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Redaktioneller Teu. 110, 14. Mai 1914. mein Bruder damals gar nicht voraussetzen konnte, ich würde je mals geneigt sein, meiner italienischen Lebensgewohnheit ent sagend, im Vaterlande die volle literarische Erbschaft anzntreten. Es versteht sich ja wohl von selbst, dass es dem trefflichen Bruder nicht in den Sinn kommen konnte, mich übergehen n. übervor- theilen zu wollen; eben so wenig (darf ich versichern) zweifelte er, ich würde der Aufgabe, wenn ich sie einmal übernähme, weniger als irgend ein Andrer Genüge thun. Ja, um nichts ungesagt zn lassen, worauf es bei derartigen Erwägungen ankommt: selbst wenn er (dies Unmögliche angenommen) etwas dergleichen gewollt hätte, er hätte es ja rechtlich nicht einmal gekonnt, und wußte, daß er's nicht konnte, weil nach dem Willen des Vaters und den eontractlichen Bestimmungen die Rechte und Pflichten des ältern Bruders zunächst auf mich forterben mußten. Und in diesem Sinn erfahre ich, daß andre Geschwister, denen das Detail der Ver hältnisse minder bekannt, es jetzo in i r verdenken, und in i r einen Vorwurf daraus machen wollen, »daß i ch die Sache in andre Hände kommen lasse.« Genug, dies Alles sei nur nebenher gesagt, da mein eigentlicher Zweck jetzt nur dieser war, durch jene früher von mir übersehenen Präcedentien die Ansicht u. die Forderungen des Hrn. vr. Mahn, von dessen eignem Standpunkte aus, möglichst zu motiviren. Jndeß, wenn ich nun, wie Sie sehen, mich bestwillig bemühe, allen Theilen gerecht zu werden, so wird mir's wohl auch ge ziemen, daß ich es mir selbst werde, und mein eignes Interesse mitbedenkend, übermäßige und solche Opfer ablehne, die ich ans dem Standpnnct der Familicnrechte sowohl als meiner Zukunft gegenüber nicht zu verantworten wüßte. Wer Billigkeit übt, darf sie von Andern erwarten, und ich bin überzeugt, es werde sich ein Mittelweg finden lassen, der mich vor der unverdienten Unbill schützt, gegen meinen Willen und zu meinem größten Schaden ans einem klaren Eigenthnmsrecht vollständig herausgedrängt zu wer den. Die Sache liegt einfach so. Es ist mein Vorsatz, mich späterhin irgendwo in Deutschland, oder wenigstens in der Schweiz, niederzn- lassen; ich werde alsdann jedenfalls zur Uebernahme aller Nedac- tionspflichten bestens eingerichtet sein, und was sich als Ehren sache betrachten läßt, wird mir nun auch zur Lebensfrage. Dies ist ein Hanptpnnct. Da ich im Vaterlande kein öffentliches Amt ^ suche, so bin ich zur Sicherung meiner Existenz ans literarischen Er werb angewiesen. Somit kann ich meinen Antheil an dem vorzugs weise einträglichen Fremdwörterbuch, der meine äußere Stellung wesentlich erleichtert, ja ohne den sie säst unhaltbar wird, unmög lich schwinden lassen. Dies aber geschähe und ich ginge völlig leer ans, wenn Hr. vr. Mahn für alle Zukunft die volle Honorarhälftc unter dem Titel von Nedactionsgebühren an sich zöge. Denn die andre Hälfte (was Ihnen, verehrtester Herr, vielleicht unbekannt, mir aber nunmehr Pflicht wird zu bemerken) fällt nach einer ans Testamentverfügung abgeleiteten Familienübereinknnft lediglich den weiblichen Erben zu, so lange deren noch am Leben sind, d. h. jetzo der einzigen Schwester, Pfarrerin Brennecke*), der ich nicht zumuthen kann, von