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9340 Nichtamtlicher Teil. ^ 251, 27. Oktober 1904. Komponisten zugemutet, zwangsweise Wohltätigkeit zu üben. Der Berichterstatter verlangt die Aufhebung dieser Ein schränkungen, was auch immer die Art der Aufführung und die besondern Eigenschaften der Aufführenden seien, was der zweiten These des Herrn Wauwermans entspricht. In bezug auf die mechanischen Musikinstrumente hält der Kongreß dafür, die wünschenswerten Abänderungen seien schon in den Vorentwurf der Revision der Berner Über einkunft ausgenommen worden; übrigens müsse man sich in acht nehmen, nicht etwa durch eine unkluge Fassung eines Beschlusses zu gunsten der Beseitigung von Ziffer 3 des Schlußprotokolls zu dieser Übereinkunft den Gedanken auf- kommen zu lassen, diese beziehe sich auf alle mechanischen Musikinstrumente ohne Ausnahme, denn in jener Ziffer sind einzig und allein die im Jahre 1885 bei der Beratung der Konvention überhaupt allgemeiner bekannten Drehorgeln und Musikdosen in Berücksichtigung gezogen worden, wie dies nach Herrn Wauwermans die belgischen Gerichte an erkannt haben. Der eingehend belegte und bündige dritte Bericht des Herrn Joubert trägt den Titel: Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit bei Aufführungen. Die Haupt bedingung, von der der Gesetzgeber das ausschließliche Auf führungsrecht des Autors abhängen läßt, ist die Öffentlichkeit. Woran soll man aber den besondern Charakter der Öffent lichkeit, der dem Antor die Geltendmachung seiner Rechte erlaubt, überhaupt erkennen? Eine öffentliche Aufführung ist »diejenige Aufführung, die vor einer Gemeinschaft von Personen veranstaltet wird, besonders herbeigerufen, um sich ein Werk der Literatur oder Kunst an einem bestimmten, jedermann zugänglichen Ort anzusehen oder an zuhören«. Eine private Aufführung dagegen ist »diejenige, die an einem Ort gegeben wird, wo die Öffentlichkeit niemals Zutritt erhält, wohin im Gegenteil jeder einzelne zum voraus persönlich und mit Namen eingeladen wird, unter Ausschluß aller derjenigen, welchen keine solche Einladung zu teil wird.« Dieser Begriff der Öffentlichkeit ist nun dadurch verwickelter gemacht worden, daß man damit denjenigen der Entgeltlich keit verband. Aber eine Aufführung braucht durchaus nicht gegen Entgelt stattzufinden oder in gewinnsüchtiger Absicht veranstaltet zu sein, um gleichwohl als öffentlich und deshalb als der Aufsicht des Komponisten unterliegend angesehen zu werden; übrigens ist immer Gewinn in irgend welcher Form da, sobald die Aufführung an die Öffentlichkeit tritt. Schwierigkeiten entstehen aber, wenn es sich um eine private Aufführung an einem öffentlichen Ort oder um eine öffentliche Aufführung an einem privaten Ort handelt. Indessen genügt es, »dem Publikum einen sonst als öffentlich bekannten Ort zu verschließen und dort nur den ausdrücklich und persönlich bezeichneten Personen Einlaß zu gewähren, um das öffentliche Etablissement seines gewöhnlichen Charakters zu entkleiden«. Umgekehrt »kann ein privates Etablissement an dem Tage als ein öffentliches betrachtet werden, wo das Publikum ausnahmsweise zu ihm Zutritt bekommt, ohne daß man es dazu persönlich einladen müßte, wenn es also entweder gegen Bezahlung oder ohne Bezahlung freien Einlaß hat«. Der Berichterstatter faßt die in dieser Hinsicht von den französischen Gerichten aufgestellten Grundsätze, die nach seiner Ansicht eine durchaus wohlgeordnete Rechtsprechung darstellen, zusammen (er wird auf Antrag des Herrn Eisenmann seinen Bericht mit der genauen Angabe der verschiedenen Urteile vervollständigen, worauf die Fachmänner hiermit aufmerksam gemacht seien) und kommt zum Schluß, daß die Möglichkeit, eine Abgabe zugunsten des Autors zu fordern, dann bestehen sollte, wenn jedermann am