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Nichtamtlicher Teil. 88, 15. April 1912 jährlich gewinnbringciide Novitäten verlegen wird, der Käufer sich um den Zukunftsgewinn nicht zu sehr zu bemühen braucht, so wäre in diesem Falle eine Abfindungssumme für die guten Verbindungen durchaus angebracht, nur datz diese nicht ent sprechend den bisherigen Überschüssen rentenmäßig kapitali siert werden kann. Bei dem Verkauf eines Sortiments wäre zunächst der Wert der Vorräte, des gesamten Geschäftsinventars zu er mitteln, und dieser Ziffer wären die Beträge der Außenstände hinzuzählen, die Schulden dagegen abzuziehen, soweit solche mit übernommen werden. Daß bei Übernahme der Außen stände und der Verbindlichkeiten seitens des Käufers entspre chende Rückhalte gemacht werden müssen, sei nur der Vollstän digkeit halber erwähnt. Von dem durchschnittlichen Jahres erträgnisse sind eigene Arbeitskraft und Zinsen aus das gesamte bisherige Arbeitskapital in Abzug zu bringen, soweit dies nicht schon geschehen war; die Rentenermittlung stößt aller dings dann auf erhebliche Schwierigkeiten. Im Sortiment hapert es oft mit der Buchführung — kommt aber auch im Ver lag vor —, so daß sich sogar das durchschnittliche Jahreser trägnis nicht immer klipp und klar Nachweisen läßt. Liegen aber wirklich genaue Abschlüsse und ebenso Gewinn- und Ver- lustrechnungen vor, so sind letztere bestenfalls in Unterabtei lungen des Betriebs (Sortiment, Antiquariat, Lesezirkel und Leihbibliothek, Kunst- oder auch Musikalienabteilung, Annoncen expedition, Lottcriekollekte, Bahnhofsbuchhandel usw.), niemals aber nach Art des Absatzes in »feste Kundschaft« und in »Laus- kundschaft« zergliedert. Und gerade darauf kommt es an, denn die »Laufkundschaft«, die ihren nicht gerade großen Be darf heute hier und morgen dort deckt, wird man nicht beson ders bewerten können, diese würde dem Käufer ja auch dann zufallen, wenn er ein neues Geschäft in günstiger Lage errich tete und durch geschickt ausgestattete Schaufenster und der gleichen die Aufmerksamkeit der Vorbeigehenden auf seine Neugründung zu richten verstände. Die Höhe der Verkäufe an die »feste Kundschaft« läßt sich zwar an der Hand der Kontinuationslisten, der Lieferungen an Behörden, Bibliotheken usw. und vor allem an der Hand der Konten der »besseren Privatkundschaft« ungefähr schätzen, wie es aber unter Berücksichtigung der Unkosten mit dem Reingewinn und vor allem mit der Rente aussteht, ist eine andere Frage. Jedenfalls sei man mit der Bewertung der Kundschaft recht vorsichtig. Ein Hauptwert bei Übernahme einer Sortimentsbuch handlung scheint ferner in dem »Firmenwert« zu liegen, auf Grund dessen der Käufer auf Kredit hassen darf, der es ihm ermöglicht, verhältnismäßig große Umsätze mit verhältnis mäßig geringem Betriebskapital zu machen; durch den Kredit erspart sich also der Käufer Zinsen. Ganz abgesehen davon, daß es mit dem Kredit in der Praxis nur halb so schlimm ist, wäre eine besondere Bewertung falsch, denn es ist zu be achten, datz die etwaige Zinsenersparnis ja auch schon zu Zeiten des Verkäufers stattfand, ihr wirtschaftlicher Wert drückt sich also auch schon in dem durchschnittlichen Jahreserträgnis aus und ist daher nicht nochmals zu bewerten. Man mutz berücksichtigen, daß der Verkäufer ohne den ihm eingeräumten Kredit, also bei größerem Betriebskapital, über dessen Ver zinsung und seine eigene Arbeitskraft hinaus vielleicht über haupt keinen Überschuß mehr erzielt hätte. Vergegenwärtigt man sich für die Praxis, daß nach An gaben zahlreicher Sortimenter das Gros der Sorttmcntsbuch- handlungen über Arbeitskraft und Verzinsung des Kapitals hinaus kaum einen nennenswerten Überschuß abliefert, so er gibt sich daraus, daß der Käufer einer derartigen Sortiments- buchhandlung eine nennenswerte