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9522 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. — Sprechsaal. ^ 197, 25. August 1911. geleitet ist, ist man sich in der Hauptsache wohl darüber einig, daß es durchaus notwendig ist, durch gesetzgeberische Maß nahmen die Stellung des Richters im Sinne größerer richterlicher Freiheit umzugestalten. Nur dann können die indi viduellen Verhältnissen entsprechenden und der Gerechtigkeits idee möglichst angepaßten Entscheidungen gefällt werden. Solche Erweiterung des freien richterlichen Ermessens, die übrigens bereits im Zivil- und Strafprozeß 1877 durch die Einführung der freien Beweiswürdigung an Stelle der formellen Beweistheorie angebahnt wurde, ist zum Teil durch das neue Bürgerliche Gesetzbuch fortgesührt worden, wie die Ver- Weisung auf »Treu und Glauben«, »die Verkehrssitte«, den Be griff der »guten Sitten« z. B. zeigt. Sie findet ihr weitestes Ziel im Vorentwurf zum neuen Strafgesetzbuch, wonach der Richter in besonders leichten Fällen sogar von der Strafe ganz absehen darf. Auch auf dem Gebiete des Prozesses wird dies angestrebt. Bisher ist der Richter noch eng an das Parteivor bringen, die Anträge und viele Formalismen gebunden. Die materielle Wahrheit nicht selten dadurch gehindert und Ver schleppungsversuchen und Winkelzügen dadurch Vorschub geleistet. Es wird hier eine straffere Leitung und die Beseitigung aller überflüssigen Formalien und Schreibereien erstrebt: auch hofft man dadurch, daß die Parteien selbst vor dem Richter erscheinen müssen und eventuell eidlich abgehört werden können, der sogenannten Prozeßlüge, die heutzutage meist als erlaubtes Kampfmittel angesehen wird, ihren Lebens faden abzuschneiden. Die österreichische Zivilprozeßnovelle von 1909, durch die man in dieser Hinsicht beachtenswerte Fortschritte erzielt hat, sowie Schweizer und Ungarische Vorbilder können hier wertvolle Hinweise geben. Neben dieser freieren Ausgestaltung des materiellen und prozessualen Rechts ist es aber dann noch nötig, den Richter st and selbst zu heben. Denn wie der Vorkämpfer hierfür, der Oberbürger meister Adickes, in seinen vor einigen Jahren erschienenen Schriften über Justizreform ausführt, nützen die besten Gesetze nichts, wenn sie nicht von tüchtigen und lebenserfahrenen Männern gehandhabt werden. Persönlichkeiten, nicht so sehr Maßregeln sind nötig! Damit hängt die Befreiung des Richters von der heute noch viel zu bureaukratischen, oft kleinlichen Schreiberei, die Abnahme aller subalternen Arbeit, die Einschränkung der Vielzahl und die Heranbildung wenigerer, aber um so tüchtigerer Richter- Persönlichkeiten, sowie die Gewährung nicht nur papierner, sondern wirklicher Unabhängigkeit zusammen. Daß die deutschen Richter selbst an dieser Ausgabe Mitarbeiten, zeigt die Tagesordnung des demnächst stattfindenden deutschen Richtertages in Dresden, auf der die Fragen der Stellung des Richters zum Gesetz, des Aus baues der richterlichen Unabhängigkeit und der Reform des Straf- gesetzbuchs zur Verhandlung kommen, wie man hoffen darf, im Sinne der oben dargelegten fortschrittlichen Erkenntnis. Leonardo da BinciS »Mona Lisa« auS dem Pariser Louvre verschwunden. — Nach Meldungen der Tageszeitungen ist Leonardo da Vincis »Mona Lisa« aus dem Pariser Louvre verschwunden. Rahmen und Glas haben sich vorgefunden, aber das Bild selbst ist bis zur Stunde der Drucklegung dieser Nr. noch nicht entdeckt worden. Eine internationale Baufach.Ausstellung mit Sonder- Ausstellungen soll im Jahre 1913 in Leipzig abgehalten werden. Die soeben erfolgte Ausgabe des Gliederungsplanes zeigt 8 Haupt abteilungen mit 42 Gruppen und 59 Unterabteilungen. Die Hauptgruppen sind folgende: Abteilung I: Baukunst, Abteilung II: Bauliteratur, Abteilung III: Baustoffe, deren Herstellung und Verwendung, Abteilung IV r Maschinen, Werkzeuge und Geräte im Baufach, Abteilung Vr Grundstücksverkehr, Auskunfts- und Ver sicherungswesen, Buchhaltung usw., Abteilung VI: