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X- 143, 1v. Juli 1919. Redaktt»neIIer Teil. zahlenmäßig zur Führung des Gegenbeweises imstande sein. Ich will damit nicht zum Ausdruck bringen, daß von der Wirtschasts- stelle zunächst gerade die genannten Fragen statistisch bearbeitet werden sollen; denn ich vermag noch iein Programm im einzelnen zu entwickeln, nachdem ich im wesentlichen durch bloßes Aktenstudinm nur einen Gesamtcindruck über die Aufgaben der Wirt schaftsstelle gewonnen habe. Ich habe diese erst am 1. April d. I. übernommen und bin überdies durch die Geschäftsführung des Arbeitgeberverbandes anfänglich mehr in Anspruch genommen, als es aller Voraussicht nach künftig der Fall sein wird. Ich versuche sürs erste zwei Fragen zu bearbeiten, die mir besonders wichtig und zeitgemäß zu sein scheinen. Es ist ein mal das Thema, ob und inwieweit der Börsenverein nicht nur aus einem Sonderinteresse, sondern aus allgemein volkswirt schaftlichen Gründen seine in gewissem Sinne zünftlerischc Politik beibchaltcn und damit die wirtschaftliche Macht der Außenseiter nach Kräften zu mindern suchen soll. Es ist zweitens die Frage der Sozialisierung. So zweifellos sich kein Zweig des Wirtschaftslebens weniger zur Sozialisierung eignet als der Buchhandel, so zweiscllos besteht diese Erkenntnis nicht in den Köpfen der Sozialisierungs-Fanatiker. Cs ist geboten, sobald diese unter der Maske der Wissenschaft anftrctcn, wie es seitens des I>r. Neurath zu geschehen pflegt, beizeiten in wissenschaftlicher Form das Ungeheuerliche solcher Bestrebungen auch unter dem Gesichtspunkt des Buchhandels nach- und zurückzuweisen. Ich glaube, daß eine Tätigkeit, wie ich sie hier nur andcutungs- und beispielsweise darzustellen versucht habe, aus die Mitarbeit aller, Buchhändler rechnen darf, und möchte Sie um die Güte bitten, die Wirtschastsstelle durch Rat, Auskunst und Anregungen bereitwillig zu fördern. lLebhastes Bravo und Händeklatschen.) Vorsitzender, Erster Vorsteher des Börsenvereins, Hosrat Di. Arthur Meiner-Leipzig: Meine Herren, wir gehen weiter: Stellenvermittlung. vr. Felix Pickardt-Bcrlin: Meine Herren, im Aufträge des Vorstandes der Berliner Vereinigung muß ich den Herrn Vorsteher des Börsenvereins leider auch von dieser Stelle aus der Voreingenommenheit — um nicht zu sagen: der Parteilichkeit — gegenüber dem Berliner Buchhandel bezichtigen. Zur Sache kurz das Folgende: Zu Beginn des Krieges ist in Berlin, wie Ihnen Wohl bekannt ist, eine Kriegsberatungsstelle seitens der Berliner Prin zipale und Gehilfen errichtet worden, aus der gegen Ende des Krieges ein Stellennachweis hervorgegangen ist. Dieser ist ge gründet worden auf besondere Anregung unseres verstorbenen N. L. Prager und nach langen Besprechungen aller Berliner Ver einigungen. Meine Herren, wir haben uns seinerzeit sofort, nachdem dieser Stellennachweis gegründet wurde, an die buch- händlerische» Korporationen der Arbeitgeber und Angestellten gewandt und im großen und ganzen ein sehr crsrenliches Entgegen kommen gefunden, nnt Ausnahme von Leipzig. Leipzig hat von vornherein einen recht unfreundlichen Standpunkt gegenüber Berlin auch in dieser Frage eingenommen. Im besonder» auf der Goslarer Versammlung des vorigen Jahres hat sich diese Mißstimmung Leipzigs gegen Berlin ganz außerordentlich verdichtet, zuletzt schließlich zu der etwas grotesken Behauptung, daß wir in Berlin eine neue Kriegsgesellschast begründen wollten. Meine Herren, wer uns sechs oder acht Herren in angestrengter Tätigkeit des Abends in dem bescheidenen Zimmer der Berliner Korporation gesehen hätte, den hätte diese Behauptung wirklich recht lächerlich gestimmt. Anfang Oktober vorigen Jahres kam nun aber eine Veröffentlichung des Vorstandes des Börsenvereins, daß er selber einen Stellennachweis begründet hat. Wir waren schon darüber sehr erstaunt, daß uns nicht wenigstens irgendein Wort vorher mitgeteilt worden ist, so daß schließlich doch von vornherein eine Zusammenarbeit hätte ermöglicht werden können. Unser Er starmen wuchs aber um so mehr, als mir eines schönen Tages folgendes Schreiben des Herrn Ersten Vorstehers