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Börsenblatt f. b. deutschen Buchhandeü Nichtamtlicher Teil. 5829 Legende »Der Christliche Sternenhimmel« mit Holz schnitten nach Zeichnungen von Ludwig Seitz hat bereits viele Auflagen erlebt. Neben Stolz steht Johannes Janssen als einer der ge feiertsten unter den Schriftstellern mit seiner epochemachenden »Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgange des Mittelalters« (in sechs Bänden), die schon sechzehn Auflagen erlebte. Mit Janssen stand Herder bis zu seinem Tode in einer ganz besonderen Herzensfreundschaft. In Bezug auf theologische Werke ist der Herdersche Verlag von seltener Vielseitigkeit. Das ' Sammelwerk Theologische Bibliothek, das nach dem Konzil be gonnen wurde, umfaßt bis setzt eine stattliche Anzahl Bände. Mit Schätzler und Scheeben traten die zwei begabtesten Vertreter der neueren Richtung innerhalb Deutschlands in den Kreis der Mitarbeiter Herders. Die Mysterien des Christentums von Scheeben sind eines der geistreichsten Werke der neueren Theologie. Von den im Herderschen Verlag erschienenen Werken über Apologetik des Christenthums von A. M. Weiß, Vosen und von Hettinger hatte letzteres einen Erfolg, der alle Erwartungen übertraf. Hetlingers Apologie, eine großartige, meisterhafte Leistung, haben sich die meisten Völker Europas durch Uebersetzung angeeignet. Ueber Moral erschienen im Herderschen Verlage inner halb weniger Jahre sieben Lehrbücher. Unter den zeitgemäßen sozialen Werken ist die Armenpflege von Ratzinger das bedeutendste; auch die Einleitungswissenschaften weisen eine stattliche Anzahl von Namen auf. Unter den Schriften über Kirchengeschichte steht weit über allen anderen Veröffentlichungen Herders die »Con- ciliengeschichte« von Bischof Hefele, 7 Bände. Die Neu bearbeitung dieses gefeierten Werkes hat Knöpfler über nommen, zwei Bände Fortsetzung Kardinal Hergenröther geliefert. Es folgt eine große Menge kirchcn- und kultur geschichtlicher, dogmatischer und archäologischer Arbeiten, darunter die polemischen Schriften und die Regesten Leos X. von Kardinal Hergenröther, sowie des Letzteren dreibändiges Handbuch der allgemeinen Kirchcn- geschichte. Die Verlagswerke über Kirchenrecht, Pastoral- Liturgik und Homiletik weisen treffliche Schriftsteller als Mitarbeiter auf. Wer im Herderschen Katalog den Titel Katechismus aufschlägt, findet nebeneinander die Namen Canistus, Martin, Hirscher, Schuster, Deharbe. Schon im Jahre 1815 hatte Bartholomäus Herder den kleinen katholischen Canisi verlegt. Das war noch die gute alte Zeit der Katechetik. Katechismus folgte auf Katechismus, sie bilden ein Merkmal jener tiefgreifenden geistigen Kämpfe, unter denen sich der Umschwung einer neuen Richtung seit dem Anfang der sechziger Jahre vollzog. Eine größere Verbreitung errang Schusters Biblische Geschichte; wohl selten hat ein Werk so viele Bearbeitungen durch ausgezeichnete Männer und so viele Auflagen und Uebersetzungen in fremde Sprachen erlebt wie dieses. Dazu schrieb Schuster eiu weiteres Werk: das große Handbuch für Katecheten, und diesem reihte sich die große Bilder bibel mit reichem Bilderschmuck an, die ebenfalls in ver schiedenen Sprachen erschien. Eine große Bedeutung legte Benjamin Herder der pädagogischen Litteratur bei. Er begann am Abend seines Lebens ein bedeutendes Unternehmen und hinterließ damit seinem Nachfolger die Aufgabe der Förderung und Fort setzung der Verlagsthätigkeit auf diesem Gebiete. Wir meinen die Bibliothek der Pädagogik. Endlich erwähnen wir noch unter den asketischen Achtundlechzigster