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3438 Börsenblatt s. d. Dtschn Buchhandel Nichtamtlicher Teil. 70, 25. März 1908. Verbotene Druckschriften. In der Strafsache gegen die Schuhmacherwitwe Ernestine Wilhesmine Bcieske, geb. Schulz, von hier, geboren 30. März 1851 zu Callies, Kr. Dramburg, wegen Vergehens wider die Sittlich keit, hat die 1. Strafkammer des hiesigen Landgerichts am 6. März 1908 für Recht erkannt: Sämtliche Exemplare mit der Aufschrift: -Intime Geschichten«: -Sein Trauzeuge-, Erzählung von Anton Craemer, Nr. 206, sowie die zu ihrer Herstellung bestimmten Platten und Formen sind unbrauchbar zu machen. Stettin, 17. März 1908. (gez.) Der Erste Staatsanwalt beim Landgericht. Durch rechtskräftiges Urteil der Strafkammer des hiesigen Landgerichts vom 21. Dezember 1907 ist für Recht erkannt: alle Exemplare der Druckschrift »Soldatenfreund-, Patriotische Verlagsanstalt Berlin 1907, sowie die zu ihrer Herstellung bestimmten Platten und Formen sind unbrauchbar zu machen. Bonn, 18 März 1908. (gez.) Der Erste Staatsanwalt. (Deutsches Fahndungsblatt Stück 2738 vom 23. März 1908.) Nichtamtlicher Teil. Die Kruppsche Bücherhalle.*) Das Erscheinen eines neuen Berichts der Kruppschen Bücherhalle bildet für den Freund der Bücherhallenbewegung in Deutschland stets ein hocherfreuliches Ereignis. Unter zielbewußter Leitung ist während einer verhältnismäßig kurzen Zeit in Essen ein Institut geschaffen und gefestigt worden, dessen Einrichtungen für Volksbibliotheken muster gültig genannt werden dürfen. Und wenn manchem An hänger der Bestrebungen, die freie öffentliche Bibliothek der Engländer und Amerikaner zu uns zu verpflanzen, angesichts zahlreicher neu eröffneter Büchereien, die sich von der alten Volksbibliothek im Grunde nur wenig unterscheiden, Be denken aufgestiegen sein mögen, ob die Sache auch end gültigen Erfolg verspreche, so sind Ergebnisse, wie sie unter anderm in Essen zutage gefördert werden, geeignet, selbst in dem Skeptiker Vertrauen zu wecken. Über die Kruppsche Bibliothek besitzen wir bereits vier Jahresberichte, die sich, wie auch der vorliegende, durch vornehme Ausstattung, reiche Fülle des in präzisester Form gebotenen Stoffs, Übersicht lichkeit der beigegebenen Tabellen und Tafeln vor andern auszeichnen. Eine dem ersten Bericht für 1899/1900 an gehängte ausführliche Darstellung: Die Verwaltung und Einrichtung der Kruppschen Bücherhalle ist in veränderter Fassung 1905 von neuem erschienen. Zu erwähnen ist ferner eine in Reyers »Fortschritte der volkstümlichen Bibliotheken« (Wilhelm Engelmann) Leipzig 1903, enthaltene wertvolle Monographie, die, als Manuskript gedruckt, noch eine lehr reiche statistische Tabelle über die Benutzung der Bücherhalle vom 1. März 1899 bis zum 31. Mai 1905 bezw. 29. Februar 1908 aufweist. In diesen Publikationen ist ein reiches, wohlgesichtetes Material zusammengebracht, das noch bei weitem nicht genug gewürdigt wird. Wo immer man den Plan verfolgen mag, eine neue volkstümliche Bücher sammlung modernen Stils zu begründen, da sollte man nicht versäumen, die Essener Berichte eingehend zu Rate zu ziehen. Leiter der Anstalt ist bekanntlich Oberbibliothekar vr. Paul Ladewig, der von Anbeginn an seine Persönlichkeit für das Unternehmen voll eingesetzt hat. Im Folgenden sollen einige Daten über das Entstehen und die Entwick lung der Kruppschen Sammlung aus den erwähnten Quellen schriften wiedergegeben werden. Die Begründung der Essener Bücherhalle wurde von dem verstorbenen Großindustriellen F. A. Krupp im Jahre 1897 beschlossen. Im Mai 1898 begannen die Vorarbeiten für die Einrichtung der Sammlung, am 1. März 1899 wurde die Anstalt in den durch Umbau für sie eingerichteten Räumlichkeiten eröffnet und kurz darauf ein für 50 H käuf *) V. Bericht der Kruppschen Bücherhalle über die Be triebsjahre 1904/07. Esten 1907, Buchdruckerei der Gußstahlsabrtk Fried. Krupp, A.