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Nichtamtlicher Teil Ladenpreis. (Vergl. Börsenblatt 1903, Nr. 40, 44, 46, 48, 50, 53. 54, 58, 64, 69, 74, 77, 81, 85.) XX. Die Klärungsartikel der Herren Seippel, Heinze und Werlitz haben außer ordentlich zur Vereinfachung unsrer Fragen beigetragen. Herr Hermann Seippel wollte noch am 20. März nichts davon wissen, daß die allgemeine Lage des Sortiments an der Wende steht, wo sie schlechterdings unhaltbar wird; er sprach von »vereinzelten Fällen«, — »wenn es aber trotzdem geschehen sollte, oder vielmehr wenn ein einzelner Verleger (Herr Seippel sperrte selbst den einzelnen Verleger) die Interessen des Sortiments ver kennen sollte, so braucht man derartige Einzelfälle wahrlich nicht tragisch zu nehmen«. Und nachdem ich diese Sätze nur niedriger gehängt, läßt er diese Auffassung vollständig fahren und spricht kein Wort mehr davon. Ich halte das aber für eine unrichtige Diskussionsweise. Entweder Herr Seippel beweist mir gegenüber, daß seine Auf fassung für das Gros des Sortiments richtig war (für ihn selbst und einzelne andre Sortimenter habe ich ihm das konzediert), oder er gibt zu, daß bei sehr, sehr vielen Artikeln, die der Sortimenter braucht und die die Masse des eigentlichen Sortimentsgeschäfts ausmachen, der Rabatt ungenügend ist. Dieser Frage darf Herr Seippel nicht aus- weichen, und ich meine, Herr Seippel dürfte auch einer Erklärung nicht ausweichen, wie er zu seiner obigen ganz unerklärlichen Meinung gekommen ist. Nachdem Herr Seippel aber der einen Frage ausgewichen ist, weicht er auch meiner zweiten Erklärung aus. Ja hier liegt die Sache viel schlimmer, denn er bekämpft etwas als Haupt sache, was ich ausdrücklich als nebensächlich erklärt habe und worüber ich mich nicht bloß mit den Mitantragstellern, sondern auch mit dem gesamten Börsenverein ins Ein vernehmen setzen will. Ich habe gesagt am Ende meiner Auseinandersetzungen über die Notwendigkeit eines Minimalrabatts: »Was nun aber das Unwesentliche an meinem An trag betrifft: die Mittel, einem Minimalrabatt Geltung zu verschaffen, so sind das Dinge, auf die weder ich noch meine Freunde irgendwelches Gewicht legen. Ich habe in meinem Antrag nur einen Fingerzeig geben wollen, daß es solche Mittel giebt. Die Nürnberger Freunde weisen auf andre Mittel hin, die vielleicht besser sind« »Das sind also Sachen, die wir Sortimenter gern einer weitern Vereinbarung mit den Verlegern überlassen«. Ich sollte meinen, nach dieser meiner Erklärung gäbe es für Herrn Seippel, der seine erste Position stillschweigend aufgegeben hat, nur die Gegenerklärung: »so habe ich den Antrag Lehmann allerdings nicht verstanden; nun müssen wir allerdings abwarten, ob die Antragsteller Mittel vorschlagen, die mir konvenabler erscheinen«. Das wäre nach meiner Meinung so die Art gewesen, wie zwei Hanseaten einen tüchtigen Holmgang zu Ende Führen. Über diese meine Erklärung geht aber Herr Seippel stillschweigend hinweg. Er bekämpft weiter die vorgeschlagnen Mittel und hält damit den Antrag auf Minimalrabatt für unmöglich. Nur einen Satz bringt Herr Seippel neu vor, und den muß ich noch einmal näher erörtern, weil er den himmel weiten Abstand zwischen unfern beiderseitigen Standpunkten erklärt. Er führt ihn durch den Satz ein: »Zur Begrün dung der vorstehenden Erklärung kann ich mich kurz fassen, da ich nur zu meinen Kollegen im deutschen Buchhandel spreche.