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.15 282, II. November 1SÜ8. Nichtamtlicher Teil. BörseMatt f. d. Dtschn. Buchhaichel- 128 bl Nichtamtlicher Teil, Entwurf eines Anzeigensteuergesetzes. (Fortsetzung zu Nr. 262 d. Bl.) Begründung. Bon den Anzeigen, die nach dem vorliegenden Gesetzentwürfe besteuert werden sollen, sind die Einrückungen in Zeitungen und Zeitschriften, die Inserate, schon früher in einzelnen Bundes staaten einer Abgabe unterworfen gewesen. In Preußen bestand von, Jahre 1824 bis Ende 1849 zugunsten des Militär-Waisen hauses in Potsdam der Zwang, gewisse Inserate in den staat lichen Jntelligenzblättern zu veröffentlichen. Auch waren nach den Gesetzen vom 7. März 1822, 2. Juni 1852 und 29. Juni 1861 Zeitungen, Zeitschriften und Anzeigeblätter aller Art, welche Anzeigen gegen Jnsertionsgebühren aufnahmen, einer Stempel steuer unterworfen, die nach der Bogenzahl der Blätter unter Zugrundelegung eines Normalmaßes von 400 Ouadratzoll für den Bogen berechnet wurde und dadurch mittelbar auch die Inserate traf. Eine besondere Abgabe von Inseraten hatten seit den Jahren 1849, 1852 und 1854 die freien Städte Hamburg, Bremen und Lübeck mit verschiedenen, nach dem von dem Inserat eingenommenen Raume bemessenen Sätzen. Diese Abgaben wurden erst durch das Reichsgesetz über die Presse vom 7. Mai 1874 ausgehoben, in dessen § 30 bei dem Verbot einer besonderen Besteuerung der Presse und der einzelnen Preßerzeugnisse auch die Abgabe von Inseraten besonders genannt wird. Wodurch diese Vorschrift veranlaßt war, ist weder aus der Begründung des Gesetzes noch aus den Verhandlungen im Reichstag ersicht lich, bei denen die Jnseratensteuer nur zweimal kurze Erwähnung fand und beinerkt wurde, daß diese Steuer nicht direkt die Presse, sondern das sie benutzende Publikum treffe. Auf Erfahrungen in den Bundesstaaten konnte sie nicht wohl beruhen, da in den Hansestädten, welche allein eine eigentliche Jnseratensteuer be saßen, die Steuer bis zum Inkrafttreten des Preßgesetzes fort erhoben und nur ungern aufgegeben wurde, auch besondere Klagen gegen die hanseatischen Steuern bei den Beratungen über das Reichspreßgesetz nicht erhoben worden sind. Unter diesen Umständen hat die Frage wohl ihre Berech tigung, ob die Jnseratensteuer in der Tat die unbedingte Ver werfung verdient, die sie in dem Gesetze von 1874 gefunden hat, oder ob sie nicht vielmehr bei richtiger Ausgestaltung geeignet ist, andere Steuern zu ergänzen und für die notwendige Ver mehrung der Reichseinnahmen nutzuwirken. Die verbündeten Regierungen glauben die letzte Frage nach eingehender Prüfung der für und gegen die Steuer vorgebrachten Gründe mit Rück sicht auf die Entwickelung, die das Jnseratenwesen in Deutschland genommen hat, bejahen zu müssen. Im Reichstag ist die Jnseratensteuer zwar mehrfach empfohlen, ein im Jahre 1906 in der VI. Kommission bei Beratung des Ge setzes zur Abänderung des Reichsstempelgesetzes von dem Abgeord neten vr. Burckhardt gestellter Antrag auf Einführung der Steuer in Form eines Schlußnotenstempels aber wieder zurückgezogen worden (Drucksache Nr. 46 der VI. Kommission 11. Legislatur periode II. Session 1905/06). Die Presse hat sich, soweit sie bisher die Frage der Jnseratensteuer erörtert hat, mit wenigen Aus nahmen gegen ihre Einführung ausgesprochen. Sie sieht dabei entweder in der Jnseratensteuer nur eine Art Zeitungssteuer oder ist doch von der Befürchtung geleitet, daß auch die Jnseratensteuer zu einer Sonderbelastung der Presse führen, mindestens aber deren Verbreitung und Einnahmen schädigen würde. Jni Gegensätze zu dieser Stellungnahme der Presse ist die Besteuerung der öffent lichen Anzeige und Reklame, besonders in den Formen des Inserats und Plakats, schon seit geraumer Zeit in zahlreichen an die Re gierung gerichteten Eingaben aus allen Bevölkerungskreisen und Gegenden Deutschlands empfohlen worden, so daß angenommen werden kann, daß gerade diese Steuer dem allgemeinen Volks- empsinden keineswegs widerspricht. Bon den für Einsührungder Steuer vorgebrachten Gründen müssen für die Finanzverwaltung diejenigen ausscheiden, welche davon