-G. liches, 362 Seiten umfassendes gedrucktes Bücherverzeichnis herausgegeben, wovon 1903 ein zweiter Abdruck erschien, nachdem bereits 1902 ein Nachtrag von 554 Seiten für die seit 1899 erworbenen Werke vorangegangen war. Die Bücherei sollte nach Z 1 der Satzungen der Belehrung und Unterhaltung der Werksangehörigen durch Ausleihen von Büchern dienen. Streng wissenschaftliche Werke sollten, wie im ersten Bericht weiter ausgeführt wird, ausgeschlossen bleiben, da deren Anschaffung, soweit für die Gußstahlfabrik erforderlich, der bedeutenden technischen Bibliothek des Werks zufällt. Es sollten ferner grundsätzlich alle Werke agitatori schen Inhalts ausgeschlossen sein, im übrigen sollte für die Interessen der Arbeiter sowohl wie für die der Beamten des Werks gesorgt und eine besonders freie und leichte Form der Benutzung ermöglicht werden. Die Einrichtung eines Lesesaals war vorerst aus Mangel an Raum noch nicht möglich. Das Ausleihzimmer wurde an Wochentagen von 12—3 Uhr mittags und von 5—7 Uhr abends geöffnet. Was die Einzelheiten der Bücherentleihung anlangt, so beträgt die Leihfrist für ein Buch drei Wochen. Die zu entleihenden Bücher sind nach der Büchereiordnung vom Februar 1899 vor dem Wegtragen in Papier einzuwickeln und eingewickelt wiederzubringen. Die Maßregel hat sich neben der Ein richtung, daß jedes einzelne Buch selbst einen Papierumschlag trägt, der nach Bedarf von Zeit zu Zeit erneuert wird, auf das beste bewährt und verdient im Interesse der bessern Er haltung des Bücherbestandes und aus hygienischen Gründen auch anderwärts eingeführt zu werden. Der blaue Umschlag des Buchs, heißt es im ersten Bericht, nimmt nicht wenig Unreinlichkeit auf. Die Umschläge werden, wenn unsauber, mit Sublimatwasser gewaschen, mit Benzin gereinigt und, so bald sich eine wirkliche Reinigung als untunlich erweist, erneuert. Wird darauf gehalten, daß grundsätzlich nur mit säubern Umschlägen versehene Bücher dem Publikum in die Hand gegeben werden, so geht das Publikum auch sauberer damit um. Den Beweis erbringt die im vorliegenden Bericht an geführte Tatsache, daß die Zahl der notwendig gewordenen neuen Umschläge von 11 Prozent im ersten Jahr, 9 Prozent im fünften auf 7 Prozent im achten Jahre des Bestehens der Bücherhalle gesunken ist. Die Bücherhalle, die sehr gut binden läßt, hat daher auch auf die früher üblichen Ledereinbände fast ganz verzichten können, weil selbst leichteres »Art-Linnen«, ohne zu verschleißen, während der sonstigen Lebensdauer des Bandes aushält. Auch die kostspieligen Aufdrucke von Rücken titeln werden auf diese Weise gespart. Gesundheitliche Rück sichten kommen auch in § 10 der Satzungen zur Geltung, der besagt, daß, wenn im Hause eines Entleihers eine an steckende Krankheit ausbricht, dieser die entliehenen Bücher sofort unter Angabe der Krankheit an die Bücherhalle zurück zuliefern hat. Jeder Entleiher erhält eine mit Chiffre und lausender