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72, 27. März 1S12. Nichtamtlicher Teil. DSrl-nblalt s. d. Dtschn, Blichh»nd-I. 394g Innern. Unter seiner geschickten Leitung erfolgte die Wahl des Herrn Bernhard Hartmann-Elberfeld in den Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler und vor allen Dingen die des Herrn Albert Brockhaus zum ersten Vor sitzenden des Börsenvereins, die als ein Markstein in der Geschichte des deutschen Buchhandels betrachtet werden darf. Habe ich in vorstehenden Zeilen angedeutet, was der verstorbene Kollege als Geschäftsmann und als Mitglied des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler wie als Mit glied des Vereines Rhein.-Wests. Buchhändler im Interesse des Standes geleistet hat, so muß im besonderen noch seiner Persönlichkeit und seiner persönlichen Eigenschaften gedacht werden. Zählte er doch zu jenen glücklichen Naturen, die sich überall gute Freunde erwerben, wohin sie auch kommen. Neben dem frischen, lebensfrohen Temperament unserer Rhein länder besaß er die Offenheit und Zuverlässigkeit unserer Westfalen und zwar ohne die Beimischung der sprichwörtlichen Grobheit der Niedersachsen. Dadurch erklärt es sich leicht, daß er sich die Herzen auch seiner westfälischen Vereinsgenossen ohne Ausnahme gewann, ja noch mehr, die Herzen aller deutschen Buchhändler, denen er im Leben nahe trat. Wenn ich auch nicht zu den intimen Freunden des Verstorbenen gehört habe, so hatte ich doch mehr als einmal Gelegenheit, den Zauber der Persönlichkeit Friedrich Valentin Lintz' auf mich wirken zu lassen, auch unter Verhältnissen, die es ermöglichen, auf den Grund der Seele zu schauen. Unvergeßlich bleibt mir der herrliche Sommer abend, an dem ich, nach der Einweihung des Gardedenkmals ans den Schlachtfeldern von Metz, in Trier vor Anker ging und dann ganz allein mit Friedrich Valentin und seiner liebenswürdigen Gattin in deren gemütlichem Heim und in trauter Unterhaltung bei einem köstlichen Tropfen Wawerner Herrenberg saß. Was der unerbittliche Schnitter Tod mäht, pflegt bald vergessen zu sein, in diesem Falle aber bin ich sicher, daß das Scheiden von Friedrich Valentin Lintz noch lange eine fühlbare Lücke in den buchhändlerischen Ver einen zurücklassen und daß namentlich das deutsche Sortiment oft noch den Verstorbenen als einen seiner treuesten und zuverlässigsten Freunde vermissen wird. 8. i. p. M. i. W. H. Sch. Kölner Briefe. m. Karneval und Karnevalszeitungen — Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde — Rheinische Gesellschaft für wissenschaftliche Forschung — Buchbindekunst: sarbige Vorsatz- und Deckelpapiere — Kleister- und Tunkversahren — »Halbsranzbände«. Die Schellsnklänge der Narrheit sind verklungen, dis lauten Feste, die zu Ehren des Prinzen Karneval einander drängten, verrauscht, der Rosenmontagszug mit seiner Pracht von Pappe und Schein gehört der Vergangenheit an, die vielen Flüchtlinge, die das »vaterstädtische Fest- aus den Mauern treibt, sind zurückgekehrt, seine Opfer in den Hospi tälern untergebracht, und nur der leere Beutel ist Wirklichkeit geblieben und Gegenwart! Während der Karnevalszeit, die hier vom 1. Januar bis zu Aschermittwoch dauert, ver bieten, wie ich schon in meinem letzten Briefe andeutete, die großen Kosten sür Vergnügungen Ausgaben für Luxus, als der in erster Linie stets Bücher gewertet werden (wenn Bücher lesen ein Vergnügen wäre, könnten sie zur Karnevalszeit zum doppelten Ladenpreis verkauft werden!), nach Karneval ist die Sparsamkeit eiserne Konsequenz der Vergangenheit. Die Theater sind leer, wenn nicht gerade die kölnischen Burlesken des Kölner Männergesangvereins von seinen Mit gliedern im Schauspielhaus gegeben werden, Vorträge und Konzerte werden fast gar nicht mehr angesetzt, weil