Abfindungssumme über den Buchwert hinaus nie wird zahlen können; es würde ja dann ein noch höheres Kapital im Geschäft arbeiten, dessen Ver zinsung den früher vom Verkäufer erzielten »Überschuß über Arbeitskraft und Verzinsung« ganz-oder teilweise aufzehren würde. Bevor man nun an die Bewertung des Objekts geht, mutz man sich überlegen, ob für die Zukunft aus diesem Objekt eine Rente in gleicher Höhe oder auch überhaupt erwartet werden darf. Auch bei den bevorzugtesten Rentenobjekten, bei Zeitschriften und Schulbüchern, können schon vor dem Verkauf Umstände eingetreten sein, die die bisherige Rentabilität für die Zukunft unwahrscheinlich machen. Sind die Zukunftsaus sichten aber verhältnismäßig gute und sichere, so ist noch lange nicht gesagt, daß diese in der an sich wahrscheinlichen Höhe auch für den Käufer eintreten müssen, der vielleicht persönlich unter ganz anderen wirtschaftlichen Bedingungen zu arbeiten hat. Auch rein subjektive Momente mutz daher der Käufer für sich selbst prüfen, wenn er sich nicht »verkaufen« will. Einzelheiten lassen sich hier nicht angeben, jedenfalls schließe man aber niemals aus einer guten Vergangenheit vorschnell auf eine gute Zukunft. (Schluß folgt.) Llbllolliecs Oermsnorum erolica et Höbst Rsiküßunx <Zsr Originals. HsrausAöAöbsn von Huxo Hs>ii und Alfred I>i. Ooteackork. Außlsioü dritte, unAsmein vörmsbrtö ^.uüaAg von 3u^o Ka^ns 6r. Zo. VI, 8. 1—716. Nüneksn 1912. VsrlöAt bsi Osorß Uüllsr. krsis 15 ^b. 18 50 H ord. »Dem allen entspricht die wichtige Rolle, die das Geschlechts- Verhältnis in der Menschenwelt spielt, als wo es eigentlich der unsichtbare Mittelpunkt alles Tuns und Treibens ist und trotz allen ihm übergeworfenen Schleiern überall hervorguckt. Es ist die Ursache des Kriegs und der Zweck des Friedens, die Grundlage des Ernstes und das Ziel des Scherzes, die unerschöpfliche Quelle des Witzes, der Schlüssel zu allen An spielungen und der Sinn aller geheimen Winke, aller unausge sprochenen Anträge und aller verstohlenen Blicke, das tägliche Dichten und Trachten der Jungen und oft auch der Alten, der stündliche Gedanke des Unkeuschen und die gegen seinen Willen stets wiederkehrende Träumerei des Keuschen, der allezeit bereite Stoff zum Scherz, eben nur weil ihm der tiefste Ernst zum Grunde liegt. Das aber ist das Pikante und der Spaß der Welt, daß die Hauptangelegenheit aller Menschen heim lich betrieben und ostensibel möglichst ignoriert wird. In der Tat aber sieht man dieselbe jeden Augenblick sich als den eigent lichen und erblichen Herrn der Welt, aus eigener Machtvollkommen heit, auf den angestammten Thron setzen und von dort herab mit höhnenden Blicken der Anstalten lachen, die man getroffen hat, sie zu bändigen, einzukerkern, wenigstens einzuschränken und womöglich ganz verdeckt zu halten, oder doch so zu bemeistern, daß sie nur als eine ganz untergeordnete Nebenangelegenheit des Leben- zum Vorschein komme. — Dies alles aber stimmt damit überein, daß der Geschlechtstrieb der Kern des Willens zum Leben, mithin die Konzentration alles Wollens ist; daher eben ich die Genitalien den Brennpunkt des Willens genannt habe. Ja, man kann sagen, der Mensch sei konkreter Geschlechtstrieb, da seine Entstehung ein Kopulationsakt und der Wunsch seiner Wünsche ein Kopulationsakl ist, und dieser Trieb allein seine ganze Erscheinung perpetuiert und zusammenhält.« Ausführlicher vielleicht, sicher nie eindringlicher ist über die Macht der geschlechtlichen Verhältnisse geschrieben worden, als es in diesen markanten Sätzen, entnommen dem 42. Kapitel der Ergänzungen zum vierten Buch von »Die Welt als Wille und Vorstellung«, Arthur Schopenhauer getan hat. Sie ist es, die die Dichter zu allen Zeiten zum Schaffen gedrängt hat, ob wir nun ihren Niederschlag in der Lyrik, in der Epik oder im Drama finden.