und suchte den bulgarischen Kapellmeister zum Komponieren des Lie des zu veranlassen. Die Sache wollte nicht recht vorwärtskom men, bis schließlich unser schwäbischer Lehrer auf das Drängen des Musikers den Text nach der Melodie »Wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren« singt. Die Melodie schlägt ein, und wenige Tage darauf hat der bulgarische Kapellmeister die Musik geschrieben, deren Ähnlichkeit mit der alten deutschen Weise unverkennbar ist. Ein Gegenstück findet diese kleine musikalische Episode in der Tatsache, daß Händels berühmter Marsch aus Judas und Maccabäus »Seht, er kommt mit Ruhm gekrönt« zu einem türkischen Militärmarsch geworden ist. Nachgetragen sei hier noch, daß am 9. Dezember in Stutt gart der Südwestdeutsche Kanalberein für Rhein, Donau und Neckar e. V. gegründet worden ist, mit dem gewaltigen Endziel, den Rhein aus dem Wasserwege mit der Donau zu verbinden, ein Plan, der Hunderte von Millionen erfordern wird. Der erwähnte Redakteur Theodor Bickes ist auch Vorsitzen der des »Württembergischen Landesausschusses für fahrbare Kriegsbüchereien«. Aus einem eingehenden Berichte des Bücher- warts O. L. im »Schwäbischen Merkur« vom 17. November ging hervor, daß aus Schwaden bis jetzt 20 Bücherwagen den würt tembergischen Truppen zur Verfügung stehen. Das Bllcher-Ver- zeichnis weist etwa 1000 Nummern auf. »Es ist erstaunlich«, schreibt O. L., »wie rasch sich die Bücherei eingelebt hat. Mit nicht geringer Befriedigung Prägt der Buchwart seinem Gedächtnis den Ausspruch eines Armierungssoldaten ein: Schon der Anblick Ihres Wagens bedeutet jedesmal einen Lichtblick in meinem gegenwärtigen Dasein, ein Ausspruch, dem zahlreiche ähnliche Äußerungen aus dem Munde von Offizieren und Mannschaften angereiht werden können.« Mancherlei Anzeichen sprechen dafür, daß sich das Heimvts- gebiet des deutschen Buches auch infolge des Krieges ausdehnen wird, daß viele derjenigen, die in dieser schweren Zeit den Wert des Buches als Sorgenbrecher und Verscheucher der Langenweile kennen gelernt haben, diesem die Freundschaft bewahren werden. Da der Magen sich einschränken muß, wird jetzt dem Geiste manches zugefllhrt, was er sonst entbehren mußte. Die neue Stuttgarter Verleger-Vereinigung hat durch Sammelanzeigen neuer und älterer Stuttgarter Bücher versucht, dem Publikum das Buch als Weihnachtsgeschenk noch näher zu bringen. Diese großen auffälligen Anzeigen sind gleichzeitig ein Beweis für den inneren Wert der Stuttgarter Verlegergaben. Einen noch kräf tigeren Beweis hierfür erbringt der ebenfalls von der Stutt garter Verleger-Vereinigung zusammengestellte achtseitige Falt- Prospekt »Besonders empfehlenswerte Bücher von und aus Schwaben«. Weitere kleine Streuanzeigen, wie sie von der Redaktion dieses Blattes in Nr. 286 mitgeteilt wurden, zeigen, daß die Vereinsarbeit sich auf dem Gebiete der Reklame auch in kleinen Grenzen nützlich betätigen kann.