der Börstnblatt sllr den Deutschen Buchhandel. Jahrgang. Besuch minimal wäre, nur die Sitzungen der Karnevals- gesellichasten und Maskenbälle, deren an manchen Tagen der Woche bis zu einem Dutzend gleichzeitig stattfinden, sind ausverkauft, kurz, man kennt sieben bis acht Wochen lang nur das Vergnügen, das man darin findet, einmal die Heuchelei des Jahres, daß man sich für Kunst und Literatur interessiere, abschüttcln zu können und — Narr zu sein. Das kommt wohl außer Köln nur noch in wenigen anderen Städten am Rhein und in München in annähernd gleichem Umfange vor. Der auswärtige Buchhandel könnte aber vielleicht mehr Honig saugen aus einer karnevalistischen Blüte, die bisher nicht genügend beachtet zu werden pflegt, weil sie zu unscheinbar ist. Wohl erfreuen sich die Karnevals nummern einiger Zeitschriften steigender Beliebtheit, aber die Karnevalszeitungen, die zu einem Preise von 10 H ver kauft werden, sind längst noch nicht als lukrative Artikel erkannt worden. Die närrische Nummer der Münchener Neuesten Nachrichten erscheint zwar in vielen hunderttausend Exem plaren, und hier in Köln ist seit drei Jahren die von der Firma Hoursch L Bechstedt herausgegebene Rosenmontags zeitung dazu getreten, deren Vertrieb, dem Münchener Muster entsprechend, noch ganz anders ausgenutzt werden könnte, als es jetzt geschieht, weil der Inhalt, ohne die kölnische Herkunft zu verleugnen, nicht nur von lokalem, sondern von all gemeinem Interesse ist. Wenn in mittleren Städten ein Buchhändler mehrere Tausend Exemplare absetzt, so könnte das wohl auch anderswo der Fall sein, und der Gewinn an dem 10 ^-Artikel wächst rasch zu Goldstücken an. Aller dings wird in jeder Stadt wohl nur einer das Geschäft machen können, und auch dieser würde kein Millionär dabei. An tausend Stück verdient er 65 .H, davon für Spesen (Kolportage usw.) 25 ^ abgerechnet, bleiben 40 kein Kapital, aber das Ergebnis eines »kleinen Mittels-! Die Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, die am IS. März hier ihre 31. Hauptversammlung abhiclt, hat seit der Zeit ihres Bestehens eine solche Fülle von wissenschaftlich bedeutenden Publikationen geliefert, daß sie auch an dieser Stelle einer Beachtung wert erscheint. Sie ist ein Privatunternehmen bedeutsamster Art, aus das unsere rheinische Provinz stolz sein kann. Mitglied zu werden ist im Gegensatz zu anderen Vereinen gar nicht leicht gemacht; dieses Verhältnis erinnert mich an die militärischen Zustände in Luxemburg. Während man in anderen Staaten bestraft wird, wenn man sich der »Ehre entziehen will, Soldat zu werden, gehört in jenem entzückenden Ländchen schon mehreres dazu, in den bunten Rock zu kommen. Man muß nicht nur ein sogenannter schöner Mann, in jeder Beziehung makellos und mindestens 1,73 in groß sein, sondern man muß auch Protektion haben, um als Mitglied der luxemburgischen »Armee- angenommen zu werden. Dieser Drang zu einem Stande, der den freien Willen bis zu einem unangenehmen Grade ausschließt, erklärt sich freilich aus der Tatsache, daß sich das untere Staatsbeamtenheer nur aus »gedienten- Leuten rekrutiert; man bewirbt sich also um einen Beamtenposten durch das Medium des Militärs. Nun also, die Mitglied schaft zu der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde ist eine Ehrung, die nur durch Ernennung gewonnen werden kann; es sind Gelehrte, die sich um die Forschung rheinischer Geschichte verdient gemacht haben. Die Gründung geht auf einen hervorragenden Groß industriellen zurück, Gustav von Mevissen, dem der Vor sitzende der Gesellschaft, Archivrat Professor vr. Hansen, vor mehreren Jahren ein monumentales Denkmal in Gestalt einer umfassenden Biographie gesetzt hat (Verlag von Georg Reimer in Berlin). Auch dieser Fall ist ein Beispiel, daß 514