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9342 Nichtamtlicher Teil. ^ 251, 27. Oktober 1904. noch nicht gemeinfrei gewordenen Werken handelt, die aus rein gewerbsmäßiger Absicht von entgleisten, ver bitterten oder beschäftigungslosen Künstlern kopiert werden. Solche Beschränkungen könnten bestehen in der Nötigung, das Werk in andern Dimensionen wiederzugeben, sodaß jede Ver wechselung zwischen Original und Kopie vermieden würde, oder auch in der Verpflichtung, die Arbeit mit Unterschrift zu versehen und letztere mit den Worten zu begleiten »nach dem Gemälde von N. N.« Auf diese Weise würde man den Künstlern etwas wieder zurückgeben, was man ihnen ohne Recht wegnimmt. Diese Darlegungen, die nach dem Präsidenten »neu und sehr interessant« sind, und deren innerer Zusammenhang mit der Frage der Erhaltung historischer Denkmäler Herrn Lucas nicht entgangen war, führten zu einer lebhaften Diskussion, in der zwei parallel laufende Jdeengänge sich gellend machten: der eine betonte, die soziale Stellung der Museen, die als Einrichtungen für Unterrichtszwecke und für die Geschmacks bildung der Kunstschüler und des Publikums zu dienen hätten; der andere stellte die Achtung in den Vordergrund, welche den vom Künstler ausgedrückten Gedanken gezollt werden sollte. Ferner wurden mehrere Einzelvorschläge hin sichtlich einer strengen Handhabung des Vervielsältigungs- rechtes eingereicht; so wurde als Obligatorium die Zustimmung des Künstlers zu der Vervielfältigung verlangt, die Ver schiedenheit des Formats der Kopie, die Angabe des Namens des Originalautors und des Museums, das sein Werk aufbewahrt. Anderseits verfocht Herr Osterrieth die Ansicht, daß man, um der Frage ihren internationalen Charakter zu wahren, vorerst die Bestimmungen der auf diesem Gebiet in den einzelnen Ländern bestehenden Gesetze prüfen solle. Schließ lich nahm der Kongreß eine vom Vorsitzenden verfaßte, ein fachere und allgemeiner gehaltene Formel an, welche einer internationalen Umfrage über den jetzigen gesetzlichen Zustand und die bestehenden Gebräuche den Weg bahnt, die durch die Ausarbeitung eines Muster-Reglemeuts-Entwurfes zu beendigen wäre. Der Kongreß sprach sich aber schon jetzt für das Persönlichkeitsrecht des Künstlers aus, das ihm gestatten soll, den Vertrieb schlecht ausgeführter und seinem Künstler ruf zu nahe tretender Kopien zu untersagen. Schutz der architektonischen Werke. Um die hier auf bezügliche Ausgestaltung der Landesgesetzgebungen zu fördern, verlangte Herr Georges Harmand vom Kongresse, er möge neuerdings die auf diesem Gebiet von verschiedenen andern Kongressen schon angenommenen Postulate bestätigen, die nur durch die Erwähnung der unterdessen eingetretenen neuen Tatsachen zu vervollständigen wären. Diese Postulate wurden denn auch angenommen, trotz der gegenteiligen Stellung des Herrn Eisenmann, der die Meinung vertrat, es sei unmöglich, die Architekten den andern Künstlern gleich zustellen, da es ja feststehe, daß der das Werk bestellende Eigentümer das Recht habe, es später unlzuändern. Herr Lucas antwortete ihm, daß allerdings der Eigentümer eines Werks der Architektur dieses ändern, ja sogar ver stümmeln könne, daß aber in diesem Fall der Architekt das korrelate Recht haben müsse, seinen Namen auf dem Werk zu unterdrücken und letzteres auf diese Weise zu verleugnen. Schutz der technischen Werke. Der Bericht des Herrn Andre Taillefer über diese Frage war so klar und knapp gehalten und mit so guten Belegen versehen, daß es sehr schwierig ist, ihn zusammenzufassen. In großen Zügen sagt er folgendes: Da in den meisten Ländern das Gesamtgebiet des geistigen Eigentums durch drei Haupt gesetze geregelt wird, nämlich durch die Gesetze über Er- findungspatente, über literarisches und künstlerisches Eigen tum und über gewerbliche Muster