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X- 151, 3. Juli 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtschn.Buchhandel. in die kleinsten Einzelheiten hinein rekonstruieren zu können. Im Bewußtsein der großen Tragweite der Angelegenheit und be müht, die Machenschaften der Firma Gutenberg in ihren letzten Fasern aufzudeiken, stellte er theoretische Berechnungen an, die, von uns in die Praxis umgesetzt, sich als vollkommen richtig er wiesen. Zwei ungarische Verleger haben auf völlig identische Weise, wie Gutenberg, Gratisbücher in Verkehr gebracht. Hier durch gelang es uns, Einsicht zu gewinnen in das Werkstätten geheimnis der Firma Gutenberg, wie es dem Buchhandel weder bei uns vorher noch irgendwo im Ausland je möglich war. Nun mehr stand das Wesen des Gutenbergschen Gratisbüchergeschäftes, dessen Methode, Technik und Abwicklung vollständig klar vor unseren Augen. Ohne solche Kenntnisse ist ein richtiges Urteil unmöglich. Das Gutenbergsche Gratisgeschäft hat für den ober flächlichen Betrachter den Anschein, als wäre es ein bloßer Trick. Da nämlich in den Anzeigen der Firma Gutenberg stets betont wird, daß der Einsender des aus der Gratisanzeige ausgeschnit tenen Kupons auf seinen Wunsch entweder mit einem gebun denen Exemplar für Geld oder mit einem broschierten unent geltlich beliefert wird, scheint alles in Ordnung und der Begriff »gratis« gewahrt zu sein, da es ja Interessenten gibt, an welche tatsächlich Gratisbücher abgegeben werden. In geschäftlichem Sinne könnte das heißen, daß durch den Verkauf zahlreicher ge bundener Exemplare die Unkosten der Gratislieferung gedeckt werden. Es ist zu bemerken, daß die Firma Gutcnberg im Ver laufe des Prozesses bemüht war, dieser Auffassung Geltung zu verschaffen. Doch nichts ist unrichtiger, trügerischer als diese Einstellung. Die Geschäftsmcthode der Firma Gutenberg stellt sich vielmehr so dar: 1. Das Wichtigste ist, daß die Firma Gutenberg in ihren An zeigen nie ein einziges Buch, sondern stets eine aus 20 — 40 Bänden bestehende Serie ankündigt. 2. Diese aus 20—40 Bänden bestehende Serie wird von ihr auch nach den Gratisanzeigen inaus4Bändenbe stehen den Gruppen geliefert, für welche in Ungarn zumindest 4 X Pengö —.30 — P. 1.20 im voraus zu zahlen ist. 3. Der Umfang der einzelnen Bände ist erheblich geringer als der Umfang derjenigen honorarfreien Werke, die in ähnlicher Ausstattung sogar beträchtlich billiger von den Verlegern nor mal auf den Markt gebracht weiden. Naturgemäß schweigt sich die Firma Gutenberg bezüglich des Umfanges der einzelnen Bändchen vollständig aus. 4. Gutenberg läßt die im Punkt l erwähnten 4 Hefte in einen Band zirsammeirheften und mit der Bezeichnung von 2 »Bänden« in I Buch einbinden und rechnet für diese 2 »'Bände« P. 4.90; >d. h. da 5 solche Serien die Gesamtausgabe von Dumas' Werken bilden, berechnet sie für die Gesamtausgabe, schön einge bunden, im Verlag bei der Administration übernommen, P. 24.50. Mithin macht die Gesamtausgabe lo gebundene Bücher aus, was aber nicht sosort klar ist, da Gutenberg, um die Anzahl der Bände künstlich auszubauschen, in den Inseraten immer mit Halbbändcn operiert. Ich schalte hier auch eine kurze Erörterung über die beiden wichtigsten Drucksachen der Firma Gutcnberg ein, die Gratis- ankündigung samt Kupon und die Gratiskarte, wie sie in unserem LaUde im Falle Dumas verfaßt wurden. In der Gratisankündigung wurde eine »große« Ausgabe von Dumas' Werken in 20 Bänden angezeigt mit der Bemerkung, daß ein großer Teil dieser Ausgabe gratis ab gegeben wird. Nach einer Würdigung der Werke des Schrift stellers teilt die Firma mit, daß die Werke schön gedruckt, in vor züglicher Übersetzung, in gewöhnlichem Buchformat erscheinen und sie nur für die Annoncen- und Verpackungsspesen die Ver gütung von 30 Heller pro Band verlange. Ferner teilt sie mit, daß der Versand der Reihe nach geschieht, wie die Aufträge ein- gehcn. Dann folgt die Aufzählung der Titel der in der angekün digten Ausgabe erscheinenden Werke, weiter die Mitteilung, daß das Angebot nur für Kupons gilt, die innerhalb 10 Tagen ein- gesandt werden. Der Anzeige ist ein Kupon beigefügt, der auszuschneiden und, mit Namen und Anschrift des Interessenten versehen, einzusenden ist, mit dem Wortlaut: Unterfertigter