Jahrgang. Schriften: Sintzel, Anleitung zur Vollkommenheit in sechs Bänden. Der Wirksamkeit Herders auf den verschiedenen Gebieten der kirchlichen Litteratur, an und für sich eine bewunderungs würdige Leistung eines Menschenalters, erstreckte sich aber auch über einen reichhaltigen, allgemein-wissenschaftlichen Verlag. In Geschichte und Philosophie begründete eine Reihe von Werken namhafter Schriftsteller seinen Ruhm. Eine besondere Aufmerksamkeit wendete er den Naturwissen schaften zu. Lange Zeit an der Verwirklichung eines Unter nehmens arbeitend, gelang es ihm am Abend seines Lebens, unter der Leitung von Wildermann das Jahrbuch der Naturwissenschaften, eine kurze, aber vorzügliche und sehr lehrreiche Ueberschau über die Fortschritte auf sämtlichen Ge bieten, die hierher gehören, herauszugeben. Auch besondere Erwähnung verdient die Thätigkeit Herders in Bezug auf Förderung der Kenntnisse in Länder und Völkerkunde. Von den vielen hierher gehörenden, zum Teil umfang reichen Werken nennen wir nur die schöne »Jllustrirte Länder- und Völkerkunde«, eine besondere Zierde des Herderschen Verlags. Namhafte Schriftsteller, wie Behr, Kolberg, Schütz-Holzhausen, Hesse-Wartegg, Lux und Schweiger- Lerchenfeld, sind hier vertreten. Auch der Musik hat Benjamin Herder eine heimische Stätte geboten; das klassische Werk von Bäumker und andere in der Tonwelt wohlbekannte Namen begegnen uns hier; die Zeitschrift des Freiburger Cäcilien- Vereins fand in ihm ihren Verleger. Nicht unerwähnt darf hier der Schulbücherverlag bleiben, wenn man die Menge der Unterrichtsbücher überblickt, die aus dem Herderschen Verlag hervorgingen. Unter diesen hat das Lesebuch für Volksschulen von Bumüller und Schuster allein schon 78 Auflagen erlebt. Die von Herder veranlaßten Naturwissenschaftlichen Schulbücher erfreuen sich vieler Anerkennung und erscheinen in immer neuen Auf lagen. Ein tüchtiges anziehendes Buch ist die Deutsche Litteratur-Geschichte von Lindemann und die Ge schichte der deutschen National-Literatur von Bru- gier, die, stets von neuem überarbeitet, bereits in 8. Auflage erschienen ist. Aus der großen Zahl von etwa 500 Mitarbeitern, die Herder im Laufe der Jahre gefunden hatte, nennen wir nur die Namen: Alex. Baumgartner, Kreiten, Beissel, Pesch, Deharbe, Hattler, Meschler, A. Scherer, Schleiniger, Lorinser, Spillmann, Bischof Ehrler, v. Hirscher, Knecht, Pastor. Ueberblicken wir die staunenswerte Fruchtbarkeit eines einzigen Menschenalters, so müssen wir die fast beispiellose Thätigkeit bewundern, die Benjamin Herder entfaltete. Er war ein Mann gediegener, ernster, beharrlicher Arbeit. So jung er beim Antritt seiner Geschäftsführung war und so hoch er sein Ziel gesteckt hatte, so maßvoll und überlegend ging er auf dieses los. Zu den Eigentümlichkeiten seines Charakters gehörte stets, daß die Kühnheit im Unternehmen von einer großen Besonnenheit gemäßigt wurde, und daß, was so selten nebeneinander zu finden ist, die höchste Idealität, die zuverlässigste Solidität und eine unerschütter liche Ausdauer im innigsten Verbände miteinander standen. »Bei allen meinen Unternehmungen«, schrieb er im Jahre 1843, »leitet mich der Gedanke, was meine Schultern tragen und was sie nicht tragen können. Ein Geschäft, welch immer einer Art, es möchte den größten Gewinn bieten, wird von mir nicht unternommen, wenn ich nicht bestimmt voraussehe, daß ich es ehrenvoll zu Ende führen kann.« Dabei suchte er bei allem, was er übernahm, die mög lichste Gediegenheit und Schönheit zu schaffen. Seinem ganzen Wesen nach war er, wie er sich selbst ausdrückt, ein ab- 767