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^ 125, 1. Juni 1912, Nichtamtlicher Teil, e-U-nilatt >, d, DtM, «u4-»nd-I. 6707 Diese Methode hat nur den einen Fehler, daß dabei die Kontinuationen langsam, aber sicher zurückgehen, daß kein genügender Ersatz geschafft wird zur Deckung der Ausfälle, wie sie durch Tod und Verzug und die gegen früher erheblich größere Unbeständigkeit des Publikums in jedem Geschäft un vermeidlich sind. Ganz abgesehen davon, daß dabei nie eine Weiterentwicklung des Zeitschristengeschäfts, eine Hebung des Abonnentenstandes zu erzielen ist. Wie mit den Journalen verfährt man meist auch mit den Lieserungswerken; die Adretzschleifen werden nach einer vom Chef oder vom ersten Gehilfen aufgestellten Liste aus geschrieben, die Hefte ausgewogen und dann ihrem Schicksal überlassen. Das ist denn auch meist kein glänzendes, wie u, a, daraus hervorzugehen scheint, daß diese Betriebsart bei volkstümlichen Werken von den Verlegern mehr und mehr ver lassen wird. Statt dessen hat sich der Vertrieb der gebun denen Werke auf Ratenzahlung eingebürgert, der hauptsäch lich den Spezialisten des Fachs, den Reisebuchhändlern zu gute kommt. Ein wenig hat sich das Geschäft gegen früher aber doch geändert, indem das Aufsuchen von Bestellungen, die Vorlage geeigneter Werke in Bureaus usw, bei einem Publikum, das mehr »ssconrl dass« ist, von einzelnen Firmen in das Programm ausgenommen worden ist, Z, B, kann eine Architekturbuchhandlung, die über einen Stadtreisenden ver fügt, ihren Absatz auf vollständige und Fachwerke in Liefe rungen sehr heben, wenn sie große Baubureaus aussuchen und deren Angestellte bearbeiten läßt. Eine Buchhandlung, die Zugang zu Behörden hat, wird gewisse Literaturgattungen ebenfalls auf dem Wege der »Kolportage« in größerem Matz- stabc verbreiten können. Dazu gehören nur geeignete Persön lichkeiten als Vertreter, Hiermit kommen wir ln msckias rss. Heutzutage Abonnenten — nicht gelegentlich einen, sondern solche in der Mehrzahl — zu erhalten, gleich, ob aus Zeitschriften oder Lieferungswerke, sofern solche sich an das große Publikum lvenden, ist fast nur noch durch unmittelbare persönliche Einwirkung, durch die Macht des gesprochenen Worts seitens »redegewandter Herren und Damen« möglich. Man braucht dabei nicht allein an die untere Schicht der Bevölkerung zu denken, welche keine Buchhandlungen auf sucht und selbst zu Weihnachten nur ein »Grossobuch« im Warenhause oder in der Papierhandlung ersteht. Wenn man die Abonnentenlisten der Abonnentensammler durchsteht, findet man darin auch diemittlere Schicht, selbständige Gewerbe treibende, subalterne und Privatbeamte und vor allem bei geeigneten Gegenständen die Frauen des Mittelstandes zahl reich vertreten. Daß dieser für den Buchhandel nicht undankbare Teil der Bevölkerung noch mehr herangezogen werden könnte, läßt sich nicht bestreiten. Das Haupthindernis hieran liegt in der jetzigen Beschaffenheit der R e i s e n d e n, die meist nicht dem Bildungsniveau des mittleren Publikums entsprechen. Ein Reisender hat aber nur bei den Personen Erfolg, in deren Denkungsart er sich hineinleben kann. Deshalb wendet sich der aus »kleinen« Kreisen hervorgegangene Reisende instink tiv wieder an kleine Leute, und daher gehört bei der durch Reisende gewonnenen neuen Kundschaft in der Regel ein ganz bedeutender Prozentsatz der Klasse der Arbeiter an, die sich aus erklärlichen Gründen nicht so leicht zu Dauer- kunden entwickelt und für den Buchhändler daher von zweifel haftem Werte ist. Die Verbesserung der Beschaffenheit derReisen - den wurde unbedingt eine Verbesserung der Ergebnisse dieser Vertriebsform im Gefolge haben. Der Sortimenter, der den Buchhandel als Geschäft betreibt und nicht nur in Be tätigung seine? ihm innewohnenden idealen Sinnes zum