« Ich gehöre nun auch zu seinen Kollegen und spreche auch nur zu meinen Kollegen. Wir Kollegen aber sind meines Wissens selbständige Männer, mit eignem Willen, eignen Mitteln, eigner Arbeitskraft und eignem Charakter. Wir sind nicht Angestellte auf Tage-, Wochen oder Monatslohn, sondern arbeiten in eigner Rechnung und auf eignes Risiko! Wohlan, nun sagt Herr Seippel: »Das Recht des Verlegers, den Ladenpreis zu be stimmen, ist ebenso selbstverständlich (!) wie die Feststellung des Rabatts für den vermittelnden Sortimentsbuch Händler.« Also das ist selbstverständlich?? Ich habe bis jetzt immer geglaubt, das Recht, Ladenpreis und Rabatt zu be stimmen, sei den Verlegern durch unfern Börsenvereiu satzungsgemäß übertragen, in der Voraussetzung, daß im allgemeinen dieses Recht so ausgeübt wird, daß das Sortiment dabei bestehen kann. Oder, um mich historisch auszudrücken: dieses Recht wurde den Verlegern über tragen unter den Rabattverhältnissen, die damals bestanden, als das Gesetz erlassen wurde. Damals mar dieses Gesetz eine Wohltat für den Gesamtbuchhandel, sowie für das Sortiment. Jetzt haben sich die Rabattverhält nisse geändert, und die Voraussetzungen für das Verlegerrecht sind gefallen; dann muß doch das Verlegerrecht modifiziert werden. Herr Seippel gehört so gut wie ich zu denjenigen, welche schon manche Gesetze bestehen und kommen sahen; und dieses Recht hält er für so »selbstverständlich«, daß er glaubt, es dürfte nicht gesetzlich zu seinem ursprünglichen Sinn und Verstand zurückgebracht werden? Was würden erst unsre Gehilfen sagen, wenn wir ihnen dekretierten: »Das Recht der Prinzipale den Gehalt für alle Buchhandlungs gehilfen festzusetzen, ist selbstverständlich.« Das hätte man vor hundert Jahren vielleicht tun können, heute würden die Gehilfen es vielleicht verstehen, wenn wir den Versuch dazu machten, allein über ihren Gehalt zu dekretieren; aber daß wir das Recht als »selbstverständlich« ihnen erklärten, das würden sie nicht verstehen, denn sie halten sich nicht für Leibeigne. Nein, ich wiederhole: Das Recht, den Ladenpreis und den Rabatt zu be stimmen, ist kein selbstverständliches Recht der Verleger, sondern ein Übereinkommen zwischen den Verlegern und Sortimentern im Börsenvereiu — auf Grund be stimmter Verhäl tnisse. Und dieses Recht steht und fällt mit diesen Verhältnissen. Vielleicht darf ich Herrn Seippel an die bekannten Verse erinnern: »Es erben sich Gesetz und Rechte Wie eine ew'ge Krankheit fort. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage.« Was unser Antrag Heinze-Lehmann will (da Herr Kollege Heinze sich zu seinem Kinde bekennt, so soll es hier auch wieder seinen guten Namen tragen), ist aber gar nicht die Abschaffung des Rechts der Verleger, Ladenpreis und Rabatt zu bestimmen. Wir wollen vielmehr dieses Recht zu erhalten suchen, indem wir die Ausschreitungen gegen dieses Recht gesetzlich unmöglich machen. Ich habe als Repressalie in meinem Antrag ange droht, daß Bücher, die nicht den Minimalrabatt haben, in unfern Katalogen ohne Preise angezeigt werden sollen, und Herr Seippel sagt dazu: »Man denke nur: einen Katalog ohne Preise.« Ich bin so frei zu sagen, was ich dazu denke: Einen Katalog »ohne Preise« würden wir erstens nie be-