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Buches abzielenden Bestrebungen in nichtbuchhändlerischen Kreisen betrachten, so zeigt sich ein wenig erfreuliches Bild. Die seit 10 Jahren und länger auftretenden Manipulationen dieser Kreise sind in der Mehrzahl aller Fälle nur auf das Wohl der eigenen Tasche gerichtet. Heute glaubt fast jeder, der als Leiter einem Vereine vorsteht, berechtigt zu sein, dem Buchhandel ins Handwerk zu pfuschen, sei es durch eigenen Verlag oder durch Abschlüsse mit Verlegern, die den soge nannten »qualifizierten Personen« ohne weiteres einen we sentlich ermäßigten Preis zubilligen, wobei in manchen Fällen der Sortimentsbuchhandel überhaupt ausgeschaltet wird. Wer da glauben wollte, daß der billigere Preis eines Buches erklärt würde durch eine zu hohe Fixierung des eigentlichen Laden preises, befindet sich im Irrtum. Wohl mag sich hier und da ein Verleger bei Bestimmung des Ladenpreises vergreifen, aber es wäre unzutreffend, aus solchem Ausnahmefall gene relle Schlußfolgerungen zu ziehen. Über die fürs Sortiment ruinöse Wirkung der zweierlei Preise ist bereits soviel ge schrieben und geredet worden, daß ich dieses leidige Kapitel hier nicht weiter ausspinnen möchte. Ich habe es aber nicht nur zufällig, sondern mit vollem Bedacht angeschnitten, weil es in gewisser Beziehung mit meinem Thema »Der Bücher automat« in Verbindung steht. Man vergleiche nur die Be deutung und Wirkung (für Sortiment und Publi kum) der beiden Fragen: Lieferung des Buches zu wesentlich billigeren Preisen an qualisi- ziertePerfonen — und:Verbreitung des billi- genBucheszusestenPreisendurchdenSorti- mentsbuchhandel mittels der Bllcherauto- maten! Der klar zutage tretende Unterschied dürfte in den weitesten Kreisen des Publikums, soweit einsichtige und gerecht denkende Menschen in Frage kommen, durchaus gewürdigt werden. Die Sucht, irgend eine gute Sache unter dem eigentlichen Preise zu erhalten, erachte ich als ein Symptom der Schwäche, ja geradezu als einen niederen Trieb im Men schen ! Jede gute Sache ist, wie jede gute Arbeit, ihres Lohnes wert! Daran sollte doch niemand rütteln, mithin sollte auch innerhalb eines in sich gefestigten Berussstandes, wie es der Buchhandel heute gottlob noch ist, jeder sich hüten, Maßnahmen zu treffen, die einerseits die Begehrlichkeit weiter Kreise des Publikums nur steigern müssen, während sie andererseits dazu bettragen, in diesen Kreisen die Achtung vor dem Buch handel und seinen Unternehmungen immer mehr zu unter graben. Herr Zimmer bemängelt in seinem Aufsatz, daß die Firma Reclam das Aufftellungsrecht dem Buchhandel allein einge räumt habe. Hieraus ergibt sich, daß er für das Recht des Buchhandels kein Verständnis besitzt, und nicht begreifen kann oder will, weshalb ein deutscher Verleger für ein großzügig angelegtes Unternehmen auf die Unterstützung nichtbuchhänd lerischer Elemente ganz bewußt verzichtet. Ich erachte die zu gunsten des Sortiments von der Firma Reclam getroffene Entscheidung als eine Tat, die weit mehr verdient als einen Dank durch Worte. Die Tat muß durch eine Gegental be antwortet werden. Ich habe gehört, daß die Münchener Kol legen vom Sortiment sich bereits durch Vertrag eine größere Zahl von Bücherautomatcn gesichert haben, weiß aber nicht an welchen anderen Orten das gleiche erfolgt ist. Bei uns ge langt die Angelegenheit ans der nächsten Sitzung des Ham- burg-Altonaer Buchhändler-Vereins zur Beratung. Es wäre m. E. wünschenswert, wenn die Firma Reclam demnächst über den Stand der Sache im Börsenblatt berichten möchte. Über die Bedeutung der Bücherautomalen habe ich mich schon mit manchem