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X» 297, 23. Dezember 1935. Redaktioneller Teil Börsenblatt s. d. Dtschn Buchhandel. seines Buches. »Ein Volk ist tot, wenn seine Götter tot sind» (Stcfan George). Das Buch belehrte ihn, indem es ihn unter hielt, es führte ihn, indem es ihn — im ehrenwertesten Sinne — verführte, cs ergriff den ganzen Menschen, indem es etwas Ganzes, eine Gestalt, vor ihm ausrichtete, cs ließ ihn die harten Forde rungen seines Berufes als die wünschenswerte Gelegenheit zur Bewährung vor sich und den anderen begreifen, cs einte in ihm Pflicht und Lust — und das ist nicht wenig. Warum? Weil »man nur von dem lernt, den man liebt« (Goethe). Ich möchte meinen Exkurs über die »UnterhaltungSlitcratur» mit der Bemerkung ab- schließen, daß mich jede Definition dieses Begriffs unzulänglich dünkt, welche die in den beiden Dichtcrwortcn enthaltene Weis heit in dem Wahne, dis Seele sei nicht die bestimmende Lebens macht, ignorieren zu dürfen glaubt und dem wissenschaftlichen Buche ohne weiteres, ohne Einschränkung, einen höheren Rang zucrkennt, obwohl die Wissenschaft vom Menschen lehrt, daß von den künstlerischen Werken, die »in Seelen zu zeugen« suchen, die tiefere, verwandelnde Wirkung ausgeht. In dem Aufsatz, den ich zu ergänzen habe, wird die Frage gestellt, ob die ncuaufgcstelltcn Truppenteile, die im Gegensatz zu den bereits früher bestehenden zunächst keine Büchereien hatten, künftig auch mit solchen ausgcstattet werden. Zweifellos stellt cs das Ideal dar, wenn die kleinsten Einheiten, d. h. die Kompanien usw. im Besitz einer Bücherei sind. Die Absicht, dies in Zukunft zu erreichen, ist nicht fallen gelassen, wenn zunächst — in Anbetracht der Tatsache, daß die während ihrer einjährigen Dienstzeit ver gleichsweise viel stärker dienstlich in Anspruch genommenen Mann schaften des neuen Heeres weniger Zeit zum Lesen finden als die auf zwölf Jahre verpflichteten Soldaten der Reichswehr — eine Neuverteilung der Büchereien vorgcnommen wird, demzufolge jedes Bataillon, Abteilung usw. nur noch über eine Bücherei verfügt, für deren zweckmäßige und leicht erreichbare Unterbringung die Dienststellen sorgen werden. Zu den Truppenbüchercicn werden noch die der Fortbildung des Offizierkorps dienenden Offizicrbüchcreien gerechnet, die ebenfalls einer im Gange befindlichen Umorganisierung unter liegen. Künftig wird jeder Standort nur noch eine Ofsizicrbücherei besitzen. Die nunmehr zu behandelnden Büchereien stellen mit eigenem Personal versehene, öffentliche, wissenschaftliche Institute dar: die an den Sitzen der Generalkommandos gelegenen Wehrkreis büchereien. Sie bestehen seit 1920 — für die neuen Wehr kreise sind bereits neue Bibliotheken geschaffen — und der Unter schied im Umfang ihrer Bestände (22 bis 80 000 Bände) erklärt sich aus der verschieden großen Zahl der in ihnen vereinigten Vor kriegsbibliotheken. Ihre Sammclgrcnzen reichen weit über das Gebiet der Wehrwisscnschastcn hinaus (nur wenige Disziplinen weiß der Allvater Krieg nicht in seine Dienste zu stellen) und um fassen daher außer den kricgsgcschichtlichcn, kriegswirtschaftlichen, taktischen usw. Themen gewidmeten Büchern auch zahlreiche Werke der Philosophie, Psychologie, Geschichte und Politik, ferner biogra phische, völkerkundliche und naturwissenschaftliche Schriften und vieles andere mehr. Der militärische Teil der Leser wird durch meist monatlich erscheinende Listen, die die Neuanschaffungen ver zeichnen, auf dem laufenden gehalten: jede Dienststelle des ganzen Wehrkreises erhält ein Exemplar. Bei den Kompanien usw. werden diese Listen gesammelt — so daß eine Art lausender Katalog ent steht — und im Lesezimmer ausgelegt, damit jeder Mann die Mög lichkeit hat, das eine oder andere Werk durch die Dienststelle an zufordern. Wie rege davon Gebrauch gemacht wird, zeigt die hohe Benutzungsziffer. Denn obwohl diese Bibliotheken ihrem wissen schaftlichen Charakter gemäß in erster Linie der Ausbildung der Offiziere zu dienen bestimmt sind, stellen doch die anderen Dienst grade, von denen die sich in den Hccrcsfnchschulen auf ihren bür gerlichen Beruf vorbereitenden Unteroffiziere ein besonderes Kon tingent bilden, sowie die zivile Lcscrschast einen erheblichen Teil der Benutzerschaft dar. Die Besetzung der für den höheren und mittleren Dienst geschaffenen Planstellen erfolgt mit bibliotheka risch ausgcbildetem