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3298 Börsenblatt f. b. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil, 61, 11. März 1912 dcucker» und »Blick in die Werkstatt eines Druckers von Kupferstichen» unter den Abbildungen des Katalogs wieder gegeben sind. Es ist eine sehr seltene und kulturhistorisch wertvolle Folge, Die graziösen Stiche der Berliner Künstler dieser Zeit, eines Daniel Berger, Chodowiecki (Nr, 229— 450), Glume, Meil, Georg Friedrich Schmidt u, a, sind zu bekannt und geschätzt, als daß es nötig wäre, sich hierbei in Einzelheiten zu verlieren. Es ist genug, wenn erwähnt wird, daß ihre Blätter in bedeutender Anzahl und zumeist in schönen und alten Abdrucken, oft auch in frühen Platteuzuständen, »vor aller Schrift«, -vor dem Text-, mit »Einfällen» und dergl,, -mit breitem oder vollem Rand», »mit Rand« und »mit Rändchen- vorhanden sind. Ein Viertel des Katalogs ist dem friderizianischen Berlin gewidmet, der größere Rest gehört dem Berlin der Bieder meierzeit, Eine minutiöse sachliche Einteilung erleichtert die Übersicht, Pläne und Panoramen lassen das sich ständig ändernde Bild der Stadt im ganzen an uns vorüberziehen, dann folgen Ansichten von Brücken, Denkmälern, Kirchen, Museen, Schlössern und Palästen, von Straßen und Plätzen, vom Tiergarten und der Straße Unter den Linden usw. Sehr anziehend ist die Abteilung: »Wichtige Begebenheiten in Alt-Berlin und humoristische Darstellungen aus dem Alltagsleben»; hier sind die witzigen Zeichnungen von A, Schroedter, I, Schoppe, Hosemann und last not least von Dörbeck zu finden mit ihren die Schlag fertigkeit des Berliners so köstlich illustrierenden Unter schriften. Wer kennt nicht die Anekdote, wie der Kom ponist Zelter hinter einem Töpferlehrling, der »Wir winden dir den Jungfernkranz» pfeift, über die Schloßbrücke geht und ihm die Melodie unwillkürlich leise nachsingt, bis dieser sich entrüstet umdreht: »Wenn Er den Jungfernkranz singen will, kann Er ihn sich och allene anfangen, wes er des?»! Sie ist in einer hübschen Lithographie von Schoppe wieder gegeben, — Ein anderes Blatt ist von G, Schadow, Eine französische Schildwache versperrt auf dem Wilhelmsplatze einer Waschfrau mit dem Anrufe -tzul vivo?» den Weg, die ihm sofort mit »Gott, Hab' er sich nich, lavoobs!» die nötige Aufklärung gibt. — Da werden die Berliner Ausrufer, die Hökerinnen, die Eckensteher (Nante), die Drehorgelspieler, fliegende Antiquare u, a, lebendig; ihren Triumph aber feiern diese komischen und geistreichen Darstellungen mit ihrem lustigen Texte in der Serie der »Berliner Redensarten« von B, Dörbeck (Nr, 1023—1077): »Vor en Sechser Kümmel! Er mag kosten wat er will«, sagt der Gardegrenadier, der sich bei einer Marktfrau einen Schnaps kauft. Ein Knabe bietet Waldteufel mit den Worten an: »Ach, Madamken, kosen Se enen Walddeiwel vor Ihre Kinder! Dieser brummt recht schön«, wird aber mit »Lasse mir! ick kann mene Kinder allene wat vorbrummen!» abgefertigt, — Einem Offiziers burschen, der vergeblich die Tür eines Butterkellers zu öffnen versucht, wird zugerufen: »Menneken, der Butterkeller is jetzt ene Treppe hoch! in'n Keller is Wasser.» In diesem Tone geht es weiter. Es folgen -Blätter zur Geschichte der Berliner Theater», »Berliner Persönlichkeiten-, »Militaria«, darunter viel interessante und seltene Stücke, und schließlich von Nr, 1331 bis zum Schluffe »Berliner Künstler» mit ihren Arbeiten, Unter ihnen nehmen, den anderen voran, Theodor Hosemann (Nr, 1407—1543), Friedrich Jentzen (Nr, 1544—1565), Franz Krüger (Nr, 1582—1697) und Adolph Menzel (Nr, 1703—1915) den ihnen gebührenden breiten Raum ein; sonst sind noch Wilhelm Reuter, der die Senefeldersche Kunst in Berlin einführte und in Ver bindung