Kollegen unterhalten. Wenn auch die Meinungen auscinandergingen, so habe ich doch keinen Gegner an- getrofsen, und ich persönlich habe, wenn ich das einschalten darf, mehr Stimmung gewonnen, je mehr ich mich mit der Sache beschäftigt habe. Mag auch manche Frage dabei heute noch nicht zu entscheiden sein — so z. B.: wird der Bücher automat über den Verkauf der Reclambände hinausgehen und einen Stratzenkäuser zu einem regelmäßigen Besucher einer Buchhandlung machen können? Das wäre in der Tat das schönste Resultat, das nicht nur jeder einzelnen Buchhandlung, sondern auch dem Reclamschen Verlag zugute käme — des gleichen noch anderen Verlegern, denn die regelmäßigen Be sucher des Sortiments kaufen doch nicht nur Reclamebände. — Alles zusammengefaßt, meine ich, daß das gesamte Sortiment, in erster Linie das in den großen Verkehrsstädten wohnende, alle Ursache hat, die hier von einem Verlegerkollegen darge botene Hand zu ergreifen, um eine unbedingt aussichtsvolle Sache nicht durch Zaghaftigkeit und kleinliche Bedenken in die Hände von nichtbuchhändlerischen Elementen hinüberzuspielen, und daß das Sortiment durch einmütiges Zugreisen öffent lich bekunde: »Der Verkauf guter Bücher gehört einzigund allein demBuchhandel!« Hamburg, Pfingstsonntag 1912. Hermann Seippel. Die Abonnentengewinnung und das Aufsuchen von Bestellungen, Für den Fachmann bedarf es weder der Empfehlung noch Erläuterung einer Ware, ihm genügt es, wenn diese selbst oder eine Warenprobe vorgelegt wird. Danach trifft er aus eigenem Urteil seine Entscheidung. Der Fachmann steht durch seine Fachkenntnis über dem vermittelnden Händler und würde sich dessen Einmischung in die Angelegenheiten seines Fachs verbitten. Auf derselben Stufe wie der Fachmann steht in den allgemeinen Angelegenheiten der Hochge bildete; er hat denselben Scharfblick für das Wesentliche, und der Händler hüte sich, ihm durch überflüssige Erklärungen lästig zu fallen! Um Fachleute zu Abonnenten auf Fach schriften und die Spitzen der Intelligenz zu Abonnenten auf vornehme, ihren Neigungen Rechnung tragende Journale zu gewinnen, genügt es daher, beide zusammenzubringen; alles andere kann man dann dem Prozeß der Wahlverwandtschaft überlassen. Dieses Verfahren war jahrzehntelang die Methode des Buchhändlers, die gewiß ein gutes Zeugnis davon ablegt, welche Wertschätzung er seinem, d. h. dem besseren Publi kum entgegenbringt. Er begnügte sich damit, Probenummern oder Prospekte von neuen Zeitschriften an ausgewählte Adressen seiner Kundschaft, auch an neu in feinen Bannkreis eintretende respektable Persönlichkeiten zu versenden und die Besucher seines Ladens darauf aufmerksam zu machen. Auch hielt er von gängigen Journalen Proben auf Lager, damit er den et waigen Wünschen des Publikums ohne Verzug Nachkommen konnte. Daneben profitierte er noch von den Anstrengungen der Verleger, soweit sie durch Ankündigungen oder Beilagen in der Ortspresse Nachfrage zeitigten. Beim Vierteljahreswechsel sah man auch wohl auf den Ladentischen der Sortimentsbuchhandlungen, besonders im Herbst, Stöße von Probenummern, um dem dann mehr hervortretenden Lesebedürfnis des Publikums zu begegnen. Es waren Wohl nur Familienblätter oder Mode- z c i t s ch r i f t e n, die den Buchhändler auf Ersuchen weniger erfahrener Interessenten nötigten, die Eigenart des einzelnen Blattes hervorzuheben und bei Wahl des Geeigneten mitzu wirken. Wer will leugnen, daß diese Art der Abonnentengewin nung, wie sie im wesentlichen auch heutzutage noch von vielen Sortimentern geübt wird, auf einer sehr gesunden Grundlage beruht und den alten, guten Traditionen des Buchhandels entspricht?