Personal. Welche Wichtigkeit einer gründlichen Spezialausbildung beigcmessen wird, ergibt sich aus dem neuer dings für die mittlere Laufbahn im Hecresbücherciwcscn ein gerichteten Vorbereitungsdienst, der drei Jahre dauert und durch eine Prüfung abgeschlossen wird. Ähnliche Aufgaben wie die Wehrkreisbüchcrcien erfüllen die bei den Marine st ationen vorhandenen Bibliotheken sowie die W a ff e n s ch u lb ü ch e r e i e n. Letztere sind allerdings aus schließlich der Benutzung durch den Lehrkörper und die Waffcn- schüler Vorbehalten. Die Hauptsammclstättc alles in- und ausländischen militäri schen Schrifttums ist die Deutsche Heeresbücherei in Berlin. Das ist ein Institut, auf das wir Deutsche stolz sein dürfen, denn eine derartige Spezialbüchcrei dieses Umfangs besitzt keine der übrigen europäischen Großmächte, obwohl zur Zeit ihrer Gründung die die Entstehung einer solchen Zcntralbiblrothek be günstigenden Umstände in allen anderen Ländern reichlicher vor handen waren als bei uns. Denn die Linksparteien drangen in den ersten Nachkricgsjahren wiederholt im Reichstage darauf, die großen Vorkricgssainmlungen — geistiges Rüstzeug von unschätz barem Werte! — des ehemaligen Generalstabes, der alten Kriegs akademie, der Militärtechnischen Akademie, der Gcneraliuspektion des Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen und der Gencralinspektion des Militärvcrkehrswescns als Makulatur zu veräußern. Daß alle diese und noch eine Reihe anderer Militär- bibliothekcn erhalten blieben und in den Beständen der neugcschaf- fcnen Deutschen Heeresbücherei vereinigt wurden, ist das hohe Verdienst ihres derzeitigen Leiters, Oberst (E) Klefekcr, der mit Energie und Geschick nach einer Reihe von hinhaltenden und vor läufigen Lösungen die Existenzgrundlage dieses großen Unter nehmens sicherte. Insgesamt verfügt dieses Institut heute über etwa 400000 Bände und 200 000 Kartenblätter. Von dem Aus maß des Sammelgcbiets und der Zahl der Anschasfungcn seit 1919 geben die beiden bei Mittler erschienenen systematischen Ver zeichnisse -»Heer und Wehr im Reiche der Gegenwart» einen Begriff. Eindrücke von einer zweijährigen Tätigkeit als Austauschbibliothekar in Nom Aus einem Vortrag, gehalten in der Deutschen Bücherei am 14. November 1935 von Ä. G. Werner Mann-Leipzig Die Bibliothek in Nom, an der ich zwei Jahre lang im Auftrag der Deutschen Bücherei gearbeitet habe und wo ich zu meinem Teil für die deutsche Kultur wirken durfte, ist die Bibliothek des Inter nationalen Landwirtschaftsinstitutes. Dieses Institut hat seinen Sitz in einem großen, von König Bittorio Emanuele gestifteten Palazzo in der Villa Borghese, die Anfang des 17. Jahrhunderts der Kardinal Scipio Borghese angelegt hat und die heute ein großer öffent licher Park ist. Es beschäftigt über hundert Angestellte, die seinem internationalen Charakter entsprechend aus aller Herren Ländern kommen. Jeder der am Institut beteiligten Staaten steuert zu seiner Unterhaltung bei, jeder hat seinen Delegierten, der die Interessen wahrnimmt, und jeder hat ein Anrecht darauf, eine gewisse Zahl von Beamten zu stellen. Die Zahl der deutschen Beamten beträgt sechs. Verwaltet wird das Institut durch eine alle zwei Jahre zu sammentretende Hauptversammlung, einen ständigen Ausschuß und Komitees. Es hat einen Präsidenten und einen Generalsekretär, der 1102 die eigentlichen Geschäfte erledigt. Beide, Präsident und General sekretär, sind satzuugsgemäß Italiener. Die offizielle Sprache ist das Französische, in dem auch alle Anschriften angebracht sind; also auch die Aufschriften der Katalvgkästeu, die Leitkarten usw. sind fran zösisch. Organisatorisch ist das Institut in fünf Büros ansgcteilt: das Generalsckretariat, die Statistische Abteilung, in der die Fäden der Agrarstatistik der Welt zusammenlaufen, eine Abteilung für Wirt schaft»- und sozialwissenschaftliche Studien und ein Technisches Büro, das informierende Berichte veröffentlicht, ohne selbst Versuche auzu- stcllen. Jedes dieser letzten drei Büros gibt laufend eine Anzahl von Einzeluntersuchungen und monatlich eine Zeitschrift heraus. — Diesen vier Büros tritt als fiinftes 'die Bibliothek an die Seite. Die Bibliothek dient in erster Linie dazu, den Justitutsbeamten das Arbeitsmaterial zu beschaffen und bercitzustellen, wenn auch zur Benutzung jeder landwirtschaftlich Interessierte zugelasscu wird. Mit