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Fertige Bücher. 135, 12. Juni 1925. Aus der Urteilsbegründung: In der sehr ausführlichen, mehrere Seiten umfassenden Urteilsbegründung wird unter anderem festgcstellt: daß der Angeklagte in dieser Hinsicht „auch nicht die Spur eines Beweises dafür erbracht hat, daß etwa der Verlag Ullstein unter bewußter oder grob fahrlässiger Preisgabe wichtiger vaterländischer In teressen aus politischen oder gar materiellen Er wägungen sich für die vorliegende kartographische Bezeichnung der fraglichen Städte in der erste» Auflage des Atlasses entschieden hat. Im Gegen teil ist durch die eingehende Beweisaufnahme an Hand des oorgelegten Kartcnmaterials nach Ueberzeugung des Gerichts einwandfrei festgestcllt worden, daß bei einer großen Anzahl Karte», namentlich solcher, die frühere deutsche Gebiete behandeln, der vaterländische Stand punkt so weit wie nur irgend möglich betont worden ist," „Es kann dahingestellt bleiben," heißt es weiter wört lich in der Urteilsbegründung, „ob es zweckmäßig gewesen wäre, bei der fraglichen Karte der Tschechoslowakei schon von vornherein, ebenso wie bei den späteren Ergän zungskarten, den deutschen Charakter verschiedener deutsch böhmischer Städte aus Kosten der tschechischen Ortsbezeichnung noch stärker zu betonen. Die Beweisaufnahme hat jedenfalls zweifelsfrei ergeben, daß, was Böhmen anlangt, der Verlag Ullstein in einer Reihe anderer Karten, die gleichfalls dieses Land betreffen, den berechtigten Interessen der deutsch, böhmischen Landsleute durch restlose Ausführung der deut schen Ortsbezeichnung Rechnung getragen hat. Es ist weiter- hin festgestellt worden, daß auch bezüglich dieser einen um strittenen Karte der Tschechoslowakei die vom Verlag Ullstein eingesetzte wissenschaftliche bzw, kartographische Kommission sich für die volle Berücksichtigung der neuen tschechischen Orts bezeichnungen deswegen entschieden hat, weil dieser erste größere Atlas der Nachkriegszeit in der Haupt sache für die Kreise der Industrie und des Handels bestimmt war und zur Zeit des Erscheinens bzw. in der Feit vorher infolge der vielfach unerledigt erfolgten Rücksendung von Postsachen, die für böhmische Städte bestimmt waren und nur deutsche Ortsbezcichnungen führten, ein starkes Bedürfnis auch nach der Kenntnis der jetzigen tschechischen postalischen Bezeichnungen vorhanden war. Festgestellt ist weiterhin durch die Beweisaufnahme, daß der Verlag Ullstein bzw. die für die fraglichen Atlaskarten ver antwortlichen Persönlichkeiten bereits lange vor dem Er schein endesAtlasses eine den Interessen der Deutsch- Böhmen in jeder Weise Rechnung tragende Ergänzungs karte beschlossen hatten und daß sogar schon in der ersten Auflage ein Falz zur Aufnahme dieser aus technischen Gründen erst später — wie man vielleicht sagen kann: leider zu spät — herausgegebenen Karte ange bracht war . . . Bedauerlicherweise hat sich der Angeklagte, dessen vaterländische Bestrebungen an sich anerkannt werden, auf die sachliche Vertretung seines Standpunktes nicht beschränkt, sondern ist zu Angriffen gegen den Verlag Ullstein und damit auch gegen dessen Leiter llbcrgegangen, die dieser deutsche Verlag nicht verdient und die einen ehrenkränkenden Charakter haben, was eine erhebliche Ueberschreitung der Grenzen der Wahrnehmung berechtigter Interessen darstellt, Ueber die Zweckmäßigkeit und Wirksam keit vaterländischer Bestrebungen kann man verschiedener Meinung sein. Aber man hat, wie immer man politisch ein gestellt sei» mag, nicht das Recht, einen Verlag, dessen Mit arbeiter, wie die Beweisaufnahme ergab, sich mit ehrlichem Wollen bemüht haben, dem Vaterland aus die ihnen zweck mäßig erscheinende Art nach besten Kräften zu dienen, den schweren Vorwurf der vaterlandsloscn Gesinnung zu machen, und diese» Vorwurf enthalten die Wendungen des fraglichen Artikels. . . Dem Verfasser kam es, wie die Wahl seiner Worte zeigt, lediglich darauf an, dem Leiter des Ullstein-Verlages eine vater landslose, undeutsche Gesinnung zum Vorwurf zu machen. Nichts anderes bedeutet es aber, wenn er die vom Privatkläger herausgegebene Zeitung als Leibblatt des feindlichen franzö sischen Generals Fach bezeichnet und wenn es in diesem Zu sammenhang weiter heißt, daß der Verlag des Privatklägers als ein nur im juristischen Sinne deutsches Unternehmen be zeichnet werden kann, d. h. also den Ehrennamen eines deut schen Verlages nicht verdient. Für die sachliche Berech tigung dieser den Verlag Ullstein schwer verletzenden Aeuße- rungen fehlt es an jeglichen Unterlagen . . , Die Behauptungen des Angeklagten, daß der Verlag Ullstein mit der auf tschechischem Boden erscheinenden und als deutschfeindlich anzusprechenden „Prager Presse" irgend eine Gemeinschaft gehabt hat, ist in der Beweisaufnahme widerlegt. Festgestellt ist, daß gerade die „Rassische Zeitung" den großdeutschen Gedanken publizistisch betätigt hat, indem sie bereits vor dem Kriege, aber auch bis in die jüngste Zeit alle auf den Anschluß Deutschs st erreichs gerichteten Bestrebungen tatkräftig unterstützt hat. Die in Frage stehenden ehrenkränkenden Aeußerungcn entbehren »ach alledem jeder berechtigten Grundlage, waren weder objektiv notwendig, noch geignet, den angestrebte» Zweck der Vertretung deutsch- böhmischer Interesse» zu erreichen, noch konnten sic vom An geklagten dafür gehalten werden , . . Es ist Pflicht der Gerichte, in solche» Fällen, wo eine sachliche Gegnerschaft vor persönliche» Lhrenkränknngen nicht zuriickschreckt, dem hierfür zur Verantwortung Gezogene» durch eine entsprechende Strafe zur Kenntnis zu bringen, daß eine Herabwürdigung des politischen Gegners in bezug auf seine Persönlichkeit und seine deutsche vaterländische Ge stnnung nicht nur eine schwere Versündigung an den deutschen Wiederaufbauarbeiten, sondern ein strafbares Vergehe» darstellt."