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»250 Nichtamtlicher Teil. 88, 18. April 1902. Christian Friedrich Schwan. Zur Ehrenrettung eines deutschen Buchhändlers. Von I. H. Eckardt. I. Zu den beachtenswertesten Persönlichkeiten der Schillerzeit ge hört unstreitig der Mannheimer Buchhändler Christian Fried rich Schwan. Er ist einer der wenigen, die dem jungen Genius zu verfolgen, und der bestrebt war, ihm Freunde und Gönner zu gewinnen. Nichr Dalberg, sondern Schwan gebührt das Verdienst. Schillers Zukunft weniger trübselig gestaltet zu haben. Aber auch für die Entwickelung des geistigen Lebens in Deutschland, vor allem jedoch in der Pfalz und in Mannheim ist Schwan bedeut sam gewesen. Gehörte doch der pfälzische Fürstenhof zu den kunst sinnigsten der damaligen Zeit; Karl Theodor galt um seiner Ver dienste um Kunst und Wissenschaft willen im ganzen Reiche als großmütiger Medicäer, und Mannheim wurde als »Herd des Lichtes- gefeiert. Schon früh zeigte Karl Theodor Empfänglichkeit und Ver ständnis für Wissenschaft und Kunst, er bot ihnen in Mannheim die gastlichste Stätte. Nicht nur Oper und Schauspiel hatten ihre anlagen erhöhten den Reiz und die Anziehungskraft der Stadt und ihrer Umgebung. Des Kurfürsten wissenschaftliche Liebhabe reien, unterstützt von tüchtigen Gelehrten, errangen bald bemerkens natürlich die ^eaäewis kran^aiss vor. Sie hat sich vornehmlich um die Erforschung der pfälzischen Geschichte verdient gemacht. Diese gelehrte Gesellschaft hatte ihre Sitzungen im Schloß; zwischen von 50 Dukaten für die Lösung einer bestimmten Aufgabe zur Verteilung kam. Eine zweite öffentliche Feier hielt die Akademie in Gegenwart des Kurfürsten alljährlich im Oktober ab. Was die Pfälzische Akademie für die vaterländische Geschichte, Bildung leisten. Doppelt wertvoll war diese Gründung zu einer Zeit, da Frankreich in Sprache und Sitte noch den Ton angab. Klopstocks Anwesenheit in Mannheim förderte den Plan, und 1775 erteilte der Kurfürst die Bestätigung. Lessing. Klopstock, Wieland, Schiller zählten zu den Mitgliedern der Gesellschaft, die auch die Gründung der »Deutschen Bühne- bewirkte. gesellschaft, und dieses Jahr bedeutet auch gleichzeitig den Zeit' Punkt, wo sich die deutschnationale Bewegung der Mannheimer Gelehrten- und Künstlerkreise auf den Hof übertrug. Der Kur fürst selbst ging seinem Hofe mit gutem Beispiel voran, sprach thaten es ihm natürlich nach. Der Mittelpunkt dieser nationalen Bewegung in der Stadt aber war Christian Friedrich Schwan, der 1765 dort eine Buchhandlung eröffnet hatte. Seinen unab lässigen Bemühungen ist es nicht zum wenigsten zu danken, daß die deutsche Sprache und Litteratur an dem französierenden Hofe ihren Einzug hielt und siegte. Bevor ich auf die sehr interessante Gründung der erwähnten -Deutschen Gesellschaft- und der -Deutschen Schaubühne- näher und ein Bild von dem damaligen Stand der schönen Wissenschaften in Mannheim gebe, möchte ich noch kurz über das Leben Schwans berichten, bis er nach Mannheim kam. Schwan hat im hohen und Höfer herausgcgebenen »Hausblättern- erfolgt, aber übersehen und bei der späteren Seltenheit dieses Blattes verloren gegangen. So kam es, daß in hervorragenden Schillerbiographien, selbst in Goedeke und in der Deutschen Biographie 1891 beim Artikel über Schwan die Selbstbiographie Schwans nicht erwähnt wird. Nur aus einer Notiz in -Götz, Geliebte Schatten, 1858- wußte man, daß eine solche Selbstbiographie vorhanden gewesen war. Der Schillerbiograph Minor entdeckte 1892 den Abdruck in den -Haus- blättern- und benutzte ihn zu einem Aufsatz über Schwan in den Preußischen Jahrbüchern. Kürzlich ist nun in den Mannheimer Geschichtsblättern (II, Nr. 7 u. ff. 1901) ein vollständiger Abdruck Schwan- mit wertvollen Anmerkungen von Professor Dieffenbacher in Freiburg erfolgt, den ich meiner Darstellung mit zu Grunde legen möchte. Christian Friedrich Schwan war am 12. Dezember 1733 zu Prenzlau in der Uckermark als Sohn eines Buchhändlers geboren. Sein Vater Ananias Schwan stammte aus Crossen; seine Mutter Dorothea Sophia Buchholz, verwitwete Baumann, war die Tochter eines Predigers in Woldeck in Mecklenburg-Strelitz. Aus erster Ehe brachte die Frau eine Tochter mit in die Ehe, die sich später mit dem preußischen Accisekontroleur Brede in Prenzlau vermählte; ein Sohn aus dieser Ehe war der spätere Buchhändler und Buchdrucker Karl Brede in Offenbach am Main. Der junge Schwan sollte nach dem Willen der Eltern Theologie studieren und wurde nach erfolgreichem Besuch der Stadtschule seiner Vater stadt noch zur weiteren Ausbildung 1749 auf die mit dem Halle schen Waisenhaus verbundene Gelehrtenschule geschickt. 