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3074 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 57. 9. März 1912. Inhaber von A. Scheurlen's Buchhandlung in Heilbronn a/N., der Titel eines Hofbuchhündlers verliehen. Gestorben: am 6. März nach langem schweren Leiden Herr Carl Willum, Inhaber der Firma seines Namens in Berlin. Der Verstorbene betrieb seit 1. April 1604 eine Handlung von Lehrmitteln, Büchern, Landkarten, Globen und Gelegen heitskäufen. Seine Firma war dem Verkehr über Leipzig nicht angeschlossen, sondern verkehrte nur direkt. A«gust Töpler -j-. — Der bekannte Physiker Geheimrat Professor v,-. August Töpler ist am 3. März in Dresden im Alter von 76 Jahren gestorben. T. hat der Wissenschaft be- deutende Dienste erwiesen und durch zahlreiche schriftstellerische Arbeiten von seinen Erfindungen und Entdeckungen Kenntnis gegeben. Seine »Optischen Studien nach der Methode der Schlierenbeobachtung« zeigten, wie man eine ganze Reihe von Erscheinungen, die sich sonst der Beobachtung entziehen, sichtbar machen kann. Ebenso machte er die stroboskopischen Scheiben zur Beobachtung schwingender Körper nutzbar. Ernst Ä-chur -j-. — In Groß-Lichterselde ist am 6. März der Schriftsteller und Dichter Ernst Schur gestorben. Er hat nur ein Alter von 36 Jahren erreicht. Zuerst trat er 1867 mit einem Bändchen Lyrik an die Öffentlichkeit und gab in den folgenden Jahren eine Reihe von Kunstbüchern heraus, die von den Fachblättern mit großem Interesse ausgenommen wurden. Seine Schrift über japanische Kunst und vor allem »Die steinerne Stadt« hatten viel Erfolg. Diese Bücher, sowie auch der Kleine Führer durch die Nationalgalerie, der im vorigen Jahre erschien, zeigten Ernst Schur als feinsinnigen Stilisten und Kunst, kenner. Sprechsaal. Noch einmal der Lehrer als Vormund des Buchhändlers. (Vgl. besonders Bbl. 1811, Nr 286.) Im Hamburger Fremdenblatt vom 26. Februar wird aus Altona berichtet: »In der Bekämpfung der Schundliteratur wofür die städtischen Kollegien bekanntlich 1000 ^ bereitgestellt haben, sind jetzt die ersten Schritte eingeleitet. Vor kurzem sind an den An schlagsäulen Plakate angebracht,aufdenen dieFirmen namhaft ge machtsind, die nur vom hiesigen Jugendschriftenausschuß geprüfte und empfohlene Jugendschriften führen. Es wird beabsichtigt, in nächster Zeit den Eltern durch die Schul- kinder ein Flugblatt zuzustellen in dem auf die Deutsche Jugend bücherei, auf die »bunten Bücher«, die »bunten Jugendbücher« und die »Schaffsteinschen grünen und blauen Bändchen« als be sonders empfehlenswerte Jugendschriften hingewiesen werden soll.« Daß der Buchhändler sich derartige Vorschriften machen läßt, klingt nahezu unglaublich. Wenn er nebenbei einmal ein Buch eines bewährten älteren Schriftstellers verkauft, das zufällig nicht durch die Weisheit des unfehlbaren Richterspruchs auf die Liste gesetzt wurde, so hat er wohl zu gewärtigen, wegen dieses Kontraktbruchs zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Kollegen aber, die soviel Rückgrat besitzen, sich dieser Demütigung nicht zu unterwerfen, sollen nach der Diktatur der Allgewaltigen als nicht gleichberechtigt angesehen werden. Die Herausstreichung der »besonders empfehlens werten Jugendschriften« zeigt wieder einmal im grellsten Licht, für wen diese Volksbeglücker in erster Linie Geschäfte machen wollen. Ich setze als bekannt voraus, daß an sämtlichen oben genannten Serien Lehrervereinigungen usw. interessiert fmd. An der Deutschen Jugendbücherei: Die Vereinigten Deutschen Prüfungs ausschüsse, an den grünen und blauen Bändchen: Der Hamburger Lehrer und Prüfungs-Ausschußleiter Nicolaus Henningsen, an den Bunten Büchern und Bunten Jugendbüchern: Die Freie Lehrer- Vereinigung für Kunstpflege. München. Georg W. Dietrich. Im Zusammenhang mit dem Vorstehenden dürfte eine Notiz aus der »Vossischen Zeitung« vom 25. Februar