und Modelle, so können die technischen Werke, also die wissenschaftlichen Werke und Jngenieurarbeiten, die ebenfalls Geisteswerke sind, folgendermaßen geschützt werden: Bezieht sich das tech nische Werk auf eine Erfindung oder Entdeckung, die zu einem gewerblichen Ergebnis führt, so muß das Patent gesetz angerufen werden, denn der Schutz erstreckt sich alsdann auf die eigentliche Entdeckung, und der patentierte Erfinder kann während der beschränkten Dauer seines Mono pols sich der Erzeugung irgend eines Apparats oder eines Produkts, die die wesentlichen Merkmale seiner Erfindung an sich tragen, widersetzen. Unabhängig von diesem Gesetz und neben ihm kann jedoch der Autor den Schutz des Gesetzes betreffend das künstlerische Eigentum ansuchen, wenn es sich um die Form des Werkes handelt—sei es um die literarische Form (Angaben und Beschreibung), sei es um die graphische oder plastische Form (Zeichnung, Plan, materielle Ausführung) —denn diese Art von Gesetzen schützt nicht den Grundinhalt der Idee, sondern einzig und allein die vom Autor zur Darstellung seiner Gedanken gewählte Form. Übrigens kann diese Form eine sehr bescheidene sein, wenn nur ein neues und charakteristisches Element vorhanden ist. Auf diese Weise werden, für sich betrachtet, ein Fabrikplan oder ein Absteckungsplan für einen Weg oder eine Eisenbahn oder eine Wasserleitung usw., und ebenso die originelle Form einer Maschine, eines Fabrikkamins oder irgend eines andern rein praktischen Baues geschützt. Dagegen wäre der Schluß zu verwerfen, daß nun einzig und allein auf Grund des Gesetzes über das künstlerische Eigentum ein Ingenieur, der eine llrs.es in einer Gegend entworfen hat, auch das Recht beanspruchen dürfe, einen andern Ingenieur daran zu hindern, seinerseits die gleiche Eisenbahn usw. mit einem nach der Lage der Verhältnisse und der Bodenbeschaffenheit gleich artigen llrsos auszuführen. Wollte man im Schutz noch weiter gehen, so müßte dies in der Richtung einer zweckmäßigen Ausdehnung der Patentgesetzgebung geschehen und dürfte keineswegs zu einer Abänderung des Gesetzes über künstle risches Eigentum führen, denn sonst würden alle Grundsätze über den Haufen geworfen. Eine solche Ausdehnung des Schutzes hinsichtlich des Wesens und nicht der Form der geistigen Erzeugnisse ist aber weder wünschenswert noch möglich, denn es ist kaum einzusehen, wie man der Ent deckung eines mechanischen oder geometrischen Theorems oder einer Himmelserscheinung oder einer physischen Strahlung ein, wenn auch nur kurze Zeit dauerndes Monopol und damit eine Nutzungsfähigkeit zuschreiben wollte. Dagegen gestattet die Anwendung der allgemeinen Rechtsprinzipien dem Autor eines technischen Werkes den Genuß der Früchte seiner Anstrengungen in ziemlich weitherziger Weise. Herr Taillefer hatte in seinem Bericht den von Herrn Pesce an den Kongressen von Heidelberg und Weimar ver fochtenen Standpunkt kritisiert, und die Debatte verfolgte den gleichen Weg. Man machte geltend, in der einer fremden Gedankenwelt entnommenen Entlehnung liege immer etwas Ungreifbares, und es sei schwierig, ein rein geistiges, unfaßbares Eigentum zivilrechtlich zu schützen, das sich zudem stets auf schon früher bekanntem Wissen aufbaue. Die Art und Weise, wie neben der in einer lite rarischen oder künstlerischen Form ausgedrückten Idee noch der »wissenschaftliche Gehalt« zu schützen sei, der in dem Werke eines Ingenieurs liegt, muß noch gefunden werden und zwar vielleicht durch eine Verbesserung der Gesetze über gewerbliches Eigentum. Da klar wurde, daß man hierüber noch kein bestimmtes Kriterium besitzt, und daß man sich hier erst in den Anfängen befindet, so nahm der Kongreß den Antrag des Herrn Pesce an, durch eine internationale Umfrage die Gutachten der verschiedenen Jngenieurvereine einzuholen. (Schluß folgt.)