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^ 238, 12. Oktober 1904. Nichtamtlicher Teil. 8739 frankierte amtliche Briefe. Das Postärar bezog sich auf die Brief postordnung vom Jahre 1838, die die bezüglichen Bestimmungen ersatz, weil die Post für irrtümliche Zustellung aufzukommen habe. Die Briefpostordnung vom Jahre 1838 bestimme zwar, daß die Post für irrtümliche Zustellung nicht hafte, doch dies beziehe sich auf den Fall, wenn^ der Brief von einer unberec^- scheidung von prinzipieller Bedeutung handelte, so wurde die Revision an den Obersten Gerichtshof angemeldet, der das landesgerichtliche Urteil bestätigte. Vom internationalen Kongreß gegen die unsitt liche Literatur in Köln am 5. und 6. Oktober 1904. (Vgl. N^r. 237 d. Bl.) —i Die Reihenfolge der^Vorträge unterbrechend^ die immer mehr anschwellende unsittliche Literatur die sittliche Kraft des Volkes ernst gefährdet, die Pflicht, alle in seinen Kräften stehenden Mittel zur Bekämpfung des Übels anzuwenden. Im a) der Verlagsbuchhandel die Aufgabe, ihm zum Verlag angebotene Schriftwerke nicht nur auf die künstlerische Art und Form ihrer Darstellung, sondern auch auf ihren sittlichen Ge halt zu prüfen. Schriftwerke, die durch ihren Inhalt gegen die Gebote der Sitte, der Scham und des Anstandes verstoßen, sind trotz etwaiger künstlerischer Darstellung zurückzuweisen. Das Häßliche und Gemeine, das Widerliche und Abstoßende darf nicht in den Mittelpunkt schönwissenschaftlicher Literatur werke gestellt werden. Ebenso sollten nicht in Spekulation auf Geldgewinn die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung auf b) Der Sortimentsbuchhandel hat den Vertrieb der unter a gekennzeichneten Schriftwerke abzulehnen und darf keinesfalls diesen Literaturgattungen seine Verwendung zuteil werden lassen. Vielmehr hat der Sortimentsbuchhändler in den vielen Fällen, wo er Berater des kaufenden Publikums ist, die Pflicht, nur sittlich reine Bücher zu empfehlen. Die Prospekte von hüllte Spekulation auf niedrige Triebe und Begierden doch an der Stirne steht, sind nicht nur unbeachtet zu lassen, sondern unter Protest zurückzuschicken. e) Die namentlich in Deutschland weitverzweigten buch- händlerischen Organisationen und Vereine müssen ihrem Ab scheu vor aller unsittlichen und unzüchtigen Literatur immer erneuten Ausdruck geben. Mitglieder, die geflissentlich solche Literatur verbreiten, sollten ausgeschlossen werden. Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, daß der Buch handel nie ausschließlich auf Gelderwerb allein betrieben werden darf, sondern daß für ihn die Grundsätze und das Vorbild von Friedrich Perthes allezeit maßgebend bleiben müssen. (Beifall.) In der Besprechung wünschte Herr Pelizäus (Oberlahnstein), daß in Leipzig eine Zentral-Zensurbehörde für den inländischen Mohn i. Fa. E. Bertelsmann (Gütersloh), Falkenroth (Bonn), Ähren ds (Steyl), der besonders auf das verderbliche Wirken der sogenannten medizinischen Volksbücher hinwies, Mr. Gregory (England), Graf vr. A. Valmarana (Vicenza) und Buchhändler Schaffnit (Düsseldorf). Letzterer wünschte einen Zusammenschluß der Buchhändler, um gemeinsame Schritte gegen die unsittliche Literatur zu beraten. Die Versammlung stimmte den von Herrn Pape aufgestellten Leitsätzen zu und forderte die christlichen Buchhändler auf, sich zu kFortsetzung folgt.) Nr. 194, 196, 211, 218 d. Bl.) — Gegen den Leutnant Hem mann vom 52. Infanterie-Regiment in Meiningen, Verfasser des Buchs -Carie's Briefe an ihren Freund-, der am 7. September d. I. wegen dieses Buchs vom Manöver-Kriegsgericht zu vier Monaten Gefängnis und Dienstentlassung verurteilt worden ist, steht für heute, den 12. Oktober, Termin vor dem Oberkriegsgericht in Kassel zur Verhandlung über die von dem Verurteilten ein gelegte Berufung an. Technische Hochschule in Danzig. — Die Eröffnung der neu errichteten Technischen Hochschule in Danzig ist am 6. d. M. in der Aula der Hochschule vor einer hochansehnlichem Fest-Ver sammlung durch folgende Ansprache Seiner Majestät des Deutschen Kaisers erfolgt: »Es gereicht Mir zu hoher Befriedigung, heute eine neue Bildungsstätte für technische Wissenschaften eröffnen zu können. Von der