Bau-Hygiene für Wohnungen, Fabriken und Straßen — Arbeiterschutz, Arbeiter wohlfahrt — Feuerschutz, Abteilung VII: Turn-, Spiel- und Sportwesen und Abteilung VIII: Baustoff-Prüfung — Fachliche Vorführungen. Auch ist geplant, an das Ausstellungsgelände eine Gartenstadt anzugliedern, die vorbildliche Wohnungsgebäude der verschiedenen Bevölkerungsschichten zum Teil in bewohntem Zu stande zur Anschauung bringen soll. Die Einladungen zur Be schickung werden in den nächsten Tagen an die in Frage kommen den Industrie- und Gewerbekreise sowie an die Künstlerschaft er gehen, doch liegen bereits jetzt zahlreiche Voranmeldungen vor, so daß eine außerordentlich rege Beteiligung zu erwarten ist. Internationaler Laryngo-Rhinologen-Kongretz. — Der 3. internationale Laryngo - Rhinologen - Kongreß wird vom 30. August bis2. September in Berlin abgehalten werden. Der Kongreß wird sich mit den Beziehungen der experimentellen Phonetik zur Laryngologie, mit den Beziehungen der Nase zur Atmung und zu Atmungsstörungen, mit Nasenpolypen, mit der Technik der Spiegeluntersuchung der Lunge und Speiseröhre und mit zahlreichen Detailfragen beschäftigen. Personalnachrichten. 90. Geburtstag. — Am gestrigen Tage konnte die Seniorin und Mitbegründerin der seit 1842 bestehenden Buchhandlung Jonas Alexander'sWwe. in Rogasen Frau Henriette Alexander geb. Kurtzig in völliger geistigen Frische ihren 90. Geburtstag begehen. Sie nimmt heute noch an allen geschäftlichen Vor kommnissen regen Anteil und erfreut sich auch in Fachkreisen auf richtiger Wertschätzung. Christian Friedrich Meyer -j-, — Geh. Kirchenrat Super intendent 0. Meyer, einer der Führer des Evangelischen Bundes, ist am 22. August in Zwickau im 71. Lebensjahre gestorben. Aus seiner Feder stammen die Predigtsammlungen: »Durch Christus zum Vater«, »Im Lichte des Evangeliums« und »In Gottes Welt«. Bekannter wurde er durch seine Tätigkeit im Evangelischen Bunde und für die Los von Rom-Bewegung in Österreich. Sprechsaal. Ein Märchen. (Vergl. Nr. 182 u. 194.» Es war einmal ein Buchladen, in den kam eines Tages ein Kunde und verlangte ein Büchlein für 20 -Z. Freudig verab folgte es ihm der Buchhändler, nahm die 20 ^ in Empfang und rieb sich innerlich die Hände: »Es ist doch eine Freude, Bücher mit 40 Prozent Rabatt zu verkaufen.« Bald darauf trat ein anderer Kunde in den Laden, begrüßte den Buchhändler und sagte: »Mir ist dieser Prospekt von dem Verleger zugesandt worden. Be sorgen Sie mir doch das Buch schnellstens.« Gleichzeitig legte er den Preis des Buches in Gestalt von 40 ^ auf den Tisch. (Es handelt sich hier um ein Märchen! Red.) Als aber der Buchhändler den Namen des Verlegers sah, von dem er wohl wußte, daß er keine 40 Prozent Rabatt gab, da ver finsterten sich seine Züge, und er sprach zu dem Kunden: »Sie müssen noch 2 Aufschlag hinzulegen, und wenn Sie wünschen, daß ich das Buch direkt kommen lasse, auch noch das Porto; denn ich habe an diesem Buche nicht genügenden Rabatt.« Und innerlich dachte er: Das ist dem Kunden ganz recht, daß er soviel Auf schlag zahlen muß, warum kauft er so teure Bücher. — Der Kunde aber sah den Buchhändler verwundert an, steckte seine 40 wieder ein und ging nach dem Postamt, wo er eine Post anweisung aussüllte und das Buch beim Verleger bestellte, von dem er es auch am dritten Tage, man sagt sogar, portofrei, empfing. Und wenn er wieder einmal ein Buch kaufen wollte, so ging er gar nicht erst zu dem Buchhändler, sondern sandte gleich eine Postanweisung an den Verleger. Das ist natürlich nur ein Märchen; im Leben weiß jeder, daß der geringere Rabatt oftmals der höhere ist. Berlin. Emil Felber. Warnung. Verbunden mit einer Warnung vor einem 8tuck. Ernst Taler, dem es gefällt, sich in verschiedenen Städten unter Hinter lassung vieler Schulden nur wenige Tage aufzuhalten, möchte ich die Sortimente, bei denen er einmal auftauchen sollte, bitten, mir sofort Mitteilung davon zu machen. Kosten vergüte ich selbstverständlich. Johs. Waitz, Darmstadt.