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Nichtamtlicher Teil. Der XXVI. Kongreh der ^88ocia1ion litleraire et art>8tique internationale, in Marseille (24.—29. September 1904). (übersetzt aus Droit ä'^utsur, 1904, Oktobernummer, S. 118—125.) Zum ersten Male seit ihrer Gründung hielt die ll88ociatiou littbrairs et artütigus intsruationals ihren jähr lichen Kongreß in einer andern Stadt ihres Ursprungslandes als in der Hauptstadt Paris ab, während sie ziemlich häufig in verschiedenen Städten des gleichen Staates getagt hatte, so in Dresden, Heidelberg und Weimar (Deutschland), in Antwerpen und Brüssel (Belgien), in Barcelona und Madrid (Spanien), in Mailand, Neapel, Rom, Turin und Venedig (Italien), in Bern, Genf, Neuenburg und Vevey (Schweiz). Die zweitgrößte Stadt Frankreichs fiel naturgemäß den Veranstaltern des Kongresses als Versammlungsort schon deshalb ein, weil Marseille, die Wiege verschiedener sich folgender Zivilisationen, jenes kosmopolitische Aussehen, jenes künstlerische Gepräge besitzt, das die Teilnehmer von vornherein anziehen und einnehmen mußte. So errang denn der Gedanke, in der alten Phokäer- stadt, die heute die erste Hafenstadt Frankreichs geworden ist, zu tagen, den wohlverdienten Erfolg. Der Kongreß trug sowohl einen internationalen wie einen intimen Charakter, erstem in seiner Zusammensetzung und seinen Arbeiten, letztem infolge des herzlichen Empfangs und der liebens würdigen Aufnahme, die er in der Hauptstadt der Provence bei den städtischen Behörden, vor allem beim Bürgermeister Herrn Chanot, und in der ganzen Gegend fand. Das 8/v- äiost ä'iiütiotivs äs Drovsuss — wir würden sagen, der proven- yalische Verkehrsverein — hatte unter dem Vorsitz des Herrn Estrine zwei Ausflüge organisiert: an einem Tage ging es nach Tarascon, nach Remy mit seinen römischen Altertümern, nach Les Beaux, einer vollständig in den Felsen eingegrabenen Stadt, die lange gänzlich verlassen war, jetzt aber wieder aus ihren Ruinen ersteht und deshalb das provenyalische Pompeji genannt wird, und von da nach Arles mit seinen zahlreichen Monumenten, seiner Arena und seinem griechischen Theater; an einem andern Tage wurde Aix besucht, dessen Sehenswürdigkeiten und Schönheiten bei allen Kennern einen wohlbegründeten Ruf genießen. Unter den Personen, die sich am meisten Mühe gaben, den Kongreßteilnehmern den Aufenthalt in Marseille angenehm zu machen, sind die Herren Auquier, Direktor des Museums Longchamp, die Maler Vimard und Silberi, die Herren Ciry und Jsouard zu nennen. Letzterer machte in der zuvorkommendsten Weise den Führer im »Cremoscle«, einem vor kurzem er- öffneten proven^alischen Museum, das schon eine reiche Sammlung von interessanten Gegenständen ans der Geschichte jener gesegneten Gegend enthält. 4- * * Nach einer feierlichen Eröffnungssitzung, die am 24. September in der großen Aula der Ussults äs8 «oisvosZ unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Chanot mit Be grüßungsreden des Vorsitzenden der Advokatengilde von Marseille und des Empfangsausschusses, des Herrn Jourdan, und der verschiedenen Delegierten stattfand, wurden am Montag den 26. September die Beratungen ausgenommen und in fünf Sitzungen unter der tatkräftigen Leitung des Herrn Georg Maillard, stellvertretenden Vorsitzenden der ^ssoolg-tiov, durchgeführt. Dieser vertrat die Vereinigung auch in wirklich beredter und ausgezeichneter Weise, während das »Gesellschaftliche« in den bewährten und fürsorglichen Händen des Herrn Jules Lermina, des ständigen Sekretärs der Vereinigung, lag. Zum allgemeinen Bedauern hatte der