Erkenntnis durchdrungen, daß bei dem Wettlauf der Nationen in der kulturellen Entwicklung der Technik ganz besondere Aufgaben zufallen und deren Leistungen für das künftige Wohl des Vaterlandes und die Aufrechterhaltung seiner Machtstellung von größter Bedeutung sind, halte Ich es für eine Meiner vor nehmsten landesherrlichen Pflichten, für die Verbreitung und Ver tiefung der technischen Wissenschaften einzutreten und auf eine Ver- geahnte Entwicklung, welche die deutsche Technik seit dem Be ginn des Zeitalters der Eisenbahnen nach allen Richtungen erfahren hat, haben wir nicht zufälligen Entdeckungen und glücklichen Einfällen, sondern der ernsten Arbeit und dem auf dem festen Boden der Wissenschaft fußenden, systematischen Unterricht an unfern Hochschulen zu verdanken. Die Mathe matik und die theoretischen Naturwissenschaften haben die Wege gewiesen, auf denen der Mensch in Gottes allgewaltige Werk statt der Natur immer tiefer einzudringen vermag; die an gewandte Wissenschaft hat diese Wege kühn beschritten und ist zu staunenswerten Erfolgen gelangt. »Den technischen Hochschulen liegt es ob, theoretische und angewandte Wissenschaft zu fruchtbarem Zusammenwirken zu vereinigen, und zwar mit der umfassenden Vielseitigkeit, die das auszeichnende Merkmal des in Deutschland entstandenen Typus dieser Anstalten bildet. Sie stellt in ihrer Eigenart eine wissenschaftliche Universitas dar, die mit der alten Universität umsomehr verglichen werden kann, als ein nicht unbe trächtlicher Teil des Lehrgebietes beiden Anstalten gemeinsam ist. Die Gleichartigkeit und Ebenbürtigkeit derselben habe Ich Mich bemüht, auch nach außen hin zum Ausdruck zu bringen, indem Ich den technischen Hochschulen die gleiche hohe Stellung, wie sie die Universitäten seit langem behaupten, in Meinem Lande eingeräumt und ihnen das Recht beigelegt habe, aka demische Grade zu verleihen. Dieses Recht soll auch der neuen Hochschule zustehen, welche auch im übrigen ihren älteren Schwestern in allen Stücken gleichgestellt ist. »Eine besondere Genugtuung ist es Mir gewesen, die neue Bildungsstätte hier in dieser altehrwürdigen, erinnerungsreichen Hansestadt erstehen zu lassen und damit den Meinem Herzen so nahe stehenden Ostprovinz'en wie der Stadt Danzig einen neuen Beweis Meiner landesväterlichen Fürsorge zu geben. Auf einem Boden errichtet, den deutsche Tatkraft einst der Kultur erschloß, soll die Anstalt hier stehen und wirken, als ein fester Turm, von dem deutsche Wissenschaft, deutsche Arbeitsamkeit und deutscher Geist sich anregend, fördernd und befruchtend in die Lande ergießen. »Mögen immer unsere Ostprovinzen nach Lage und Naturverhältnissen für eine industrielle Entwickelung unter weniger günstigen Bedingungen arbeiten als andere Landes teile — das technische Wissen verleiht ja vielfach gerade die Macht, zu ergänzen, was die Natur versagt. So soll die An stalt mit dazu dienen, den Geist des industriellen Fortschritts zu beleben und sich mit Fragen beschäftigen, die aus den be- sondern Verhältnissen ihres heimischen Gebiets sich ergeben. Daß aber die Anstalt die ihr gestellten hohen Aufgaben zu lösen bestrebt und imstande sein wird, dafür bürgen uns die Tüchtigkeit ihrer Lehrkräfte und die Reichhaltigkeit ihrer Lehr mittel. »Möge die neue Hochschule wachsen und gedeihen zum Ruhme der deutschen Wissenschaft, zum Segen dieser altpreu ßischen Provinzen und zur Ehre des deutschen Namens. Das walte Gott!« Kochkunst-Ausstellung. — Unter dem Protektorat Seiner Majestät des Königs von Sachsen wird für das nächste Jahr eine »Internationale Kochkunst- und Fachausstellung für das Gast wirtgewerbe« in Leipzig vorbereitet, die im März 1905 eröffnet werden soll. Sie ist in größtem Umfang geplant, soll nicht nur die hochentwickelten einschlägigen Künste und Techniken der Kulturländer umfassen, sondern auch von den Gebräuchen und Einrichtungen unkultivierter Völkerschaften einen möglichst an schaulichen und eindringlichen Begriff geben. Auch in der Ge schichte soll sie weit auf frühe und früheste Zeiten zurückgreifen. Essen und Trinken und alles, was damit in unmittelbarem Zu sammenhang steht (Zubereitung der Speisen, die technische Cin- 1149*