1751 bezog er die Universität Halle und später Jena. Sein Studium wurde gelernt hätte; er erhielt die Erlaubnis zum Predigen und wurde als Kandidat der Theologie betrachtet. Ein eigenartiges, wechselvolles Wanderleben begann nun für v. Berg auf Neuenkirchen in Mecklenburg - Strelitz. Es war eine höchst angenehme Stelle; er wurde nicht, wie es sonst fast überall der Fall war, als einfacher Hausbedienter betrachtet, sondern mehr- preußischen Grenze, und wie es damals gang und gäbe war, ver suchten preußische Werber junge Bauernburschen entweder als Re kruten anzuwerben oder mit Gewalt wegzukapern. Herr von Berg fangen und benutzte dazu eine Gelegenheit, wo der Herr von Berg abwesend war. Sehr drastisch für die Zeit ist die Schilderung, die Schwan giebt: -Ein Kommando des an der Grenze liegenden Kavallerie- Regiments des Generals von Schwerin überfiel des Nachts den Edelhof, erbrach gewaltsamer Weise die Thür des Hauses, durch suchte, nachdem es den Stallknecht weder im Stalle, noch in dem Bedientenhause gefunden, das ganze Haus und verschonte selbst nicht das Schlafzimmer der Frau von Berg, die eben zu dieser Zeit Kindbetterin war. Man trieb die Unverschämtheit so weit, mit den Bajonnetten und bloßen Säbeln unter ihrer Bettlade herumzustoßen, ob der Bursche, den sie suchten, vielleicht darunter versteckt liege. Als man ihn nirgends fand und Lärm im Dorfe ward, machten sie sich unverrichteter Sache wieder aus dem Staube. Der Schrecken hatte auf die ohnehin in dem damaligen Zustande der Frau von Berg äußerst empfindlichen Nerven eine solche Wirkung hervorgebracht, daß sie in eine tödliche, mit Wahnsinn untermischte Krankheit verfiel, woran sie auch nach einigen Monaten starb.- Der Vorfall machte selbstredend viel Aufsehen; der Herzog von Strelitz beschwerte sich beim König, es wurde auch eine Unter suchung angeordnet, die jedoch ohne Folgen blieb. Nur für Schwan hatte sie die Folge, daß Herr von Berg fürchtete, daß er als ge borener Preuße vielleicht aufgehoben werden könne (obgleich er als einziger Sohn und Student frei war), und es daher für zweck mäßig erachtete, wenn er Neuenkirchen für einige Zeit verließe und sich nach Hamburg zurückzöge. Schwan folgte diesem Wunsch und verbrachte ein halbes Jahr in der großen Handelsstadt. Der Aufenthalt dort war bestimmend für sein späteres Leben. Es stiegen Bedenken in ihm auf, ob es nicht ratsamer sei, sich Land und Leute anzusehen, als auf einem Dorfe als Landpfarrer sein Leben zu beschließen. Er hätte wohl damals schon diesem Verlangen nachgegeben, umsomehr als sein Vater inzwischen ge storben und er sein eigener Herr war, wenn ihn nicht Herr von Berg nach Neuenkirchen zurückberufen hätte. Im Mai 1756 begleitete er seinen ältesten Zögling zur weiteren Ausbildung nach Prenzlau; des Bleibens dort war jedoch nicht lange, da der Krieg ausbrach und Schwan Hauslehrerstelle bei den Söhnen eines Hauptmanns von Lepel übernehmen mußte. Er mußte dies thun, weil er bei dem bevorstehenden Kriege auch als Eximierter mit gemußt hätte, der Hauptmann ihm jedoch unter der Bedingung, daß er die Aufsicht über seine Söhne übernahm, völligen Abschied erwirkte. So fügte sich Schwan, brachte den jungen Berg nach Neuenkirchen zurück und nahm dort von der ihm so liebgewordenen Familie Abschied. Bis Januar 1758 blieb er im Lepelschen Hause; dann folgte er seinem Herzenstrieb und ging nach Hamburg, um einem an Irrfahrten reichen Leben entgegenzugehen. Auf Veranlassung des bekannten Schriftstellers Jakob Friedrich Freiherrn von Bielfeld, dessen Bekanntschaft er machte, ging er nach Kopenhagen, um sich beim Minister Adam von Moltke wegen eines Postens zu bemühen. Da man ihn vertröstete, seine Bar schaft nur noch klein war und ihn sein Hang zum Reisen in die Weite trieb, so beschloß er, nach England und von dort nach Phila delphia zu reisen. Im Kopenhagener Hafen fand sich jedoch nur