Genuß des musikalischen Eigentums teilnehmen darf. Das Recht des Autors, seine Genehmigung zur öffentlichen Aufführung aus zusprechen, ist alsdann ein unbedingtes, denn hier sieht ein wirkliches Eigentum auf dem Spiel, das im Grunde der Dinge keine zeitlich beschränkte Schutzdauer haben sollte. In der auf diesen Bericht folgenden Diskussion schien das Wechselverhältnis zwischen Öffentlichkeit und Entgeltlich keit oder Unentgeltlichkeit nicht genügend aufgeklärt. Nach Herrn Castori, Professor in Padua, ist die Unentgeltlich keit keineswegs unvereinbar mit der Öffentlichkeit, während dagegen die Entgeltlichkeit notgedrungen einer Vereinigung, selbst wenn sie in einem Privatlokal stattfinde, den Stempel der Öffentlichkeit aufdrücke. Dieser Ansicht gegenüber macht Herr Osterrieth geltend, daß auch entgeltliche Aufführungen durchaus einen privaten Charakter tragen können. Öffenbar war man allgemein noch darüber im Zweifel, ob die Un entgeltlichkeit die unentgeltliche Zulassung der Zuhörer oder aber die unentgeltliche Mitwirkung der Ausübenden ein schließe. Deshalb wurde die Prüfung der Bedingungen, die für das Vorhandensein der »Öffentlichkeit« aufzustellen sind, einer Kommission überwiesen, die das nötige Unterscheidungs merkmal finden und eine befriedigende Formel aus arbeiten soll. Eine Bemerkung des Herrn Pfeifer, der den von fran zösischen Verlegern geübten Brauch kritisierte, von gewissen Tonwerken nur die Partitur auszuleihen, ohne sie in den Handel zu bringen, wurde mit der Bemerkung des Herrn Joubert erledigt, daß dieser, übrigens auch in andern Län dern vorkommende Brauch manchmal das beste Mittel bilde, um den Autor gegen Nachdruck und unbefugte Aufführungen zu schützen; übrigens könne der Autor, der damit nicht ein verstanden sei, sich durch eine besondere Bestimmung seines Verlagsvertrags dagegen verwahren. Kunstverlagsvertrag. Die Behandlung dieser Frage nahm fast die ganze zweite Sitzung ein. In seinem aus gezeichneten Bericht verweist Herr Albert Vaunois zuerst auf die besondere Natur des Verlagsvertrags und auf das Bestreben des Gesetzgebers, eher den Vertrieb der Original werke, als denjenigen der Wiedergaben zu überwachen (siehe den Entwurf Jbels, Droit ä'^utsur 1904, S 99), und stellt sodann fest, daß die Kunstverleger gewöhnlich diejenigen Verträge, die ihnen den Gesamtnutzen zusprechen, den Ver trägen, in denen zugunsten des Künstlers eine gewisse Ab gabe auf den Verkauf oder gewisse Rechte der Wiedergabe des Werkes vorgesehen sind, vorziehen. So haben sie im Jahre 1894 »ein Formular aufgestellt, wonach der Künstler ihnen das Originalwerk zu vollem Eigentum abtritt, mit dem Recht, es in allen Ausdehnungen und in jedem Material wiederzugeben, das Werk umzuarbeiten und den Namen des Künstlers darauf zu setzen oder auch wegzulassen. Der Autor hat dann also weiterhin gar keine Beziehung zu seiner Schöpfung und besitzt rein nichts mehr an seiner Arbeit«. Und doch wäre es für die Verleger selber vorteil haft, den Künstler unabhängig zu machen und weder seine Rechte, noch seine Persönlichkeit zu opfern, da die Zukunft des Kunstgewerbes hiervon abhängt. Herr Vaunois ist daher der Meinung, man sollte Musterverträge ausarbeiten, deren Lücken allmälich ausgefüllt würden. Die Interessenten regen sich. Im Juni 1904 wurde in einer von Vertretern aller Beteiligten besuchten Sitzung zum ersten Male in Paris diese verwickelte Frage besprochen. Die Sache ist noch nicht weit gediehen; aber es sind Vorarbeiten für die zukünftige Vereinheitlichung da, namentlich in Beziehung auf die Bildhauerarbeil. So besitzen wir schon einen Mustervertragsentwurf für das Gebiet der dekorativen Skulptur und Ornamentik, der vom Kunstverband für Bildhauer und Modellierer (Dviov artistigus äss soulptsurs -woäslsurs) ausgearbeitet