Besten vaterländischer Kultur, sollte daher sein Augenmerk da rauf richten, einen tüchtigen, gebildeten Mann für den Außendienst zu bekommen. An Beschäftigung für ihn würde es nicht fehlen; geeignete Objekte sind immer vor handen, und dar Arbeitsfeld würde sich über die Grenze des Wohnorts der Buchhandlung unschwer erweitern lassen. Im kaufmännischen Leben ist der >St a d t r e i s e n d e« eine alltägliche Erscheinung geworden; er ist in vielen Bran chen eine selbstverständliche Phase in der Entwicklung des jungen Kaufmanns, Sollte unserm Gehilsen stände nicht auch ein wenig Bewegung in der frischen Autzenluft gut tun? Würden sich nicht auch bei uns eine Anzahl junger Leute finden, die Neigung und Beruf in sich verspüren, den Löwen in der Höhle, wollte sagen, das Publikum an seiner Arbeitsstätte oder in seinem Heim aufzusuchen? Hier zeigt sich selbst für den Gehilfen ein Weg zum Weiterkommen, zur Erreichung besserer Besoldung, da bestimmte Provisions sätze für die erzielten Bestellungen das Gehalt in schönster Weise nach oben abrunden würden. Also statt der jetzt be liebten, den einzelnen Orten »individuell« angepatzten Nor malgehaltssätze — Erzielung höherer Einnahmen durch eigene Tüchtigkeit und Findigkeit! Der Chef kann mit bestimmten Aufträgen die Besuche des Publikums beginnen lassen und in der Richtung der er zielten Erfolge sorlsetzen. Zu zartbesaitete Herren, die sich das Leben lieber aus der Vogelperspektive ansehen und vor jeder Berührung mit der rauhen Wirklichkeit zurllckschrecken, werden allerdings bald reumütig in den sicheren Schutz des Ladens zurückkehren und — weiter auf Kunden warten. In einem vor kurzem in der Fachpresse erschienenen Auf sätze warnt ein Sortimenter die Kollegen davor, Rei sende zu »drillen«, weil diese nach einiger Zeit sich selbständig machen und die Kundschaft mitnehmen könnten. Aus den seit 1870 von den Sortimentern und Verlegern an gelernten Reisenden und Kolporteuren sei der größte Teil der heutigen Kolportagcbuchhändler hervorgegangen. Dann darf der Buchhandel auch keine Lehrlinge mehr ausbilden, denn die meisten neu entstehenden Buchhandlungen werden von Männern begründet, die ihren »Drill« von den vorher be- siandenen Sortimentern und Verlegern erhalten haben. Und was das »M itnehmen der Kundschaft« be trifft, so ist diese geschäftliche Transaktion doch auch nicht so einfach, wie der betreffende Sortimenter meint. Ja, wenn der »Börsenverein« nicht wäre! Bislang hat sich nur der »Central-Verein Deutscher Buch- und Zeitschriftenhändler«, dessen Mitglieder in erster Linie hierdurch berührt werden, Mit dieser Frage beschäftigt. Er hat mit den in Betracht kommenden Zcitschriftenverlegern und Grossisten ein Abkom men getroffen, wonach über solche »Kunden-« oder besser »Abonnentenräuber« die Bezugssperre verhängt wird. Dieses Radikalmittel hat bereits die wenigen Male, wo es nötig ge worden, prompt gewirkt. Wieviel mehr, wenn sich der Börsen verein selbst der Sache annehmen würde! Der Sortimentsbuchhandel sollte sich unter keinen Um ständen von einer Vertriebsform fernhalten und ausschlietzen, die überall im kaufmännischen Leben, im Versicherungs wesen usw, begeisterte Aufnahme gefunden hat und zu einer direkten Notwendigkeit geworden ist; sonst kommt er mehr und mehr ins Hintertreffen und ist wenigstens für einen Teil der literarischen Volksbeköstigung auf die Brocken angewiesen, die ihm fortgeschrittenere Geschäftsleute übrig lassen. Die Zeiten, wo die Sortimentsbuchhändler einer Stadt diese als ein sicheres Dominium betrachten konnten, sind längst dahin. Heute sind die R e i s e buchhand- lungcn, die K o l p o r t a g e buchhandlungen und die Reise kolonnen der V e r l c g e r bei ihrer für das Sortiment kaum wahrnehmbaren Arbeit, um das literarische Bedürfnis breiter 87« >