ausgehen, daß die Anzeigen vielfach in ausdringlicher und unschöner Form erscheinen und dem Interesse von Erwerbszweigen recht bedenklicher, einer Berücksichtigung nicht würdigen Art dienen. Auch die Behauptung, daß die mit Inseraten und Plakaten be triebene geschäftliche Reklame in zahlreichen Fällen ungesund sei und das wirtschaftliche Bedürfnis übersteige, sowie daß auch bei andern Inseraten zum Teil ein überflüssiger Luxus getrieben werde, würde allein die Einführung einer Steuer noch nicht recht- fertigen. Sie kann dies aber insofern, als sie die weitere Behaup tung bestätigt, daß die Inserate heute in der Hauptsache von kapitalkräftigen und zahlungsfähigen Kreisen ausgehen, die nnt dem für Anzeigen und Reklamen angelegten Gelde einen große» Gewinn erzielen und anderseits in der Lage sind, den Umsang ihrer Anzeigetätigkeit selbst nach der Größe des davon erhofften Nutzens zu regeln. Von diesem Nutzen eine Abgabe an das Reich zu erheben, erscheint nicht unbillig, da die Öffentlichkeit für die Interessen der Anzeigenden zur Erzielung geschäftlicher Vorteile in Anspruch genommen wird. Die Steuer trisst dabei auch den Gewinn der Ausländer, die ihre Waren mit zum Teil recht bedenk licher Reklame in Deutschland empfehlen. Von den gegen die Jnseratensteuer angeführten Gründen treffen für den vorliegenden Gesetzentwurf zunächst alle diejenigen nicht zu, welche in der Jnseratensteuer eine Art Zeitungssteuer oder doch eine besondere Belastung der Presse erblicken und von ihr deshalb eine Schädigung oder Verteuerung der Volksbildung be fürchten. Es ist in dem Entwurf ausdrücklich ausgesprochen, daß die Steuer von dem Anzeigenden und nicht von dem Anzeigeblatte zu entrichten ist, und außerdem vorgesehen, den Verleger für die mit der Einziehung der Steuer verbundenen Unkosten zu ent schädigen. Die Jnseratensteuer belastet auch nicht Erzeugnisse geistiger Tätigkeit, wie die Zeitungssteuer; das Inserat ist kein Bildungsmittel. Das Annoncen- und Reklamewesen hat überhaupt mit dem, was unter dem Namen »Presse« verstanden wird, ur sächlich nichts zu tun, sondern ist eine durchaus selbständige Erschei nung, die nur von geschästsmännischer Seite aus mit der politischen und Fachpresse verbunden wird. Die Jnseratensteuer könnte also einen Einfluß auf die Presse nur insofern haben, als diese jetzt aus den Einnahmen für Anzeigen auch die Kosten des eigentlichen Nachrichtenteils mit bestreitet und bei einem Rückgänge dieser Ein nahmen nach ihrer Behauptung genötigt sein würde, den Nach, richtenteil nach Umsang oder Güte einzuschränken oder aber den Bezugspreis der Zeitung zu erhöhen. Diese Folgen werden aber nicht eintreten, da bei den Steuersätzen des Entwurfs eine Ab nahme der Anzeigetätigkeit überhaupt nicht zu erwarten ist, oder doch nur so unerheblich und vorübergehend, daß sie die wirtschast- lichen Grundlagen der Anzeigeblätter nicht beeinflussen wird. Für die kleinen Anzeigen, soweit sie nicht nach dem Entwurs überhaupt steuerfrei sind, ist die Steuer so geringfügig, daß sie nicht vom An- zeigen abhalten wird. Die großen Geschäfte aber werden ihre um sangreiche Reklame infolge der Steuer ebensowenig aufgeben oder nennenswert einschränken, als sie dies infolge der beträchtlichen Steigerung der Einrückungsgebühren getan haben, die im Läuse der Zeit bei einer großen Anzahl von Anzeigeblättern eingetreten ist. Die Anzeigensteuer wird ebenso wie die Einrückungsgebühr bei den Geschäftsunkosten verrechnet werden und den Absatz der Waren, für die eine umsangreiche und kostspielige Reklame sich als nutzbringend erwiesen hat, nicht einschränken. Für die besonde ren Aufwendungen für die Einziehung der Steuer wird die Presse in dem in Aussicht genommenen Satze von zehn vom Hundert der erhobenen Steuer eine vollständig ausreichende Entschädigung finden. Ist danach eine allgemeine Benachteiligung der Presse von der Jnseratensteuer in der in dem Entwürfe vorgesehenen Form nicht zu erwarten, so ist auch die von einzelnen Seiten aus gesprochene Befürchtnng nicht gerechtfertigt, daß die Jnseraten steuer die kleinen und wenig kapitalkräftigen politischen Zeitungen 1873-