wünscht sich unentgeltlich Dumas' sämtliche Werke, bittet um Empfangsbestätigung und Versandaviso. Jeder Einsender des Gratiskupons erhielt dann die Gra tiskarte. Auf dieser wurde in Ungarn vor allem bestätigt, daß der Betreffende »auf die Gratisausgabe von Dumas' Werken mit ungekürztem Text reflektiert«. Dadurch bestätigte zwar die Firma Gutenberg, das, was sie in der Anzeige in Aussicht gestellt halte, zu liefern, doch bezüglich des verwendeten Ausdruckes be reits mit der selbst einem aufmerksamen Leser kaum auffallenden Abweichung, daß der Interessent auf die »Gratisausgabe« An spruch hat. Es heißt weiter im Text mit auffallendem Druck, »der Besitzer dieser Gratiskarte erhalte Dumas' sämtliche Werke« und dann in Kleindruck »in 20 Bänden«. Dann wird die Auf forderung nochmals wiederholt, diese Gratiskarte innerhalb spä testens 10 Tagen nach Erhalt ausgesüllt zurückzusenden. Be züglich Aufklärung über Versand und evtl. Einbindcn verweist der Text auf die Rückseite der Karte. Dann folgt im Text die weitere Mitteilung, daß man wählen könne zwischen einer Aus gabe in prächtigem Einband L und einer broschierten Ausgabe II, doch fehlt die nähere Aufklärung darüber, ob zwischen beiden, außer dem Einband, noch irgendein anderer Unterschied bestehe. Der Inhaber dieser Gratiskarte wird gebeten, die gewünschte Ausgabe durch Ankreuzen zu bezeichnen. Unterbleibt das An kreuzen, so heißt das soviel, daß die Prachtausgabe gewünscht wird. Während die Ausgabe L früher in dem mit großen Let tern gedruckten Text »Ausgäbe in prächtigem Einband« hieß, wird sie in dem kleingedruckten Text »Prachtausgabe« genannt. Während die Vorderseite der Gratiskarte bezüglich Aufklärung über Versand und Einbinden auf die Rückseite hinwcist, befindet sich auf dieser Seite tatsächlich die nähere Beschreibung der bei den vorher erwähnten Ausgaben L und 8. Von jener wird ge sagt, daß sie aus 20 Bänden — 10 Bücher in prächtigem Ein band, mit Bildern erstklassiger Künstler reich illustriert, bestehe, von denen monatlich je 4 Bände -- 2 Bücher, ungefähr im Um fange von 700—800 Textseiten erscheinen. Die Kosten des Ein- bindens (dieses Wort fett gedruckt) sind vom Leser (so, und nicht Käufer oder Besteller) zu tragen. Dann folgt die Mitteilung, daß die Firma, trotz der hohen Herstellungskosten, infolge der riesigen Exemplarzahl in der Lage sei, pro Serie ^ 2 Bücher, Einbinden mit inbegriffen, für P. 4.90 liefern zu können. Mit hin kostet die aus 20 Bänden bestehende Gesamtscrie schön einge bunden, im Verlagsbüro übernommen, P. 24.50. In der nähe ren Beschreibung der Ausgabe 8 wird nicht erwähnt, daß diese Ausgabe nicht auf erstklassigem, weißem, holzfreiem, federleich tem Papier gedruckt wivd, hingegen das Erscheinen in derselben Einteilung und Anzahl, wie bei Ausgabe zweimonatlich in Aussicht gestellt. Hier handelt cs sich also um 4 broschierte Hefte. In Übereinstimmung mit der Anzeige wird für Verpackungs und Annonccnsprsen P. —.30 pro Heft verlangt, doch ist die Summe von P. 1.20 zuzüglich P. —.50 für Portospesen, mithin im ganzen P. 1.70 pro Serie — 4 Hefte zweimonatlich auf ein mal und im voraus einzusenden. Bei Bezug der gebundenen Ausgabe wird der Preis nachgenommen, allein das verursacht P. 1.— Mehrkosten pro Serie. Neben der Gratiskarte wurden den Einsendern des Kupons auch noch Prospekte in schöner Ausführung, mit Abbildungen ausgestattet, zugesandt, in denen eine »monumentale, reich illustrierte Ausgabe mit ungekürztem Text« von Dumas' Werken angezeigt und gleichzeitig versichert wird, daß diese, da gratis, bei der Firma Gutcnberg durch jedermann anzuschaffen sei: »Auch Sie können sie beziehen — heißt es —, da Sie den Kupon erngcsandt haben« und es wird auf die dem Prospekt angefügte Gratiskarte verwiesen. Dieser Prospekt enthält die Abbildung eines Bandes der Prachtausgabe in Originalgröße und das ge fällig aufgemachte Bild der Gesamtausgabe, samt Illustrations- Proben. Erst in diesem Prospekt wird erwähnt, daß die Pracht ausgabe auf besserem Papier als die Ausgabe 8 gedruckt ist und daß die Ausgabe 8, da sie nicht für Bibliophile bestimmt ist, auf billigem Papier gedruckt wurde. Es geschieht wieder ein Hin weis auf die Gratiskarte, auf deren Bedingungen bezüglich Ver sand und Einbinden. (Schluß folgt.) 623