mit Berliner Künstlern »Polyautographische Zeich nungen» herausgab, dann Schadow, Schinkel, Schoppe, Ad. Schroedter und Leopold Zielcke zu erwähnen. Von dem letzteren ist eine prächtige Originalaquarelle angezeigl, die sein Arbeitszimmer in dem Hause Friedrichstrabe 196 wicdergibt (ca, 1820), ein Interieur von stimmungsvollem Reize, Ein hübscher orientierender Aufsatz von Max Osborn leitet den sorgfältig bearbeiteten Katalog ein. Kurz erwähnt sei, daß bei Max Perl in Berlin am 15, und 16, März eine Auktion von Radierungen, Holz schnitten, Lithographien, Handzeichnungen und Aquarellen moderner Künstler stattfindet (894 Nummern). — So sind es meist Versteigerungen von Kunstblättern, die uns be schäftigen, Die Bibliotheken scheinen diesnial sehr rar zu sein; nur Bruckstein's Antiquariat in Danzig kündigt für den 12, März eine Versteigerung von wertvollen Büchern (463 Nummern) an. In dem Katalog ist aber nichts zu finden, was irgendwie aufregend wäre. Wenn man bedenkt, daß in Paris und in London tag täglich Bücherauktionen und dazu noch gleichzeitig an ver schiedenen Stellen stattfinden und daß darunter gar manche find, die wir schon als sehr bedeutend bezeichnen würden, während man dort kaum Aufhebens davon macht, so muß man doch zugeben, daß bei uns das Büchersammeln bisher keine sehr verbreitete Leidenschaft gewesen ist. Allerdings ist hierzulande der freihändige Verkauf nachgelassener Biblio theken an die Antiquare beliebter als der immer ein Risiko bedeutende auf dem Wege der Versteigerung, Aber man muß nun nicht etwa denken, daß die Antiquare tagtäglich be deutende Sammlungen kaufen könnten. So ist es auch nicht. Es werden auch nicht viele vererbt und durch eine Generationen überdauernde Bücherltebe vermehrt. Außer Gelehrtenbüchereien gibt es eben bis jetzt keine eigentlichen bedeutenden Privatbibliotheken in Deutschland, In zwanzig bis dreißig Jahren wird es vielleicht einmal anders werden. Dann kommen die schönen Ausgaben der bibliophilen Verleger von heute wahrscheinlich öfter einmal unter den Hammer; denn daß diese, soweit sie es nur vernünftig und geschickt anfassen, zur Zeit einen bedeutenden Kreis von Abnehmern haben, ist nicht zu verkennen. Darunter sind natürlich auch eine Anzahl von Spekulanten, die dann auf dem Wege der Auktion ihr Vermögen zu vermehren als die ersten versuchen werden. Ob immer mit Erfolg, mag dahin gestellt sein; denn manches, was man jetzt als eitel Gold verehrt, wird sich als lauter Blech erweisen. Das ist das schließliche Resultat einer wahllosen Nachäfferei, Nicht jedes Buch eignet sich zur Ausgrabung, nicht jedes zu einem Luxuskleide, Es wird einmal einen klärenden »Krach« geben; die vernünftigen Verleger auf der einen und die vorsichtigen Bibliophilen auf der anderen Seite werden sich von dem Kurssturze erhole» — post unbil» Liwobus. Wenn dann auch die unvermeid lichen Reste auf schnellem Wege durch das Warenhaus erst beseitigt sind, dann werden die, die zuletzt lachen, die Antiquare und die Auktionsinstitute, ihren Vorteil aus der Bewegung ziehen. Vorläufig aber ist's noch nicht so weit. Die Ergebnisse der zweiten Versteigerung der Hoe- Sammlung, die vom 8, bis zum 19, Januar stattfand (siehe Bbl, Nr. 291 vom 15. Dezember 1911), sind wieder recht bedeutende gewesen, wie das nicht anders zu er warten war. Das Papier-Exemplar der 42-zeiligen Bibel ging für K 27 000,— (— rund 108 000,—) in den Besitz von Bernard Quaritch über, hat also etwas weniger eingebracht als das in der Huth-Auktion verkaufte. Es brachten ferner: Nr. 304: Johannes de Balbis: Ootlwlioon, Mainz 1460 (nicht ganz vollständig) K 1625.— (— 6500,—); Nr, 500: Bonifacius VIII: I-ibor soxtus äsorotoliuw, Mainz: Fust und Schoeffer, auf Pergament ge-