d. I. interessieren, die wie folgt lautet: »Der Kampf gegen die Schundliteratur in Neukölln. Der jahrelange Streit, der zwischen der Städtischen Schuldeputation und den Schulbuchhändlern in Neukölln wegen des Feilbietens von Erzeugnissen der Schundliteratur geschwebt und sogar zu Prozessen einzelner Papierwarenhändler gegen den Magistrat wegen des über sie verhängten Schulboykotts geführt hat, ist jetzt endgültig beigelegt. Nachdem schon im Vorjahre die meisten Schulbuchhändler die Erzeugnisse der Schundliteratur aus ihren Auslagen entfernt und nur solche billigen Jugend- schr'ften ausgestellt und verkauft hatten, die ihnen von dem Kunstausschuß des Neuköllner Lehrervereins empfohlen worden waren, hat sich jetzt der Verein der Säiul- buchhändler in Neukölln entschlossen, die in jedem Monat erscheinenden Neuheiten an billigen Jugendschriften, soweit sie für Neukölln in Betracht kommen, dem Kunstausschuß zur Be gutachtung vorzulegen. Von dem Urteile des Kunstausschusses wird es abhängen, ob den Buchhändlern die betr. Schriften von dem Verein zur Einführung empfohlen werden oder nicht. Damit scheint eine Einrichtung getroffen worden zu sein, die sich, gewissenhaft gehandhabt, wohl im Interesse aller be teiligten Kreise erweisen wird.« Wie uns auf Anfrage bei dortigen Kollegen mitgeteilt wird, gehört nur eine einzige größere Buchhandlung dem Verein der Schulbuchhändler an, der sich sonst nur aus Vertretern des Papierhandels rekrutiert, von denen die meisten natürlich auch nebenbei Schulbücher verkaufen. Diesen vielen kleinen Geschäftsinhabern fehlt es, wie uns weiter mitgeteilt wird, zum Teil an der nötigen Intelligenz, Gutes von Schlechtem zu unterscheiden; die Auslagen strotzten oft von den gewöhnlichsten Erscheinungen der Schundliteratur, die viel von den Schulkindern in diesen sogenannten Schul buchhandlungen gekauft wurden. Da die Kinder aufge fordert wurden, diese Handlungen zu meiden, kam es zu einem Streit zwischen den Händlern und der Behörde, der jetzt beigelegt ist. »Bestrebungen der Lehrer, da einzu greifen, wo es not tut, sind nur zu billigen und den kleineren Händlern dürfte mit einer Empfehlung guter Schriften nur ge dient sein. Im übrigen«, fährt der Briefschreiber fort, »stehe ich auf dem Standpunkte, daß jeder wirkliche Buchhändler selbst am besten weiß, was er führen kann und darf.« Es wird also wesentlich auf die örtlichen Verhältnisse und die Art der Händler von »Jugendschriftenliteratur« ankommen, ehe man den Stab über jede Einmischung von dritter Seite bricht und Herrn Dietrich in jeder Beziehung zustimmt. Nur da, wo wirkliche Buchhändler am Platze sind, die sich ihrer Verantwort lichkeit voll bewußt sind, sollte man mit aller Energie jeden sonderer Begünstigung einzelner Unternehmungen durch die Lehrerschaft auch nicht vor der öffentlichen Aufklärung des Publi kums zurückschrecken, daß für diese Empfehlungen oft noch andere Gründe als rein pädagogische maßgebend sind. Red. Eisenschmidtsche Kartenwerke. Seit einiger Zeit empfiehlt die Firma R. Eisenfchmidt, die Auslieferungsstelle der von der Preußischen Plankammer heraus gegebenen Kartenwerke, auf den Meßtischblättern in aufdringlicher Weise ihre Firma zum Bezüge der Meßtischblätter. Wir Buch händler wissen ja ohnehin schon, daß wir die Werke der Plankammer nur durch R. Eisenschmidt beziehen können, der Zweck des neuerlichen Ausdrucks kann also nur der sein, daß das Publikum sich — unter Umgehung des Sortiments — bei Bedarf an Meßtischblättern direkt an Eisenschmidt wenden soll. Das Sortiment muß gegen diese Schädigung durch die amt liche Vertriebsstelle der Kartenwerke der Plankammer um so mehr Einspruch erheben, als die Plankammer selbst schon durch ihre Vor zugsofferten an Behörden, Verbände, Wandervögelklubs usw- das Ansehen des regulären Sortiments schädigt. Duisburg, 24. Februar 1612. Albert Köndgen.