ihren nie angetasteten Einkünften aus jener Quelle sich eine Verminderung zu meinem Besten gefallen zu lassen. Folglich, wenn ich nicht, nach dem Sprüchwort, mich zwischen zwei Stühlen nicdersetzen oder mich selber ganz bloßstellen will, so muß ich für die nächstkünftige (13te) Auflage und die folgenden mein Nedactionsrecht ausüben, wobei ich indessen erbötig wäre, einen billigen Theil der mir sodann Anstehenden Honorarhälfte dem Hrn. Dr. Mahn abznlassen, in bleibender Anerkennung seiner ge fälligen n. verdienstvollen Zwischenthätigkeit für die gegenwärtige 12te, selbst wenn derselbe sich späterhin wenig oder gar nicht an der Weiterarbeit bctheiligen sollte. Ueber den Modus würden wir uns gewiß verständigen: denn Niemand kann bereitwilliger sein als ich, fremde Ansprüche zu ehren; nur möge man von mir nicht Unbilliges fordern, und nicht erwarten, daß ich ohne Grund und Noth mich meiner Rechte und Vortheile unwiederbringlich begebe. Das kann ich nicht: es hieße, mir die Möglichkeit der Heimkehr abschneiden und gewissermaßen mich selbst enterben wollen. Und so leuchtet ein, daß ich entschieden wünschen muß, für die 13tc Anfl. in die Nedaction selbst einzutreten, weil ich mich in jedem Betracht dazu im Stande sehe n. es mir weder an Muße, Neigung, Kraft, noch Arbeitsmitteln fehlen wird. Sollte aber dennoch der diesmalige Herausgeber ein besonderes Gewicht auf die Fortdauer seiner Nedaction legen, sollte er, viel leicht auch unter Beziehung ans die Wünsche meines Bruders, jene Fortdauer zum unerläßlichen Beding seiner jetzigen Betätigung machen: alsdann müßte ich, um meinerseits nicht durch Eigensinn die Rechtsfrage auf eine Spitze zn treiben, welche meinen Grnnd- *) Bertha Brennecke, gcb. Heysc, Gattin des Pastors B. in Carow i. M. 790 sützen fremd ist, ans ein anderes Anskunftmittel denken. Ich müßte in diesem Fall für das gänzliche An fg eben meines Re- dactionsrechts, wozu nichts mich nöthigen, vielmehr nur Friedens liebe n. freundliche Rücksicht auf Ihre in dieser Richtung bereits gethanen Schritte mich bestimmen könnte, eine Entschädigung beantragen, die ich entweder bei Ihnen, oder bei dem neuen Ne- dactor zn suchen hätte, bestehend in einem billigen, fortlaufenden Antheil an der Honorarhälfte der Nedaction (das Minimum wäre ein Drittheil oder 14 Lonisd'or per Bogen), immerhin auch so noch bei einiger Mitarbeit, insofern wir uns fortwährend freund lich verständen. Die Sachlage wird dann für mich nicht minder an genehm n. ehrenvoll; allein ich würde, den gemeinschaftlichen Zweck im Auge, mich am Ende auch mit einem solchen Anstrag zufrieden geben, um nur von meinem Recht festznhaltcn, so viel die unver schuldete Wendung der Dinge irgend erlaubt. Ich wäre wenigstens von dem Unternehmen nicht ganz ausgeschlossen und stände, für alle möglichen Fälle, der Leitung nahe. Denn daß das Werk fort n. fort als ein Hepsesches betrachtet werde, liegt mir natürlich am Herzen, und so lange ich lebe, darf es das ohne Gefahr. Ich würde aus demselben Grunde ungern eine Aendernng im Titel Anlassen, da cs doch einstweilen genügen dürste, wenn der geehrte Herausgeber in der Vorrede sein Verdienst um diesmalige Gestaltung des Buches darlegte. Wenigstens müßte der Hanpttitel für alle Zeit feststehen, zn Ehren des Gründers