des Börsen vereins auf den Tisch slattcrte. Es lautet: Der Börsenverein hat am I. Oktober einen Stellennachweis errichtet, wie aus dem Börsenblatt zu ersehen war. Er hat dies hauptsächlich deshalb getan, um dem in Berlin im Frühjahr dieses Jahres gegründeten paritätischen Stellennachweis, der ohne Fühlung mit der Zentrale des Buchhandels ins Leben gerufen wurde, nicht die Führung zu überlassen und auf diese Weise Berlin noch mehr zum Mittelpunkt zu machen, der es leider schon durch den Krieg geworden ist. Meine Herren, zunächst ist es nicht richtig, daß der Berliner Stellennachweis sich nicht mit dem Börscnverein in Ver bindung gesetzt habe. Es ist dies sofort nach seiner Gründung geschehen. Insbesondere habe ich, der ich seinerzeit der Vorsteher dieses Stellennachweises war, mich sosort mit Herrn Geheimrat Sicgismund in Verbindung gesetzt. Ich habe auch wiederholt schriftlich versucht, die Zusammenarbeit auszunchmen. Dann aber, meine Herren, sehe ich gar nicht ein, warum Berlin sich vorher gewissermaßen die Erlaubnis des Börsenvereins einholen soll. Ich glaube, wenn der Vorsteher des Börsenvereins sich -— sagen wir einmal: mit einem derartigen Ersuchen an die Herren Münchener Kollegen gewandt hätte, würde er sich eine sehr bajuvarisch deutliche Antwort geholt haben. Aber, meine Herren, darum handelt es sich ja gar nicht. Warum soll Berlin nicht auch einmal einen Gedanken, der in Berlin gefaßt ist, der in Berlin ausgearbeitet ist, auch selber durchführen? Warum müssen wir uns dazu die Erlaubnis des Börsenvereins einholen? Dazu liegt meiner Ansicht nach gar keine Veranlassung vor. Aber auch das will ich nicht einmal so hervorheben, sondern vor allen Dingen muß ich es rügen, daß der Herr Vorsteher des Börsenvereins Berlin auf jeden Fall zurückdrängen will, und zwar zugunsten von Leipzig. Soviel ich weiß, ist der Vorstand des Börsenvereins eine objektive Körperschaft, die nicht zugunsten einer einzigen Stadt ihr Urteil fällen darf. Wir neiden Leipzig ans keine Weise seine Vorrangstellung, wir haben auch nie daran gedacht, sie ihm streitig machen zu wollen; aber wir müssen für uns auch unbedingt fordern, daß wir Ideen, die bei uns entstanden sind, durchführen. Meine Herren, es ist heute nicht an der Zeit, daß derartige kleinliche Bestrebungen von Leipzig aus gcsördcrt werden. Wir müssen unsere Arbeitskraft zusammensassen, und deshalb bcdaure ich cs auf das allerlebhasteste, daß auf diese Weise unsere Tätigkeit in Berlin von seiten des Vorstands des Börsenvereins so geschädigt worden ist. Geheimer Hofrat, Kommerzienrat Karl Sicgisrnund-Bcrlin: Meine Herren, ein Sturm im Glase Wasser! Ich bcdaure, daß Herr vr. Pickardt unsere so außerordentlich beschränkte Zeit durch diese Angelegenheit, von der ich glaubte, daß sic längst erledigt sei, noch in Anspruch nimmt. Meine Herren, das Schreiben, das der Herr Erste Vorsteher es Börsenvereins an die Berliner Vereinigung unterschrieben hat, ist mir bis heute unbekannt geblieben. Ich gebe es ohne weiteres preis, weil ich den Inhalt nicht für richtig halte. Das sind tatsächlich nicht die Gründe gewesen, die den Börsenvereinsvorstand veranlaßt haben, die Stellenvermittlung sür die Zentrale hier in Leipzig mit zu errichten. Die Gründe waren vielmehr folgende: Das Wirtschaftsamt war in Bewegung gesetzt, und die Arbeit des Wirtschaftsamts nahm ihren Anfang. Der Börscn- vereinsvorstand glaubte infolgedessen, daß eine der Ausgaben des Wirtschaftsamts die sein müßte, die Stellenvermittlung einzu richten. Es ist dem Vorstand nicht in den Sinn gekommen, etwa ans bösem Willen oder um die Arbeiten der Berliner unmöglich zu machen, oder um sic zu durchkreuzen, seine Stellenvermittlung zu errichten, und aus den, Standpunkt steht er heute noch. Wir sind dankbar, daß die Berliner Herren die Arbeit eine Zeitlang gemacht haben. iZuruf: Aha!) Ich persönlich kenne die Schwierigkeiten, die mit dieser Arbeit verknüpft waren. Wir sind weiter dankbar, wenn die Arbeiten auch in Berlin fortgesetzt werden. Aber, meine Herren, lassen Sie auch hier unserer Wirtschastsstelle das Leben, und stellen Sie ihr Ausgaben, die sie jeden- 867