Vorsitzende, Herr Eugen Pouillet, aus Gesundheitsrücksichten sich nicht nach Marseille begeben können; wie jedoch in der von Herrn Henri Morel geleiteten Schlußsitzung von Herrn Lucas feinsinnig betont wurde, »litt das Werk, dem Meister Pouillet so hochherzig sein Leben gewidmet hat, keinen Schaden, dank der Hingabe seiner Mitarbeiter und Schüler; sein Bild war gewissermaßen bei allen Verhandlungen des Kongresses gegenwärtig«. Urheberrecht an musikalischen Werken. Die erste Sitzung wurde auf das Verlesen und Besprechen von drei Berichten verwandt, die sich mit dem Urheberrecht an musi kalischen Werken beschäftigten. Herr P. Wauwermans hatte die Frage der Aufführung solcher Werke zum Gegen stand einer Rechtsstudie gemacht, deren Schlußfolgerungen so klar formuliert waren und so sehr den von der Association aufgestellten Anschauungen über Urheberrecht entsprachen, daß sie ohne Einsprache gutgeheißen wurden (siehe hiernach das Verzeichnis der Beschlüsse unter L. b. 3). Von dem einfachen Grundsatz Alphons Karrs ausgehend, daß das geistige Eigen tum ein Eigentum ist, bekämpft der Berichterstatter vor allem die nur zu häufige Verwechslung zwischen den beiden Nutzungsarten eines musikalischen Werks, der verlegerischen Herausgabe und der Aufführung; es sind dies zwei ganz verschiedene Rechte, mag man ihnen auch, ganz ohne sachlichen Grund, eine verschiedene Schutzdauer einräumen. Das Aufführungsrecht sollte unbedingt gewahrt werden; des halb ist sowohl der Zwangsenteignung, die unter dem Deck mantel der Wohltätigkeit oder des Bildungsbedürfnisses ohne irgend welchen Entgelt von oben herab diktiert wird, als auch den Einschränkungen dieses Rechts zugunsten gewisser (mechanischer) Aufführungsnrtcn grundsätzlich entgegenzutreten; und ferner ist sowohl die Freigabe teilweiser Aufführungen, von Bruchstücken, Auszügen oder Bearbeitungen, als auch die obligatorische Anbringung eines Vermerks zur Untersagung der Aufführung, als eine rechtlich unhaltbare und gefährliche Maßregel zu bekämpfen. Mit diesem Bericht begegnete sich derjenige des Herrn I. Lobel darin, daß er ebenfalls diesen Aufführnngsvorbehalt abzuschaffen vorschlug. Der Berichterstatter führte aus, daß da, wo die Verpflichtung zu einem solchen Vorbehalt noch besteht, die Verleger die Anbringung desselben mit der Begründung verweigern, ein solcher Vorbehalt verhindere den Vertrieb der Musik, was, wie mit Beispielen belegt wird, ein bloßer Vorwand ist, der das Aufführungsrecht der Komponisten ganz wesentlich hemmt. Herr Lobel wendet sich ferner gegen die Privilegien der blühenden Industrie der mechanischen Musikinstrumente, deren mißbräuchliches Vorgehen in Italien ebenfalls von Herrn Clausetti, dem Vertreter des Hauses Ricordi, getadelt wird. Von den Fabrikanten solcher In strumente wird das gewerbliche Eigentum, werden die Er finderrechte geachtet, und sie könnten jedermann, sogar den Autor, gerichtlich belangen, der in Verletzung eines Patents ebenfalls solche Instrumente oder durchlochte Notenscheiben Herstellen wollte; dagegen nehmen sie dem Komponisten sein künstlerisches Eigentum ungescheut weg. Dabei haben sie gar nichts zu verlieren, da sie sich wohl hüten, auf ihre aus wechselbaren Notenrollen und Scheiben wertlose Stücke auf zunehmen, sondern nur im Erfolge erprobte Werke heraus geben. Endlich bekämpft Herr Lobel die Einschränkungen des Aufführungsrechts, wie sie teils vom Gesetzgeber (Deutsch land), teils von der Verwaltung durch besondere Reglements (Frankreich) vorgesehen wurden. Während man sich in bezug auf dramatische Werke an das gemeine Recht hält, wird dem