n. der Familie. Wie man ungern eine altbewährte Handelsfirma vertauscht, oder in einem Regiment die Fahne, und wie ein weitläufiges Bauwerk, an welchem nach einander gar viele Köpfe und Hände gewirkt, immer noch nach dem Namen des Grnndbanmeisters benannt bleibt, so dürfte es mit solchen volksthümlich werdenden Schriftwerken sein, die, wenn sie in mehr als 30 Jahren den Ruf der Brauchbarkeit bewährt, sich durch den gewohnten Namen wohl auch fernerhin empfehlen. Und daß ein solches unter allen Umständen, auch nach dem Tode des einen Trägers dieses Namens, in fortschreitender Vervollkommnung verharre, dafür bürgt an sich ein Verlag wie der Ihrige. Jndeß, mögen, wie über Alles, auch hierin die Meinungen noch so verschieden sein, jedenfalls ist so viel klar, daß eine schon jetzt beschlossene Namensänderung zum thatsächlichen Präjudiz für mich würde: es wäre damit unwiderruflich ausgesprochen, daß ich mich mit jenem in letzter Reihe vorgeschlagncn Anskunftmittel be gnügen solle. Sie äußerten ferner in Ihrer geehrten Zuschrift, Herr Di. Mahn habe für die 12te Auflage sein Honorar von 1)4 ans 2 Lonisd'or per Bogen erhöht gewünscht, und erklärten sich ge neigt, dieser Forderung als einer, dem Arbeitsaufwande nach, billigen zu entsprechen. Je achtungswerther nun Ihre liberale Willfährigkeit, selbst über die contractliche Verpflichtung hinans- zngehn, ohne doch den gesetzmäßigen Vortheil der Heyse'schen Fa milie zu beeinträchtigen (was freilich auf dieser Seite Widerspruch finden möchte), um so eher, erlaube ich mir zu hoffen, dürfte dies exceptionelle Zngcständniß den jetzigen Herausgeber mit einer auch nur transitorischen Thätigkeit versöhnen, die seine Ansprüche für die Zukunft ermäßigen können. Ich meinerseits, wie aus dem oben Gesagten erhellt, habe an dieser 12tcn Aufl. keinerlei Gewinn- antheil, n. ertrage die Einbuße als eine für diesmal unvermeid liche. — Verzeihen Sie, hochgeschätzter Herr, meine vielleicht zu lange Auseinandersetzung, deren Offenheit ich als Beweis meines vollen Vertrauens in Ihre freundlichen Gesinnungen anzusehn bitte. Sie werden Alles prüfen, erwägen und durch Ihre geneigten Gegen vorschläge die noch schwankende Sache zu einem erwünschten Schluß bringen. Ich sehne mich von Herzen, über alle Punkte mit Ihnen völlig klar zu werden. Ans der Grundlage gegenseitiger Achtung, wo man auf beiden Seiten nur das Rechte u. Billige wollen kann, läßt sich Vieles aufs glücklichste schlichten, was durch einseitiges Vorschreiten sich verwirren möchte. Vor allem aber seien Sie ver sichert, daß ich um jeden mir möglichen Preis unser kaum be gonnenes Verhältniß zu befestigen u. zu einem wahrhaft befriedi genden n. erfreulichen zn machen anfrichtigst gewillt bin. Was die Väter begannen, sollen die Söhne fortsehen! Lassen Sie uns niit solchen Hoffnungen u. Vorsätzen über die Schwelle des neuen Jahres treten! Dazu meinen besten Glückwunsch. Mit vollkommenster Hochachtung Ihr ergebenster Th. Heyse. 8. 1. Januar 1858. Hr. Heinzmann benachrichtigt mich so eben von der Ankunft der Büchersendnng auf hiesiger Dogana. Meinen besten Dank dafür, so wie für die gewährte Einsicht des Briefs vom 1)r. Mahn. Die Anzahl der Freiexemplare des Fremdwörterbuchs über lasse Ihrem gütigen Ermessen. Ein ander Mal mehr davon.